40 Jahre Quattro
Audi hat den Allradantrieb im Pkw groß gemacht. Dabei kam dem Torsen-Differenzial eine entscheidende Rolle zu. Doch längst ist es nicht mehr alternativlos.
Ohne Quattro wäre Audi wohl nie in die Premiumliga unter den Autoherstellern vorgestoßen. Teils cleveres Marketing, teils technische Notwendigkeit und teils erfahrbarer Traktionsvorteil hat der Allradantrieb die Ingolstädter vor 40 Jahren auf die richtige Spur gebracht. Heute ist das 4×4-Portfolio der Marke groß und vielfältig wie nie.
Kern des Quattro-Programms war und ist der permanente Allradantrieb mit Mittendifferenzial. Schon der Ur-Quattro nutzte das Getriebe ab 1980 zum Drehzahlausgleich zwischen Vorder- und Hinterachse, auch wenn es bei Bedarf noch von Hand gesperrt werden musste. Schon 1986 war das nicht mehr nötig, als das selbstsperrende Torsen-Differenzial in den Pkw der Marke einzog. In der aktuellsten Generation kommt es noch heute in den Modellen oberhalb der Kompaktklasse zum Einsatz.
Das Beste noch besser machen
Klein, leicht und günstig ist das Bauteil. Und noch immer kommt es komplett ohne elektronische Steuerung aus, wie schon bei der Premiere im Quattro. Bei den Längsmotor-Modellen bleibt das Torsen auch in Zukunft konkurrenzlos, prognostiziert Dieter Weidemann, Leiter Entwicklung Allradsysteme bei Audi. Er und sein Team arbeiten bereits an der neuesten Generation, die noch einmal leichter sein soll als die aktuelle mit dem internen Code „CSM“. Schließlich zählt der „permanente Allradantrieb“ zum Audi-Markenkern – und ist Differenzierungsmerkmal gegenüber der Konkurrenz.
Seit den 80er-Jahren setzen die Ingolstädter auf „Quattro“. Zunächst werben sie vor allem mit den Traktionsvorteilen – einprägsam in Szene gesetzt mit der Werbefilmfahrt eine Sprungschanze hinauf. Seit 2005 ist der Allradantrieb auch für die Fahrdynamik zuständig; dabei verteilt er die Kraft nicht mehr ausgeglichen zwischen den Achsen, sondern schickt rund 60 Prozent nach hinten. Die hoch motorisierten Limousinen, Kombis und SUV der Marke wären ohne Allrad nie möglich gewesen. Die Vorderreifen allein hätten mit der ständig anwachsenden PS-Wucht nicht umgehen können. Und einen Hinterradantrieb wie die Konkurrenz aus Stuttgart und München hatte Audi nie im Hauptprogramm.
Auch deswegen war der Allraddruck bei anderen nicht so groß. Der Wettbewerb stieg im großen Stil erst später in die Technik ein und setzt an Stelle der mechanischen Verteilung vor allem auf elektronisch geregelte Systeme. Auch Audi hat das im Programm, vor allem in den kleineren Baureihen. Bei Modellen mit quer eingebautem Motor wie etwa dem vom VW Golf abgeleiteten Audi A3 passt das Torsen nicht, stattdessen kommt zwischen den Achsen eine Lamellenkupplung zum Einsatz, die die Hinterachse bei Bedarf in Millisekunden zuschaltet. Ein Unterschied zum System mit Mittendifferenzial ist nicht zu bemerken, so schnell und vorausschauend arbeitet die Hang-on-Technik mittlerweile. Eindrucksvoll zeigt das der auf Sparsamkeit ausgelegte Ultra-Quattro-Antrieb, der etwa im A6 zum Einsatz kommt – eine der wenigen Ausnahmen von der Torsen-Dominanz bei den Längsmotormodellen.
Performance überzeugt
Auf einer Testfahrt rund um Neuburg zeigte sich die Lamellenkupplung in dem Businessmodell aufgrund ihrer vorausschauenden Programmierung extrem auf Zack. Anfahren, Gasgeben, Kurvenfahrt – der Allradantrieb war immer aktiv, wenn er gebraucht wurde. Von durchdrehenden Rädern oder leichten Traktionsverlust keine Spur. Die gegenüber dem Torsen-System in gewisser Weise aufwändigere und auch teurere Konstruktion soll an Bord des Business-Audis vor allem beim Spritsparen helfen. Denn anders als bei dem Mitteldifferenzial lässt sich die Hinterachse komplett vom Motor abkoppeln, wenn sie nicht gebracht wird. Damit das Differenzial hinten ebenfalls stillsteht, werden zusätzlich die Räder mittels Klauenkupplung von der übrigen Mechanik abgetrennt. Das geht so schnell, dass sie sich bei Bedarf in Millisekunden wieder schließen lässt.
Konkurrenz bekommen Torsendifferenzial und Lamellenkupplung künftig immer mehr vom Elektroantrieb. Beim SUV-Modell E-Tron S zeigt Audi, was prinzipiell in der Technik steckt: Mit einem E-Motor an der Vorderachse und je einem an jedem Hinterrad kommt der Allradantrieb komplett ohne mechanische Verbindung aus, bietet aber trotzdem quasi eine Sperrwirkung zwischen den Achsen und zwischen den Hinterrädern. Nicht über Kupplungen oder Getriebe, sondern per Software. Auch wenn der Stromer trotz Luftfahrwerk und robuster Optik nicht für den Offroadeinsatz gemacht ist, zeigt er doch auf der Verschränkungsstrecke des Testgeländes, wie gut er in der Luft stehende Räder verkraftet. Ein Auto ohne Differenzialsperren käme dort nicht weiter, das freie Rad würde ungehemmt durchdrehen. Der E-tron hingegen stoppt einfach den Elektromotor am durchdrehenden Rad und leitet die Kraft intelligent auf das Gegenüber mit Traktion um. Blitzschnell und ohne Regel-Ruckeln.
Bis die rein elektrische Allrad-Zukunft kommt, wird noch einige Zeit vergehen, glaubt Weidemann. Und wenn es soweit ist, ist das Audi-Knowhow längst nicht überflüssig. Denn neben der Technik kommt es auch auf die Abstimmung des Systems an. Und dort blicken die Ingolstädter schließlich auf 40 Jahre Erfahrung zurück.
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