Prototyp: Skoda Octavia IV
Knapp ein Vierteljahrhundert ist es her, dass Skoda mit dem Octavia das erste Modell unter VW-Ägide auf den Markt brachte. Seither ist die Marke vom Billigheimer zum ernstzunehmenden Konkurrenten geworden: Die Tschechen punkten traditionell mit guter Qualität, üppigem Platzangebot und liebevoll gepflegten Simply-Clever-Lösungen wie dem Eiskratzer im Tankdeckel. Das überzeugt die Kundschaft, und lockt freilich auch Käufer aus dem VW-Autohaus in den Skoda-Showroom. Zumal Octavia und Co. günstiger sind als die Volkswagen-Vertreter. Gerüchten, die Marke solle neupositioniert werden, um Kannibalisierungsrisiken zu minimieren, hat VW-Konzern-Chef Herbert Diess jüngst allerdings eine Absage erteilt. Im Gegenteil: Skoda habe das größte Wachstumspotential im Konzern, so der Vorstandsvorsitzende, und man müsse der Marke mehr Kapazitäten zur Verfügung stellen.
Einstieg: Knapp unter 20.000 €
Welches Potential in der tschechischen Tochter steckt, beweist nicht zuletzt der neue Octavia: Skoda-Chef Bernhard Maier ist sichtlich stolz auf die vierte Generation des Golf-Ablegers, die fertig entwickelt ist und ihr Können bereits unter Beweis gestellt hat – allerdings noch stark getarnt. Erst bei der Premiere am 11. November in Prag wird Maier die rot-gelbe Klebefolie abzupfen. Was aber schon beim Blick auf die Erlkönige sichtbar wird: Der Octavia bekommt einen breiten Kühlergrill, schmale Scheinwerfer und ein recht kantiges Heck; zumindest lassen das die Kombi-Prototypen erahnen. Der geräumige Lademeister, für den sich zwei Drittel aller Octavia-Kunden entscheiden, kommt im zweiten Quartal 2020 auf den Markt, die Limousine etwas später. Preise sind noch nicht bekannt, dürften aber bei knapp unter 20.000 Euro starten.
Mit 4,70 Meter legt der Octavia Combi, der auch wieder in einer robusten Scout-Version erhältlich sein wird, in Länge und Breite nur um ein, zwei Zentimeter zu. Der weiterentwickelte modulare Querbaukasten (MQB) sorgt allerdings für mehr Platz im Innenraum, vor allem auf der Rückbank herrscht fast Ballsaal-Atmosphäre. In den Kombi-Kofferraum gehen nahezu unveränderte 640 Liter, die Limousine hat dagegen um staatliche 110 auf 600 Liter zugelegt.
USB-C am Rückspiegel
Einen nicht minder großen Sprung macht der Octavia in Sachen Elektronik: Unter anderem gibt es die aktuellsten Assistenzsysteme aus dem Konzern-Regal inklusive des Travelassist, der Abstandstempomat, Tempoanpassung und Spurhalter kombiniert. Außerdem halten ein neues Multifunktionslenkrad mit schicken Drehwalzen, virtuelle Instrumente, ein Head-up-Display und das neueste Infotainment-System Einzug. Wie sein Technik-Bruder Golf 8, bekommt auch der Octavia unterhalb des Zehn-Zoll-Touchscreens eine Slider-Fläche, auf der per Fingerstreich die Lautstärke geregelt oder die Navikarte feinjustiert werden kann; ganz so schalterreduziert wie der Golf ist er allerdings nicht. Ungewöhnlich: Einer der bis zu fünf USB-C-Anschlüsse sitzt rechts neben dem Rückspiegel. Hier können die vielerorts beliebten Dash-Cams zum Laden angeschlossen werden, so der Skoda-Chef, der höchstpersönlich mit auf die erste Testfahrt geht.
Besonders stolz ist Maier auf die neuen Evo-Motoren, die auch der Golf 8 bekommt; die früher obligatorische Wartezeit von ein paar Jahren, bis auch die Tochter die neueste Konzerntechnik nutzen darf, ist kein Thema mehr. Über die gesamte Flotte soll der CO2-Ausstoß um 14 Prozent gegenüber dem Vorgänger gesunken sein, fünf Triebwerke stoßen weniger als 100 Gramm Stickoxid pro Kilometer aus. Die Benziner fahren als Drei- oder Vierzylinder vor, leisten zwischen 81 kW/110 PS und 180 kW/245 PS. Die stärkste Version sowie die Variante mit 150 kW/204 PS sind Plug-in-Hybride, die Doppelherz-Technik dürfte außerdem zukünftig im potenten RS-Modell für Vortrieb sorgen. Bei den schwächeren Motoren kommt zumindest teilweise in Verbindung mit dem Siebengang-DSG ein 48-Volt-Riemenstarter-Generator zum Einsatz. Damit kann der Octavia bei abgeschaltetem Verbrenner Segeln und den Motor mit einem kleinen E-Schub unterstützen.
Adaptive Dämpfer oder Schlechtwegefahrwerk
Wie sich das anfühlt, konnten wir bei der ersten Runde nicht erfahren. Hier stand der 1.5 TSI mit 110 kW/150 PS als Handschalter und ohne Elektrifizierung bereit. Einen guten Eindruck hat der Octavia trotzdem hinterlassen, der Motor arbeitet leise und hat wie zu erwarten keine Probleme den vollbesetzten Combi zügig zu Bewegen. Einer flotten Gangart kommen auch die, abgesehen von der etwas gefühllosen Mittellage, präzise Lenkung und das ausgewogene Fahrwerk entgegen. Auf Wunsch gibt’s ein tieferes Sportfahrwerk oder einen Schlechtwege-Unterbau mit 15 Millimeter mehr Bodenfreiheit und natürlich adaptive Dämpfer, die sich in nunmehr 15 Stufen justieren lassen.
Neben einer Erdgas-Version komplettieren drei Diesel das Angebot, allesamt Zweiliter-Vierzylinder mit 85 kW/115 PS bis 147 kW/200 PS. Elektrifizierung ist hier noch kein Thema, dafür werden die Abgase von gleich zwei SCR-Katalysatoren gereinigt. Neu ist der Einfüllstutzen für den Diesel-Saubermacher AdBlue, der jetzt auch mit der Lkw-Zapfpistole getankt werden kann. Die beiden stärkeren Selbstzünder fahren auf Wunsch mit Allrad vor, für unsere Prototypen-Runde stand die mittlere Version mit ebenfalls 110 kW/150 PS und DSG bereit. Den Doppelkuppler hat der Volkswagen-Konzern inzwischen gut im Griff, von der einstigen Anfahrschwäche ist nichts mehr zu spüren. Und dass sich der Diesel nicht ganz so spritzig anfühlt wie sein Benzin-Pendant, werden ihm die meisten Fahrer sicher klaglos verzeihen. Schließlich will auch der neue Oktavia mehr Familien-Kutsche oder Business-Mobil denn Sportwagen sein.
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