Mit einem X5 bei der creme21 mitfahren? Klingt als würde man die Idee des Youngtimer-Roadtrips ad absurdum führen und dennoch, es passt ganz hervorragend. Der BMW X5 feiert in diesem Jahr ein Jubiläum, 20 Jahre ist die Idee des SAV aus München bereits alt. Ob man es dem ersten X5 anmerkt? Vier Tage auf der creme21 werden es zeigen.
Mein Alltag in den letzten 10 Jahren war geprägt von Neuwagen. Viel PS. Große Autos, kleine Autos. Japanische Autos, italienische Autos, vor allem aber, neue Autos. Da kann man den Blick für das Wesentliche auch mal verlieren. Den nicht immer geht es nur um die neuesten Assistenzsysteme, um die Frage, wie schnell die elektrische Heckklappe öffnet und ob man bereits seine Route im Navi hat, bevor man eingestiegen ist. Während wir bei den Neuwagen seit Jahren nur noch den Fokus auf Infotainment, Ruhe, Höchstleistungen und CO2-Optimierungen legen, haben wir ein wenig vergessen, worum es beim Auto fahren einmal ging.
Ankommen ist nicht immer das Ziel
Während es bei vielen Young- und Oldtimer-Rallyes vor allem darum geht, seine Automobilen Schätzchen im Pflegezustand 1-2 den Zuschauern vorzuführen, dreht es sich bei der creme21 doch mehr um das alte Eisen an sich. Um den Spaß, den man sich selbst damit macht und die Freude am fahren, die man auch mit einem kleineren Budget ausleben kann. Die creme21 ist bewusst anders. Und gerade deswegen der richtige Platz für einen SUV. Pardon, den SUV. Pardon, den SAV! Von BMW. Den Ersten! Den X5 mit dem Geburtsjahr 1999.
Weil Größe relativ ist
In den aktuellen Tagen führen wir eine Diskussion über Sinn und Nutzen von SUVs. Blicken wir 20 Jahre zurück, war der Einstieg in ein gänzlich neues Segment für den Automobil-Hersteller aus München, vor allem eine goldrichtige Entscheidung.
BMW hat den X5 früh und bewusst, weder als Geländewagen, noch als SUV verstanden – man hat ganz selbstbewusst ein eigenes Segment gegründet. Das „sport activity vehicle“ – frei nach der Idee; Ein BMW muss vor allem Fahrfreude bringen und das ist immer ein wenig mehr „activity“, denn „utility“.
20 Jahre später steht ein imola-roter X5 auf dem Parkplatz des TT-Circuits in Assen und wirkt, trotz seiner Farbe, unscheinbar. So relativ kann Größe sein. Mit seinen 4,66m ist der E53 heute ein kompakter Vertreter seiner Klasse. Vier Generationen später ist sein Ur-Enkel um 30 Zentimeter in der Länge gewachsen.
Und dennoch, manch ein Teilnehmer der creme21 schaut sehr skeptisch auf den roten X5 4.6is. Er wirkt einfach wie neu. Fabrikneu. Ein Blick auf den Tacho offenbart das Geheimnis seiner Jugend. Mit nicht einmal 3.200 km ist dieses Exemplar noch nicht einmal eingefahren. Ein Zeitzeuge der die letzten 20 Jahre in einer stillen Ecke der BMW Classic auf seinen Einsatz warten musste. 20 Jahre sind eine lange Zeit.
Während der BMW X5 E53 auf seinen Einsatz wartete, haben wir unsere Telefone geschrumpft, haben das Internet in unseren Alltag integriert, haben das Rauchen in Restaurants verboten, haben wir Videoverleih auf Cassetten und lineares TV abgehakt, haben Napster erfunden und begraben, sind umgestiegen auf Musikstreaming, haben 9/11 erlebt, bekommen den größten Unfug aus Politikermund live per Kurznachrichtendienst, haben Nokias gekauft und Snake gespielt, fotografieren mit unseren Smartphones, und haben das Wissen der ganzen Welt in unserer Hand.
Das Schweigen des Achtzylinders
Vor 20 Jahren war Down-Sizing noch ein Stichwort für den Leibarzt von Dr. Helmut Kohl, aber ganz sicher nichts, was man mit einem Auto in Verbindung bringen wollte. Mit 4.6 Litern Hubraum ist der X5 für die creme21 gut gerüstet. Satte 367 PS grummeln nach dem Dreh am Zündschlüssel – ja – vor 20 Jahren waren auch Startknöpfe und Keyless-go noch nicht wie die DUH-Landplage über das Automobil gepflegt.
Ein souveränes Tschakka-Tschakka-Vroooum erweckt den frei saugenden M62B46 zum leben. Sämig schlägt der 5-Gang Wandler von HP den ersten Gang vor. So ging first class Fortbewegung 1999 – und 2019? Da überrascht das hohe Niveau. 20 Jahre sollen bereits her sein?
Nicht ganz. Während das Premieren-Jahr des X5 stimmt, gab es den gefahrenen 4.6is erst seit Februar 2002 – aber geschenkt, geht es doch bei der creme21 um das bewegen von Kulturgütern an sich, und nicht um das Korinthenweitkacken.
Spiel mit mir
Die creme21 unterscheidet sich in einem ganz maßgeblichen Punkt von anderen Classic- und Youngtimer-Rallyes. Während man üblicherweise auf Präzision und knifflige Navigation setzt, legen die Macher der creme21 einen anderen Schwerpunkt: Es soll vor allem Spaß machen. Und da dürfen dann schon einmal eingeseifte Kondome gefangen werden, Bobby-Cars geschoben, oder der Inhalt von Brause-Packungen erraten werden.
Für den X5 wären Zeitfahrten vermutlich eine größere Herausforderung gewesen.
20 Jahre sind keine Zeit
Der BMW X5 E53 ist beeindruckend. Auch nach 20 Jahren. Während man sich auf dem freien Markt ein wenig schwer tun dürfte, noch ein gepflegtes Exemplar zu erhalten, durfte der Autor dieser Zeilen, mehr als 1.000 km in einem nagelneuen Youngtimer fahren. Dabei hat sich gezeigt: Ein Auto ist immer nur so alt, wie sich der Fahrer fühlt.
Überzeugend der Antritt, binnen 6.5 Sekunden auf 100 km/h – auch heute noch ein Wert bei dem man sich nicht schämen muss. 240 km/h im X5 auf der Bahn? Machbar. Überraschend jedoch vor allem die Verarbeitung des X5. Da knistert nichts, da rappelt nichts. Ein wenig eng ist es eventuell – da bestätigt sich mal wieder, wie groß die modernen Autos geworden sind. Dabei zwickt der X5 nicht, aber er packt dich etwas fester zwischen Tür und Mittelkonsole. Was dem reinen Gefühl beim fahren jedoch mehr als zuträglich ist.
Das Schweigen des SUV mit Achtzylinders, die Zukunft wird ungemütlich
So schweigsam und elegant wie sich der feine Achtzylinder unter der Haube des des E53 auch gibt, er verkörpert dennoch eine Aura des verruchten in diesen hektischen und unsicheren Tagen. Ganz egal, wie wohl man sich an Board des ersten BMW-Nicht-Geländewagens auch fühlt, die Frage nach dem Sinn stellt sich fast minütlich.
Schweigsam cruist unser X5 über die Landstraßen der Heide – er sorgt sich um uns. Er kümmert sich. Er lässt uns vergessen und er bringt sich in Erinnerung.
Eventuell sind alte SUV und SAV die einzige Fluchtmöglichkeit, die uns bleiben, bevor wir alle in Stromlinienförmigen E-Autos beinah autonom von A nach B fahren. Denn fahren, lässt sich ein „fast 20 Jahre alter Youngtimer“ wie ein Neuwagen, aber mit dem guten Gewissen, dass, wenn man einen Fehler gemacht hat in Bezug auf Größe, Gewicht und Verbrauchswerte, dann sind diese bereits verjährt – und wenn er schon einmal da ist, dann wäre es eine Schande, dieses Juwel nicht auch zu fahren.
Auf 20 weitere Jahre BMW X5.