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5x: Autoneuheiten der CES und wie Bits und Bytes pure PS schlagen

Statt nur visionäre und vage Ausblicke auf eine weit entfernte Zukunft zu geben, hat die Autoindustrie in diesem Jahr auf der CES viel seriennahes im Gepäck dabei.

Die Technikmesse CES dient 2023 als große Bühne der Autoindustrie, die gleich mehrere neue Showcars präsentiert. In diesem Jahr werden allerdings nicht nur verspielte Studien mit vage angedeuteter Selbstfahrtechnik und visionären Displaywelten gezeigt, sondern sogar konkrete Autos, die als Ganzes oder in Teilen seriennahe Lösungen vorstellen.

Sony wird zum Autobauer. Gemeinsam mit Honda haben die Japaner die neue Marke Afeela gegründet und eine künftige E-Limousine als Prototyp vorgestellt

Afeela E-Limousine

Bereits 2020 stellte Sony auf der CES ein neues E-Auto-Konzept vor. Zunächst blieb offen, ob der Technikkonzern damit andeuten will, unter die Autobauer zu gehen. Erst Anfang 2022 gaben die Japaner offiziell grünes Licht für ihren Einstieg als Fahrzeughersteller. Wenige Monate später wurde Honda als Kooperationspartner genannt. Das anschließend gegründete Joint Venture Sony Honda Mobility (SHM) hat nun auf der CES einen seriennahen Prototypen enthüllt und den neuen Markennamen „Afeela“ bekanntgegeben. 2026 soll die 4,90 Meter lange Limousine mit Selbstfahrtechnik, Riesendisplays und elektrischen Allradantrieb zunächst in den USA auf den Markt kommen. Mit wieviel PS, wieviel Reichweite und zu welchem Preis verrät SHM allerdings noch nicht.

Die Serienversion des VW ID.7 feiert auf der CES Premiere. Noch verhüllt ein Leuchtlack Details des Außendesigns

VW ID.7

Der Afeela könnte ein ernster Konkurrent für eine weitere CES-Autoneuheit werden: Den VW ID.7, der sich auf der Technikmesse in einem Leuchtlack-Anzug präsentiert. In einem besonders aufwendigen Verfahren wurde die Elektro-Limousine mit 40 Schichten lackiert, die für einen außergewöhnlichen Blingbling-Effekt sorgen. Unter Zufuhr von Strom leuchtet die in 22 Segmente unterteilte Außenhaut nämlich farbig aus sich heraus. Mit diesen Lichtspielchen dürfte der offiziell bereits dieses Jahr in den Markt startende Wolfsburger auf der CES ein wenig zusätzliche Neugierde wecken. Außerdem hält sich VW mit dem Tarnanzug die Option offen, noch einmal medienwirksam das finale Design vorzustellen. Auch mit technischen Details hält sich VW bislang zurück. Bekannt ist, dass die Limousine bis zu 700 Kilometer Reichweite sowie ein überarbeitetes Bedienkonzept mit einer auf dem Touchscreen leichter zugänglichen Klimasteuerung bieten wird.

BMW i Vision Dee

Ein ebenfalls ziemlich bunter Hund ist der BMW i Vision Dee. Es handelt sich um eine retro-futuristische Limousine, die ebenfalls über einen Außenlack mit Farbwechselfunktion verfügt. Insgesamt 32 Töne lassen sich dank dieser E-Ink-Technologie darstellen, was in Kombination nahezu unendliche Gestaltungsmöglichkeiten erlaubt. Während die bereits im letzten Jahr in einer monochromen Variante auf der CES präsentierte Farbwechsel-Technik keine Großserien-Chancen hat, dürften sich Elemente aus dem Innenraum des Dee in naher Zukunft in Modellen der Marke wiederfinden. Dazu zählt das erneut ertüchtigte Head-up-Display, das in der Studie alle konventionellen Bildschirme ersetzt und ab 2025 in Produktion geht. Dann werden BMW-Modelle mit nacktem Armaturenbrett vorfahren, bei denen alle Fahrinformationen in die Windschutzscheibe gespiegelt werden. Und das zudem über deren gesamte Breite.

Ram 1500 Revolution Battery-electric Vehicle (BEV) Concept side profile

RAM Revolution Concept

Pick-ups machten lange einen Bogen um die CES. Doch seitdem die mächtigen Lademeister auch elektrisch fahren, geben neue Vertreter dieser Gattung gehäufter auf der Tekkie-Show ihr Stelldichein. So wie das RAM Revolution Concept, das Ausblick auf das für 2024 erwartete Serienmodell RAM 1500 BEV gibt. Die Studie baut auf der sogenannten „STLA Frame“-Plattform mit zweimotorigem Allradantrieb sowie 800-Volt-Architektur auf. Damit sind bis zu 350 kW Ladeleistung sowie ein Nachtanken von 160 Kilometer Reichweite in 10 Minuten möglich. Aussagen zu Batteriekapazität und Reichweite macht RAM Trucks nicht. Optisch fällt die Studie durch neue Lichtgrafik samt Leuchtschriftzug „RAM“ im Kühlergrill auf. Fürs Infotainmentsystem gibt es zudem ein zweiteiliges Riesendisplay. Der untere Teil lässt sich herausnehmen, der obere verschieben.

Mit dem Inception Concept gibt Peugeot Einblick in Serientechnik, die zum Teil bereits zeitnah auf den Markt kommen soll

Peugeot Inception Concept

Die vielleicht spektakulärste Autoneuheit der CES 2023 ist das Peugeot Inception Concept. Es handelt sich um einen fünf Meter langen GT, der sich außen wie innen futuristisch präsentiert. Doch zugleich zeigt die Studie Techniklösungen, die bereits seriennah sind oder zumindest in einigen Jahren in Serienfahrzeugen verfügbar sein werden. Noch 2023 wird der Stellantis-Konzern E-Autos auf den Markt bringen, die wie der Inception auf der „STLA Large“-Plattform basieren. Im Fall der Peugeot-Studie bietet diese Basis einen 500 kW/680 PS starken Allradantrieb sowie eine 100-kWh-Batterie, die 800 Kilometer Reichweite erlaubt. Außerdem zeigt der Inception ein neues „Steer-by-Wire“-Lenkrad namens Hypersquare. Es hat ein rechteckiges Format, einen Touchscreen in der Mitte und vier kreisförmige Zellen in den Ecken. Letztere dienen als universelle Griffe und Bedienelemente. Noch in diesem Jahrzehnt soll diese Lösung serienreif werden.

Mario Hommen/SP-X

Consumer Electronics Show CES

Bits und Bytes schlagen PS

Das Auto der Zukunft soll weniger von Motor und Fahrwerk definiert werden als von Software und Vernetzung. Zu sehen ist diese Entwicklung auch auf der weltweit wichtigsten Elektronikmesse in Las Vegas.

Während die klassische Automesse an Boden verliert, gewinnen Software- und Elektronik-Shows an Relevanz für die Fahrzeugbauer. Auf der Fachbesuchern vorbehaltenen Consumer Electronics Show (CES, bis 8. Januar) in Las Vegas zeigen sie, was das Auto und die Mobilität der Zukunft definieren soll.

Anders als von IAA und Co. gewohnt, stehen die klassischen Autobauer in der Glücksspiel-Metropole aber eher in zweiter Reihe. Haupt-Protagonisten sind die Anbieter von Unterhaltungs-Elektronik – schließlich wurde hier vor mehr als 50 Jahren der erste Videorekorder gezeigt. Und auch die DVD begann in der Wüste Nevadas ihre Karriere. Da passt es ganz gut, dass eine der interessantesten Auto-Premiere ausgerechnet vom ehemaligen Branchen-Primus Sony kommt. Der japanische Unterhaltungselektronikriese stellt gemeinsam mit Autobauer Honda eine neue Marke für Premium-Elektroautos vor. Die Modelle von Afeela sollen ab 2026 vor allem durch Vernetzung und die nahtlose Einbindung des Infotainmentsystems überzeugen. Zum Antrieb der viertürigen E-Limousine sagen beide Partner bislang hingegen eher wenig.

Die Abkehr vom klassischen PS- und Hubraum-Fokus ist auch auf dem BMW-Stand zu sehen. Die Münchner präsentieren mit der Studie i Vision Dee ein Fahrzeug, bei dem vor allem das Innenraum-Erlebnis im Zentrum steht. Geprägt wird das durch den Verzicht auf die ansonsten bei neuen Autos inflationär verbauten Bildschirme. Stattdessen werden in der Limousine im Dreier-Format alle Infos in die Windschutzscheibe projiziert, das Armaturenbrett und der Platz hinterm Lenkrad bleiben frei. In Serie soll die Technik ab 2025 bei den Modellen der neue E-Auto-Klasse der Marke gehen.

Dass es für die Autoindustrie eine Zukunft jenseits individueller Freude am Fahren gibt, zeigt unter anderem ZF. Der Zulieferer vom Bodensee präsentiert einen autonom fahrenden Shuttle-Bus mit Platz für 22 Insassen, der in Kürze tausendfach als Verkehrsmittel in amerikanischen Städten unterwegs sein soll. Zunächst mit 40 km/h, später mit Tempo 80 – aber immer ohne Fahrer. Im Vergleich mit dem bereits im Einsatz befindlichen ersten People-Mover-Modell des Unternehmens, ist der Neue deutlich selbstständiger unterwegs, benötigt keine eigenen Fahrspuren mehr, sondern wuselt sich mit Sensorhilfe durch den allgemeinen Verkehr. Dort könnte er auf den ebenfalls in Las Vegas präsentierten Holon Mover treffen. Das Robo-Shuttle fällt etwas kleiner aus als das Modell von ZF, bietet aber ähnlich autonome Funktionen. In Deutschland könnte der 15 Gäste fassende Kasten ab 2024 in Hamburg an der Start gehen, zunächst im Rahmen eines Pilotprojekts.

Dass man auch ohne komplettes Fahrzeug auf dem Markt der modernen Mobilitätsdienste mitmischen kann, zeigt etwa Bosch. Die Stuttgarter präsentieren das Innenraumüberwachungssystem „Ride Care Companion“ für kommerzielle Fahrdienste und Robotaxis. Der Mix aus E-Call-Notruf und Dash-Cam beobachtet per Kamera den Fahrzeuginnenraum und speichert Bilder im Falle eines ungewöhnlichen Ereignisses in einer Cloud. Über einen SOS-Knopf kann darüber hinaus eine Sprach- und Videoverbindung zu einem Callcenter-Mitarbeiter aufgebaut werden.

Derartige gebührenpflichtige Dienstleistungen dürften künftig immer mehr Unternehmen der Autobranche in ihr Portfolio aufnehmen. Nötig dafür ist eine große Rechenkapazität. Unternehmen wie Bosch, ZF und auch andere Zulieferer werden daher mittlerweile zu IT-Konzernen. In Las Vegas rückt aber zunächst ein etablierter Chiphersteller seinen neuen Zentralrechner ins Zentrum. Qualcomms Snapdragon Ride Flex soll ab 2025 in ersten Fahrzeugen zu haben sein und als zentrale Schnittstelle für alle Bereiche im Fahrzeug fungieren – von Assistenzsystemen bis zum Infotainment. Zudem ist die Einbindung in Cloud-Dienste möglich, etwa für die Nutzung von Over-the-Air-Updates oder herunterladbarer Ausstattungen. Genaue Leistungsdaten nennt das Unternehmen mehr als ein Jahr vor Produktionsstart noch nicht.

Dass man auch ohne konkretes Produkt in Nevada an der richtigen Adresse ist, wenn es um Mobilität der Zukunft geht, nutzt Mercedes-Benz. Die Schwaben kündigen vor Ort den Aufbau eines eigenen weltweite Ultraschnell-Ladenetzes an. Begonnen mit dem Bau der 350 kW schnellen Säulen für Eigen- und Fremdkunden wird in den USA. Vergleichsweise traditionell mutet da im Vergleich der Auftritt von VW an, die als einer der wenigen Aussteller ein serienfertiges und kurz vor Einführung stehendes Auto ins Scheinwerferlicht rollen: den ID.7 – allerdings noch in leuchtender Tarn-Lackierung gehalten. Die legt das elektrische Passat-Pendant im Frühjahr ab, wenn er seine echte Premiere feiert. Auf den Markt kommt er ab dem Sommer, unter anderem in Europa und den USA.

Der CES-Auftritt soll des ID.7 schon mal Aufmerksamkeit wecken und vielleicht den ein oder anderen geplanten Tesla-Model-3-Kauf verhindern. Mit einer ähnlichen Mission ist Peugeot in die USA gekommen: Die Franzosen, seit kurzem dank Konzern-Fusion Schwestermarke von Chrysler, Dodge und Co., bereiten mit einem elektrischen Showcar ihren Markteintritt vor. Die Studie Inception setzt dabei vor allem auf eine spektakulär scharf geschnittene Karosserie. Und einen E-Antrieb mit großer Reichweite. Den gibt es künftig auch bei einem durch und durch amerikanischen Konzernmitglied: Die Stellantis-Nutzfahrzeugmarke Ram gibt einen Ausblick auf ihren Elektro-Pick-up, der künftig gegen Ford F-150 Lightning und Konsorten antreten soll.

Holger Holzer/SP-X

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