News: Nissan Micra – Vom Kleinwagen zum Kleinstwagen

Während die Konkurrenz im Kleinwagen-Segment von Generation zu Generation immer „erwachsener“ wird, hat der Nissan Micra beim letzten Modellwechsel eher einen Schritt zurück in der Entwicklung gemacht. Diese Form der Regression war bislang ein Nachteil, soll nun aber möglichst in einen Vorteil umgemünzt werden. Zu diesem Zweck justieren die Japaner die preisliche Positionierung ihres Einstiegsmodells neu.

Der Micra hat derartige Hilfe bitter nötig. Lediglich 5.600 Kunden fanden sich deutschlandweit im ersten Halbjahr, elf Prozent weniger als im Vorjahr und ein paar tausend weniger als bei direkten Konkurrenten wie Toyota Yaris, Kia Rio, Suzuki Swift oder Mazda3. Wer sich dem kleinsten Nissan nähert, weiß auch schnell, woran das liegt: Vor allem im Vergleich mit dem neuen und schicken Mazda und Kia wirkt der Micra um eine Klasse schwächer. Selbst im Vergleich mit seinem eigenen Vorgänger (gebaut 2003 bis 2010), schneidet der aktuelle Micra eher schlecht ab. Konsequent daher, dass Nissan den Fünftürer nun auch preislich nicht mehr wie einen Kleinwagen, sondern wie einen Kleinstwagen behandelt. Seit der letzten Preisrunde im Sommer nämlich kostet das Basismodell nur noch 10.390 Euro – kaum mehr als ein VW Up, Kia Picanto oder Opel Karl in der Einsteigerversion. Und im Vergleich mit diesen Modellen schlägt er sich nun auch deutlich besser.

Das Heck ist weiterhin kein Hingucker
Das Heck ist weiterhin kein Hingucker

Beim Einsteigen etwa stört das unansehnliche Hartplastik-Cockpit direkt weniger. Und auch Sparmaßnahmen wie den Verzicht auf eine Scheinwerfer-Icons im Zentralinstrument oder das Fehlen einer Motortemperatur-Anzeige nimmt man in einem Kleinstwagen gelassener hin als in einem Kleinwagen. Dass die Sitze zwar verbindlich gepolstert, aber unkonturiert sind, kennt man ebenfalls aus dem kleinsten Pkw-Segment. Dafür ist der Micra zumindest ergonomisch ordentlich gemacht, die Sitzposition ist rückenfreundlich hoch, die Bedienelemente liegen gut zur Hand und das Platzangebot vorne ist ordentlich. Auch hinten sitzen Kinder einigermaßen bequem, der Einstieg gelingt dank der serienmäßigen Fondtüren leicht. In echten Kleinstwagen geht es meist weniger bequem zu. Ebenfalls deutlich absetzen kann sich der Micra beim Kofferraumvolumen, das selbst im Vergleich mit einem Kleinwagen überzeugen könnte. Auch, weil die Ladekante niedrig und der Laderaum-Ausschnitt relativ großzügig ist.

Beim Basismotor war der Micra im Kern immer schon ein Kleinstwagen. Seinen 1,2-Liter-Dreizylinder mit 59 kW/80 PS kennt man so oder so ähnlich auch aus unzähligen anderen Modellen der Mini-Klasse. Anders als die Konkurrenz, wartet der Micra aber auch mit einer aufgeladenen Variante auf, in der ein Kompressor für immerhin 72 kW/98 PS sorgt. Der Direkteinspritzer fährt sich im Prinzip wie ein 1,4-Liter-Saugbenziner, nutzt den Lader erst ab mittlerer Drehzahl und stellt seine maximale Kraft spät, bei 4.400 Touren, zur Verfügung. Im Grunde ein angenehmer Begleiter nicht nur für den Stadtverkehr, sondern auch für gelegentliche Fahrten auf Autobahn und Landstraße. Allerdings macht hohes Reisetempo den Motor trotz der langen Übersetzung im obersten Gang des Fünfganggetriebes durstig, so dass man sich von dem normalen 5,8-Liter-Testschnitt rasch in Richtung sieben Liter entfernt. Auch wird das ganze Auto bei Überfahren der 130-km/h-Grenze schlagartig laut.

Gerne bleibt man daher im Stadtverkehr, wo der Micra seine Wendigkeit und die gute Übersichtlichkeit der Karosserie am besten ausspielen kann. Das Fahrwerk bügelt dazu Unebenheiten ordentlich weg und hat auch bei voller Beladung noch Federungsreserven. Kurven und schnelle Richtungswechsel mag der hochbauende Nissan hingegen eher wenig. Auch die wenig präzise Lenkung und die hakelige Fünfgangschaltung verhindern, dass gehobener Fahrspaß aufkommt. Den aber würde man von einem Kleinstwagen auch nicht erwarten.

So gesehen ist die – in der Pkw-Branche sehr ungewöhnliche – Preissenkung ein kluger Schritt. Auch wenn die Basisversion nur um gut 1.000 Euro günstiger geworden ist: In den kleinen Klassen sind das Welten. Natürlich sind die 10.390 Euro trotz allem nur ein Lockpreis. Wer nicht nur das nackte Auto, sondern auch ein wenig Komfort will, muss schon die zweite Ausstattungsvariante „Acenta“ wählen, deren Preisliste bei 12.390 Euro startet. Dort ist der Preis allerdings noch stärker gesunken als beim Einstiegsmodell: um 1.780 Euro. Den gleichen Preisvorteil bietet die Variante mit dem Kompressormotor, die nun ab 14.090 Euro zu haben ist.

Der Innenraum wirkt etwas karg
Der Innenraum wirkt etwas karg

Es kommt unterm Strich also immer auf die Gegner an, die man sich aussucht. Solange der Micra eher im Kleinwagen-Segment antrat, war er bestenfalls unteres Mittelmaß. Im Kleinstwagen-Segment hingegen kann er nun allein aufgrund seiner überlegenen Größe den Anschluss an die Spitzengruppe halten. Ob das reicht, auch beim Absatz zu den neuen Wettbewerbern aufzuschließen, bleibt jedoch abzuwarten. Allzu große Hoffnung auf einen späten Erfolg des Micra scheint man sich auch bei Nissan nicht zu machen: Anfang des Jahres gab es auf dem Genfer Salon bereits einen inoffiziellen Nachfolger zu sehen, der wieder deutlich schnittiger und moderner als das aktuelle Modell auftritt und direkt gegen Mazda2 und Co. positioniert zu sein scheint.

Autor: Holger Holzer/SP-X

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