Es ist schon eines der beruflichen Highlights, wenn man einen McLaren fahren darf. Natürlich sind die so genannten „Brot-und-Butter-Autos“ – nichts für ungut – das, was das Leben ausmacht. Dennoch sind es Fahrzeuge, wie der McLaren 570s Spider, die einem das automobile Leben versüßen. Die anfänglichen Kopfschmerzen, einen offenen Supersportwagen im britischen November zu fahren, wurden angenehmerweise schnell zerstreut. Fahrbericht der technoiden Bodenrakete.
Design – Es gibt ihn auch in gedeckten Tönen
Ok ok, der McLaren 570s Spider ist ein Supersportler und das sieht man ihm auf den ersten Blick an. Entsprechend darf man bei der Farbwahl gerne etwas verspielter an die Sache herantreten. Darf es vielleicht das herausstechende „McLaren Orange“ sein? Dann ist auch sicher, dass man mit der britischen Sportler auffällt, wie der sprichwörtliche bunte Hund. Youtube-Star „Shee150“ fährt seinen 675LT zum Beispiel im Farbton „MSO Orion Purple“ und ist felsenfest davon überzeugt, dass ein Sportwagen auch eine außergewöhnliche Farbe benötigt.
Wer es dezenter mag und sich für einen gedeckten Farbton entscheidet, wird schnell merken, dass man leicht übersehen wird. Im Alltagsgewirr zwischen Ampeln, LKW, die aus den tief montierten Sitzen hoch wie Märchenschlösser wirken und Passanten, die vor einem die Straße überqueren wollen, fällt man kaum auf. Vor allem, wenn die Start-Stopp-Automatik den V8 abstellt und man einfach so dasteht, als könnte man kein Wässerchen trüben.
Dabei wirkt der McLaren 570s Spider gar nicht mal so zahm. Die spitzen LED-Scheinwerfer ergeben zusammen mit der von Lufteinlässen verklüfteten Front eine Art biestiges Grinsen. Es wirkt fast so, als freue sich der Brite, seine Mission – das Schnellfahren, Überholen und Performen – rigoros zu vollstrecken. Von den vorderen Radhäusern ausgehend, schließen sich Kiemen an, die erst kurz hinter den Türen in bauchige Lufteinlässe münden und der Seitenlinie ihren Charakter verleihen. Dazu tragen auch die filigranen 19- bzw. 20-Zoll-Räder bei, hinter denen sich Karbon-Keramik-Bremsscheiben verbergen.
Typisch für einen Mittelmotorsportwagen zeigt sich die Architektur mit kurzer Nase und langgezogenem Heck. Hinter ein paar Gittern verbirgt sich letztlich das, worum es bei diesem Performance-Bolzen überhaupt geht: Das Aggregat mit seinen 570 Rössern. Beim McLaren 570s Spider vermieden es die Briten jedoch, das Heck zerklüftet wirken zu lassen. Alles wirkt wie aus einem Guss: Das gilt genauso für die geschwungenen Rückleuchten, wie für die formschön in den Diffusor integrierten Auspuffendrohre. Und es gilt besonders für den Heckspoiler, der gegenüber dem Coupé um 20 mm vergrößert wurde.
Und sonst? Man sieht dem Cabrio – pardon: Spider! – kaum an, dass er ein solches ist: Ein Supersportler mit versenkbarem Hardtop. Und genau hierin liegt der Große Clou des Designs: Der 570s beherrscht die große Show, kann aber auch die ganz leisen Töne spielen. So schwingen die Türen noch oben, anstatt zur Seite und machen jedes Ein- und Aussteigen zum gekonnten Manöver oder zum peinlichen Akt vor dem Pub – alles eine Frage der Übung. Zweifelsohne: Großes Kino
Innenraum – Gar nicht mal so klein, der McLaren 570s Spider!
Ok, es wurde bereits angesprochen: Der Einstieg. Erinnert man sich an den McLaren 650s, wird man konstatieren, dass der Zustieg hier wirklich Übung erforderte. Gerade für Großgewachsene. So musste man den Kopf stark einziehen, den linken/rechten Fuß – je nachdem, auf welcher Seite das Lenkrad sitzt – in den Innenraum neben da Lenkrad bugsieren und sich dann möglichst elegant hineinschlängeln. Die enorm breiten Schweller haben diesen Balanceakt alles andere als erleichtert.
Und der McLaren 570s Spider? Nichts da! Klar, die Flügeltüren erfordern beim Entern aus einer aufrechten Position noch immer ein eingezogenes Haupt. Aber die Abwesenheit der breiten Schweller erleichtert den Zustieg immens. Kein Verrenken, Gucken, ob jemand zusieht und keine Sorge um ein peinliches Scheitern mehr. Tür auf, Hintern reinwerfen, Tür zu, Ende. Was einen dann im Cockpit erwartet, sind großzügige Platzverhältnisse. Selbst als 1,90-Mann hat man genügen Platz, um sich zu bewegen. Natürlich ist das Interieur kein Tanzsaal, aber der 570s möchte ja auch kein Familientransporter sein, sondern eine enge, sportliche Rennsemmel. Was fehlt ist nur das beengte Raumgefühl und Zwicken, sodass man es sich wirklich bequem machen kann.
Und so genießt man die ideale Fahrposition, lässt die feinen Materialien auf sich wirken und begutachtet die digitalen Instrumente. Das Infotainment lässt darüber hinaus kaum Wünsche offen und ist in kurzer Zeit in seiner Logik durchdrungen. Nur die Einstellungen für das Fahrzeugsetup über zusätzliche Lenkstockhebel sind etwas wirr.
Fahreindrücke – Leichtfüßig, wie ein junges Pony
…oder wie 570 junge Ponys, besser gesagt. Es ist immer so eine Sache mit den Supersportlern: Man steigt ein, voller Respekt und Zurückhaltung, bis man immer mutiger und mutiger im Umgang wird. Der McLaren 570s Spider gibt Dir immer das Gefühl, dass er alles im Griff hat, dass er wie auf Zehenspitzen, wie ein junger Cassius Clay, um seine Gegner herumtänzelt und keine echte Herausforderung kennt. Gegner sind in diesem Fall nicht die üblichen Verdächtigen vom Schlage eines Porsche 911 Turbo S Cabriolets oder eines Lamborghini Huracan Spyders. Nein, diese schnupft der Brite allein schon wegen seines Gewichtsvorteils von 166 bzw. 183 kg, wie ein bayerisches Urgestein entsprechenden Tabak. Wenn es beim McLaren 570s Spider um Gegner geht, die er leichtfüßig umtänzeln kann, dann sind es Kurven jedweden Radius´.
Power steht ohnehin immer mehr als genug parat. Der 3,8er schöpft dank doppelter Turboaufladung 570 nachdrückliche Pferde und ungestümere 600 Nm aus seinen acht Brennräumen. Die Leistungsabgabe? Prompt! Das zeigt sich auch in den Fahrleistungen: In 3,2 Sekunden geht es auf 100 und dann zügig weiter bis zur Maximalgeschwindigkeit von 328 km/h. Doch diese Zahlen geben nur unzureichend wieder, wie es sich anfühlt, wenn das Gaspedal auch nur annähern gen den Karbon-Boden gedrückt wird.
Der Schub setzt unverzüglich ein und bringt ihn sofort wieder zum Vorschein: den Respekt vor dem brutalen Vorwärtsdrang. Dabei bietet der Spider einen enorm hohen mechanischen Grip, der im Ernstfall so feinfühlig von der Elektronik unterstützt wird, dass es selbst geübte Popometer kaum wahrnehmen. Und so schlängelt man sich von einer Kurvenkombination zur nächsten und verpasst es fast gänzlich, dass man ja in einem Cabrio, also einem Spider sitzt. Kurzer Außentemperatur-Check: +9 Grad Celsius, das passt.
Also verlangsamt man das Tempo auf maximal 40 km/h, lässt das Klappdach binnen 15 Sekunden hinter den Kopfstützen verschwinden, bindet den Schal etwa enger und klappt den Kragen der Jacke hoch. Wenn es dann weitergeht, weiß man, dass man sich den teuren Friseur entweder sparen sollte oder – ganz im Gegenteil – zum Stammgast wird. Der Wind braust bereits bei mittleren Tempi durchs Interieur, dass ein Kopfbedeckung, zumindest im November, fester Bestandteil sein sollte. Und so streicht man wieder von Kurve zu Kurve, kommt sich ein wenig vor, wie ein Gentlemen-Racer in einem kleinen Roadster und wird nur vom perfekten Zusammenspiel der Komponenten ins Hier und Jetzt zurückbefördert. Kein schlechtes Attribut!
Fazit: Wer Perfektion mag, wird den McLaren 570s Spider lieben
Ja, es gibt auch andere offene Sportler, die eine ähnliche Leistung bieten. Ein Lamborghini mag emotionaler sein, wenn er den Fahrer anbrüllt, das letzte aus ihm herauszukitzeln. Ein Porsche wirkt noch etwas gesetzter aufgrund seiner Reputation und ein Ferrari? Ja, der Italiener verbindet wohl alle Mitbewerber ein bisschen und zwackt sich ein Stück der technoiden Perfektion des McLaren ab.
Dennoch schafft es kaum einer dieser Kandidaten die technische Perfektion, die unglaublichen, erreichbaren Geschwindigkeiten, die Leichtfüßigkeit und das auffällig unauffällige Äußere so zu verbinden, wie der Brite. Zumal das Package für rund 200.000 Euro preislich attraktiv geschnürt ist. Während der Lambo noch auf selbem Niveau rangiert, gehen mindestens 220.000 Euro nach Stuttgart oder 237.000 Euro nach Modena. Nicht, dass sich Otto Normal diese Preise erlauben könnte. Aber man wird doch wohl noch träumen dürfen?