Es sind die großen Motorsporterfolge, die den kleinen Sportwagenbauer aus Maranello als global bekannteste Luxusmarke etablierten. Seit 75 Jahren verzaubert Ferrari Autofans, für die rot lackierte Zwölfzylinder mit dem Cavallino Rampante gleichzeitig Kultobjekte, Kunstgegenstände und ertragreiche Kapitalanlage sind
Was für ein Auftakt: Am 25. Mai 1947 feierten die Römer frenetisch den ersten Sieg eines V12 der Marke zur neuen, noch inoffiziellen Nationalhymne „Il Canto degli Italiani“ (Das Lied der Italiener). Seitdem gelingt es den vorzugsweise in der Rennfarbe Rosso Corso lackierten Racern mit dem Markenzeichen des Cavallino Rampante – des sich aufbäumenden Pferdes – das Motorsportpublikum völkerverbindend zu begeistern. Bei inzwischen mehr als 5.000 Siegerehrungen für Ferrari sangen die Menschen mit, gleich welcher Nationalität oder Muttersprache und im Ferrari-Stammsitz Maranello läuten dazu die Kirchenglocken. Rund 240 Siege sicherte sich Ferrari in der Formel 1, dazu 15 WM-Titel, von denen fünf Michael Schumacher zuzurechnen sind.
Hochleistungsautomobil „Ferrari“
Dieser auf Rennerfolgen basierende Mythos ist es, den Firmengründer Enzo Ferrari schon mit seinen vor 75 Jahren enthüllten ersten Modellen für Straße und Strecke, dem legendären 125 S sowie dem Ferrari 166 M, anstrebte. Rennsporterfahrung besaß Enzo Ferrari damals bereits reichlich, vor allem als Direktor der siegverwöhnten Scuderia Ferrari, die vor dem Zweiten Weltkrieg von Alfa Romeo wie ein Werksteam unterstützt wurde. Nun, in der wilden Ära des Wiederaufbaus, wollte Ferrari Hochleistungsautomobile unter eigenem Namen verkaufen. Racer, mit denen es sich schöner rasen und schneller reisen ließ als mit Maserati, Mercedes oder Aston Martin. Vermessen? Vielleicht. Aber bei Auktionen zeigt sich: Schon die frühesten Ferrari werden gehandelt wie Kunstwerke.
Als 80 Autos noch viel waren
Tatsächlich tragen seit Jahren viele der teuersten Prestige-Fahrzeuge, die versteigert werden, ein Ferrari-Signet. Darunter spektakuläre Rennwagen, aber auch kunstvoll karossierte Gran Turismo aus den Ateliers von Pininfarina, Ghia, Touring und anderen Altmeistern der Alta Moda. Der 212 überraschte Anfang der 1950er mit rund 80 nach Kundenwunsch karossierten Fahrgestellen. Traumpreise erzielten bislang allerdings Typen wie ein Ferrari 250 GTO von 1962, der bei einer Auktion 35 Millionen Dollar erzielte.
Der Ferrari 335 S von 1957, mit dem die deutsche Rennsportlegende Wolfgang von Trips bei der Mille Miglia antrat, brachte 35,7 Millionen Dollar und ein Ferrari 250 California des französischen Filmstars Alain Delon 18,5 Millionen Dollar. „Solange es Menschen gibt, die sich einen Dali oder Picasso in ihr liebstes Zimmer hängen, wird es auch Männer geben, die einen Ferrari ihr Eigen nennen wollen“, erklärte schon 1972 eine Pressemitteilung zum damals neuen Berlinetta Boxer den künstlerischen Mythos der handgefertigten Autos aus Maranello.
Geld alleine reicht nicht für einen Ferrari
Begehrenswert waren die vorzugsweise roten Renner von Beginn an auch durch die Produktion in kleinen, exklusiven Auflagen, darauf achtete Enzo Ferrari genau. Heute sind es Enzos Erben bzw. die Manager der 2015 an die Börse gebrachten Marke, die nicht nur die streng limitierten Icona-Modelle wie den Monza SP (seit 2018) oder Daytona SP3 (2021) ausschließlich an treue Kunden verteilen. Obwohl also nicht jeder beliebige Reiche oder Promi einen neuen Sportwagen ordern kann, lieferte die Manufaktur sogar 2021 während der Corona-Pandemie mit über 11.000 verkauften Fahrzeugen einen Allzeit-Bestwert.
Übrigens sind diese Sportwagen längst nicht mehr nur mit V12-Power unterwegs, V8 und Plug-in-Hybride wie der SF90 verraten, dass Ferrari mit der Zeit geht. Deshalb wundert es kaum, wenn zum 75. Jubiläum des Ferrari Automobilbaus der Purosangue als erster SUV im Zeichen des Cavallino Rampante reüssieren soll und wenig später ein Elektro-Renner den Sprint in die Hypercar-Zukunft gewinnen soll. Dazu passt, dass Ferrari seit ein paar Jahren als profitabelster Autobauer weltweit gilt und von Problemen, wie sie Sportwagenmanufakturen á la Aston Martin plagen, verschont blieb.
The winner takes it all…
Das war nicht immer so. Schließlich investierte Enzo Ferrari über Jahrzehnte alles Geld, das er mit dem Verkauf von Straßenautos verdiente, in den Rennsport. „Win on Sunday, sell on Monday“, diese Gleichung ging für den „Ingegniere“, der nie eine Ingenieurs-Ausbildung genossen hat, zuerst in Amerika auf. Seine speziellen „America“-Typen 340, 342, 375 konnten in den 1950er Jahren in Hollywood oder New York zu Preisen verkauft werden, die gerne das Doppelte eines Mercedes 300 SL „Gullwing“ und Jaguar XK sowie das Dreifache eines Porsche 356 betrugen.
Auch in den Swinging Sixties lief es für Enzo gut: Die stilprägend gezeichneten und technisch hochkarätigen Modelle 330 GT 2+2 („Chinese Eyes“), 400 Superamerica, 500 Superfast, 275 GTB4 sowie 365 GTB/4 (Daytona) trafen die Fans ins Herz. Von der Ferrari 360er Familie wurden rund 17.000 Einheiten verkauft – und die anhaltende Siegesserie auf den Rennpisten trieb die Rivalen fast zur Raserei. Ob Mille Miglia, Targa Florio, Le Mans, Daytona oder Nürburgring, die Scuderia Ferrari schien zeitweilig unbezwingbar. Sogar Piloten, die der „Commendatore“ (diesen Titel verdankt Enzo Ferrari einem Orden) nicht in seine Scuderia holen konnte, zollten seinen Autos Respekt.
So wird der mit Matra und Tyrrell zu drei Formel-1-WM-Titeln stürmende Jackie Stewart in einem Ferrari-Pressecommuniqué von 1972 mit den Worten zitiert: „Die Technik hat eine Seele – und ich könnte nicht erklären warum.“ Andere, wie Lamborghini und Iso Rivolta begannen allein deshalb mit dem Bau eigener Supersportler, um am Mythos Ferrari zu kratzen. Das automobile Nationaldenkmal Italiens wurde durch die neuen Konkurrenten aber nur noch anziehender. Dies auch als Henry Ford Anfang der 1960er Jahre vergeblich auf eine Übernahme von Ferrari hoffte und sich dann mit dem eigens entwickelten GT40 rächte, der in Le Mans über Ferrari triumphierte. Enzo Ferrari wusste um den Wert der Duelle für sein Lebenswerk. Als er 1969 auf der Suche nach frischem Kapital 50 Prozent seiner Unternehmensanteile an den Fiat Konzern verkaufte, beharrte er deshalb auf seiner Führungsposition in der Scuderia Ferrari.
Auch nach Ferraris Tod geht es weiter
Es war der richtige Schritt, um die von Sozialneid und Ölkrisen geprägten 1970er und 1980er zu überstehen, die etwa Iso Rivolta und De Tomaso den Untergang bescherten. Stattdessen verführte Ferrari seine Kunden nun mit Typen wie dem kleinen Dino 246 GT mit Mittelmotor, dem Ersten (400) mit Automatikgetriebe, den kleineren Modellen Mondial und 308 bzw. 328 GTB sowie den neuen Topstars 512 BB, F40 und Testarossa. Dieser Modellfamilie aus Formel-Rennern und vielseitigen Vmax-Boliden wurde nach Enzo Ferraris Tod im Jahr 1988 weitergeführt.
Nach einer kurzen Trauerphase um den Commendatore und seine Schöpfungen, war die Ferrari-Familie, wie das Unternehmen seine Klientel liebevoll nennt, bereit für Neues. Und so wurden die Neuheiten des 21. Jahrhundert vom Ferrari Enzo über den Allradler GTC4 Lusso bis zum V8-Duo Roma und Portofino besser nachgefragt als alle Vorgänger, obwohl Ferrari das Siegen in der Formel 1 jahrelang verlernt hatte. Im Jubiläumsjahr aber müssen Motorsport-Emotionen sein, und deshalb dürfen die Tifosi endlich wieder „Il Canto degli Italiani“ singen.
Chronik
1898: Enzo Ferrari wird am 18. Februar in Modena geboren
1924: Ferrari wird offizieller Alfa-Romeo-Pilot und gründet fünf Jahre später die Scuderia Ferrari
1947: Ferrari präsentiert den Typ 125 S als erstes Auto mit Markennamen Ferrari. Entworfen wurde der Typ 125 von Gioachino Colombo (der V12 wird seinem Konstrukteur zu Ehren Colombo-Motor genannt), final entwickelt mit Bazzi und Busso. Am 25. Mai erzielt ein 125 S unter Franco Cortese den ersten Sieg in Rom. Am 12. Oktober gewinnt ein Ferrari 159 S (erste Hubraumvergrößerung des Colombo-Motors auf 1,9 Liter) den Grand Prix von Turin, Ferraris erster internationaler Rennsieg
1960: Neues Ferrari-Spitzenmodell wird der 400 Superamerica. Erster Viersitzer der 250er-Serie ist der 250 GT 2+2
1961: Phil Hill wird auf Dino 156 F1 Formel-1-Weltmeister
1962: Erste Ferrari mit V8-Motor sind die Motorsport-Typen 248 SP und 268 SP. Der 250 GTO debütiert als bis heute vielleicht bekanntester und höchstbezahlter Ferrari. Das „O“ bedeutet omologato, also homologiert
1964: John Surtees gewinnt die Formel-1-Weltmeisterschaft mit dem Ferrari 158 F1, dem ersten Ferrari-Formel-1-Fahrzeug mit V8. Auf dem Brüsseler Salon debütiert der 330 GT 2+2 mit markanten Doppelscheinwerfern. Neues Topmodell bei den Ferrari Straßentypen ist der 500 Superfast
1965: Ein Ferrari 250 LM gewinnt die 24 Stunden von Le Mans. Ferrari schmückt seine kleinsten Renner 166 P und 206 P mit dem Dino Signet. Pininfarina enthüllt den Dino 206 GT als Prototypen in Paris. Es folgen Prototypen in Turin 1966 und in Turin 1967
1969: Ferrari verkauft 50 Prozent seiner Unternehmensanteile an den Fiat Konzern. Im Jahr 1988 erhöht sich der Fiat-Anteil auf 80 Prozent. Die offene Version des 365 GTB/4 Daytona debütiert als 365 GTS/4. Neu sind außerdem die Ferrari 365 GTC und GTS
1971: Mit dem 312 P gewinnt Ferrari souverän die Sportwagen-WM. Mit Abgasreinigung debütiert der neue 365 GTC/4. In Turin wird der 365 GT/4 BB (Berlinetta Boxer) als Prototyp vorgestellt
1973: Erster V8-Ferrari für den Straßeneinsatz mit einer Auflage von rund 3.000 Einheiten ist der 308/GT4. Serienstart für den 365 GT/4 BB als neues Spitzenmodell
1976: Der viersitzige Typ 400 ist der erste Ferrari mit Getriebeautomatik. Neues Spitzenmodell ist der 512 BB. Niki Lauda holt mit dem 312 T die F1-Konstrukteurstitel 1976 und 1977 sowie den Fahrertitel 1977. 1976 überlebte Lauda im 312 T einen Rennunfall auf dem Nürburgring
1987: Der F40, das letzte unter der Regie von Enzo Ferrari, entwickelte Fahrzeug, wird präsentiert
1988: Enzo Ferrari stirbt am 14. August im Alter von 90 Jahren
1995: Das Auto zum 50. Firmenjubiläum (1997) ist der Ferrari F50. Der neue F335 Spider verfügt als erster Ferrari über zwei Airbags
2005: Vom Supersportwagen Enzo baut Ferrari 400 Einheiten, das letzte Exemplar wird an den Papst verschenkt, der es zugunsten von Tsunami-Opfern versteigern lässt
2008: Die Jahresproduktion beläuft sich auf 6.452 Fahrzeugeinheiten, das ist Rekord für Ferrari
2010: In Dubai eröffnet Ferrari den Themenpark Ferrari World
2017: Ferrari feiert sein 70. Jubiläum mit einer Serie an Sondermodellen, die sämtlich Unikate sind und an historische Vorbilder erinnern
2019: Die Modelle Ferrari F8 Tributo und Spider debütieren und dazu den 735 kW/1000 PS starken Plug-in-Hybrid SF90 Stradale sowie ein Jahr später den SF90 Spider
2020: Ferrari stellt sich in den Dienst für die Allgemeinheit und produziert im Lauf der Covid-19-Pandemie Teile für Beatmungsgeräte
2021: Neu ist der Ferrari 296 GTB mit Plug-in-Hybrid-Antrieb. Trotz Halbleiterkrise und Covid19-Pandemie wird dieses Jahr mit 11.155 verkauften Fahrzeugen das bisher erfolgreichste für Ferrari. Im Dezember kündigt Ferrari Jubiläumsaktivitäten für das Folgejahr an
2022: Das Einzelstück Ferrari SP48 Unica eröffnet den Novitätenreigen zum 75. Jubiläum des Ferrari Automobilbaus. Später im Jahr soll der Purosangue als erster SUV der Marke eingeführt werden. In der Formel 1 startet Ferrari mit dem neuen Modell F1-75 und findet damit im Jubiläumsjahr zurück an die Spitze des Felds