Jaguar F-Pace 30d AWD – Bestanden im ersten Versuch
Sogenannte Gewissheiten waren ja bei Lichte betrachtet noch nie viel wert. Aber was in diesem Jahr so alles zu Grabe getragen werden musste: “Der Brexit kommt nicht”, “Trump wird niemals Präsident” oder “Deutschland wird Europameister”. Und das Jahr ist noch nicht zu Ende. Auch im automobilen Bereich hatten Fans diverser Marken einiges wegzustecken, Vierzylinder-Benzinmotoren bei Porsche etwa, vor allem aber SUVs von Alfa, Bentley und sogar Jaguar. Wobei, man hätte es ja zumindest im letzteren Fall ahnen können. Auch die Einführung von Dieselmotoren oder Kombis hatte man der Marke einst nicht zugetraut. Aber haben die Hersteller eine Wahl? Nicht wirklich, zu wichtig und lukrativ ist der Markt der Pseudo-Geländegänger einfach geworden.
Nun also der F-Pace. Schon die Namensgebung verrät, dass die Briten das Augenmerk vor allem auf die dynamische Seite legen wollen. Denn das “F” soll ja auf jeden Fall eine zumindest sprachliche Brücke zum reinrassigen Sportwagen F-Type schlagen und “Pace” spricht – nun ja – eigentlich für sich. Das Design mit dem aufrecht stehenden Grill, der fließend-dynamischen Linienführung und sogar einem aggressiven, irgendwie spitz wirkenden Heck erfüllt schon mal die vom Modellnamen geschürten Erwartungen.
Umso größer ist die Überraschung, wenn man mit dem F-Pace einen ersten Ausritt unternimmt. Das SUV ist keinesfalls über Gebühr sportlich oder sogar hart abgestimmt, bietet vielmehr echten Langstreckenkomfort (2,87 Meter Radstand!) und dies ohne Luftfederung. Andererseits kann dieser Jaguar – ganz in der Markentradition – natürlich auch anders. Er fährt, geführt von einer präzisen Lenkung und dem effizient arbeitenden Allradantrieb, zackig um Kurven und der 300-PS-Diesel in unserem Testwagen ist sowieso über jeden Zweifel erhaben. Trotz Alu-Bauweise ist der F-Pace in dieser Variante immerhin 1,9 Tonnen schwer, aber sowohl Sprintvermögen (6,2 s auf 100 km/h), als auch Endgeschwindigkeit (241 km/h) lassen nichts zu wünschen übrig. Die ZF-Achtgangautomatik unterstützt V6 und Fahrer fast immer optimal, wählt meist den richtigen Gang und verzichtet auf allzu sportliches Schaltverhalten. Was wir hier auf jeden Fall als Kompliment verstanden wissen wollen.
Zu dieser letztlich erfreulichen Alltagstauglichkeit passt auch das Raumangebot, was wir in Ermangelung eines passenderen Adjektivs einfach als “großzügig” bezeichnen wollen. Man sitzt hinten zu zweit grandios, selbst zu dritt noch okay, sicher auch dank der Rekordbreite von 1,94 Metern (ohne Außenspiegel). Was allerdings wiederum die Gesamtbreite inklusive Außenspiegel auf fast schon 2,20 Meter anwachsen lässt, für manchen Fahrer in der Autobahnbaustelle durchaus auch ein Alptraum. Dafür gibt es, anders als bei vielen anderen Modellen dieser Kategorie, einen wirklich großen, gut nutzbaren Kofferraum von 650 Liter Fassungsvermögen, durch Umlegen der Rückenlehnen auf über 1.700 Liter erweiterbar.
Die größte Schwäche des F-Pace liegt nicht im Fahrzeug selbst begründet, sondern in der für Jaguar typischen, positiv ausgedrückt extravaganten Bedienung. Warum die Automatik per (langsamem) Drehknopf bedient werden muss, hat sich wohl noch keinem Fahrer erschlossen. Sie ist ein gutes Beispiel für einen Gag auf Kosten der Praktikabilität. Denn beim Rangieren und dem damit in manchen Fällen verbundenen mehrfachen Wechsel zwischen “D” und “R” nervt der Knopf einfach. Im Testwagen hakte er zudem, ließ sich zweimal aus “D” nicht auf “P” zurückführen, tat es aber nach Abschalten des Motors dann aber doch.
Auch die Bedienung von Infotainment, Telefon oder Navi erfordert einiges an Eingewöhnung. Und dies trotz des in unserer Ausstattung eingebauten mächtigen 12,3-Zoll-Touchscreens. Das Navi hat uns einige Male sogar richtig geärgert, in dem es uns etwa auf dem Kölner Ring mehrfach in eine offensichtlich falsche, weil komplett schon verstopfte Richtung lenken wollte, obwohl es bessere Alternativen gab. Mittlerweile überzeugend, weil hochauflösend und gut ablesbar, sind dagegen die volldigitalen Instrumente, auch wenn mancher Jaguar-Fan sicher den analogen Anzeigen hinterhertrauert.
Insgesamt hat uns der F-Pace aber schon überrascht. Natürlich profitieren die Jaguar-Ingenieure hier vom SUV- und Allrad-Wissen der Schwestermarke Land Rover. Tatsächlich wirkt der mächtige Brite daher auch nicht wie das erste Produkt einer (Sportwagen-)Marke in diesem Segment, sondern schon sehr ausgereift. Für ein gutes SUV benötigt es Tradition und Erfahrung? Noch so eine vermeintliche Gewissheit, die man in diesem Jahr ad acta legen kann. (Peter Eck/SP-X)
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