Kompakter schwedischer Teilzeitstromer – Fahrbericht Volvo XC40 Recharge
Schweden sind Streber – zumindest in Sachen Auto. Bei Volvo stehen Sicherheit und Umweltverträglichkeit im besonderen Fokus. Autos für Individualisten mit gutem Gewissen, die neben diversen Airbags auch gleich einen für die soziale Akzeptanz mit erwerben. Beispielhaft etwa der Schritt des Herstellers, dass jedes jetzt eingeführte Volvo-Modell einen Elektromotor für den Antrieb an Bord haben soll und die Höchstgeschwindigkeit auf 180 km/h begrenzt wird. In heutigen Zeiten sind das durchaus hilfreiche Argumente bei Kunden, die sich möglicherweise schon von einer gewissen Skepsis in Sachen Auto haben infizieren lassen. Hybrid wirkt da wie Honig, der das bittere Benzin für den Verbrennungsmotor bekömmlicher macht.
Erster Steckdosen-Hybrid von Volvo mit Dreizylinder-Turbo-Benziner
Im Fall des XC 40 T5 Recharge ist diese „bittere Pille“ vergleichsweise klein, aber stark: Ein Dreizylinder Turbo-Benziner mit strammen 180 PS Leistung. On Top kommt dann noch Elektro-Power von 60 kW (82 PS), mit deren Hilfe das Motordrehmoment von 245 auf fette 425 Newtonmeter und die Leistung auf 262 PS an der angetriebenen Vorderachse gehoben wird. Als Ausweis der guten Gesinnung lässt Volvo zwar deutlich lesbar für alle Ahnungslosen „Recharge“ (klingt eben auch nach mehr als das „Hybrid“ bei allen anderen) auf die C-Säule stanzen, aber bei vorbehaltloser Betrachtung kann das kompakte Volvo SUV schwerlich als Fahrzeuggattung des ökologischen Fortschritts durchgehen. Es fährt zwar auch mit Strom, aber nicht weit und vermutlich in der Praxis auch eher selten.
Alle Volvos mit Ladekabel tragen künftig den Namen Recharge
Was generell für alle Plug-in-Hybride, nicht nur für die von Volvo, gilt. Im Alltag gehen Hybrid-Fahrzeugfahrer – das zeigen aktuelle Auswertungen – sehr schnell dazu über, sich das Stromtanken zu sparen, weil die fahrdynamischen Effekte nicht so markant sind, das Laden aber letztlich als lästig und langwierig wahrgenommen wird. Mal eben schnell geht es bei diesem Volvo Hybrid auch nicht. Für die angesagten, in der Praxis aber nicht erreichten 50 Kilometer elektrische Reichweite steht ein XC 40 Recharge an der Garagensteckdose schon mal neun Stunden (bei 16 Ampere auch noch gut drei Stunden). Und auch wenn es wie bei Volvo schick in einer schwarzen Designertasche verpackt ist, bleibt das Ladeequipment ein sperriges Monstrum, das im Zweifel dann wohl doch eher in der Garage als im Kofferraum aufbewahrt wird.
Zugegeben – Es geht trefflich auch ohne Strom
Erschwerend kommt hinzu, dass der XC40 zwei Kabelalternativen hat: Eine – die schwergewichtigere – für den Hausgebrauch und eine weitere für das Anzapfen öffentlicher Ladestellen. Dass Mann oder Frau da irgendwann den Spaß am Stromanschub verloren geht, kann man verstehen. Der Aha-Effekt von etwa 40 fast lautlosen Kilometern nutzt sich ab – auch schon bei guten Vorsätzen und in einem Testzeitraum von nur 14 Tagen. Vor allem, weil es kein Muss ist, steht der elektrische Antrieb eines Hybrid auf dünnen Beinen. Der XC 40 fährt auch ohne. Und das ganz trefflich, wobei in kleiner Dosis auch beim Bremsen und Ausrollen elektrische Energie „aufgesammelt“ wird.
Volvo trägt für das erste Jahr des Zapfen für den Teilzeitstromer
Um die Kunden ans Strom-Tanken zu gewöhnen oder sie an der Steckdose zu halten, übernimmt Volvo für das erste Jahr sämtliche Kosten der elektrischen Betankung. Sie werden über eine spezielle App ermittelt und abgerechnet. Ein ehrenwerter Ansatz, den Hybrid nicht zu einer Mogelpackung werden zu lassen. Nicht blenden lassen darf man sich von den Verbrauchswerten, die der Hersteller angibt und an deren Zustandekommen nicht gezweifelt werden soll. In realiter – auf der Straße – ist es allerdings unmöglich, mit unter 2 Liter Super 100 Kilometer weit zu kommen – selbst mit voll geladener Batterie. Je nachdem, wie kurz die Strecken ausfallen und wie konsequent dann eine Steckdose angesteuert wird, schwankt der Verbrauch extrem. Wer wie wir nur abends das Kabel anlegt und tagsüber zwischen 80 und 120 Kilometer zumeist im städtischen Umfeld zu fahren hat, landet an der Zapfsäule mit vier bis fünf Litern Verbrauch. Auf der Langstrecke gehen dann aber locker auch mehr als acht Liter durch.
Akustik und Fahrdynamik machen Freude
Beim 1,5 Liter Dreizylinder gehen akustische Zurückhaltung und fahrdynamisches Potenzial eine freudvolle Verbindung ein. Die Wucht, mit der der Motor den über 1800 Kilogramm schweren Brocken in Gang bringt, beeindruckt und lässt mehr als lediglich drei Zylinder vermuten. Auch mit leerem Stromtank stellt sich nie das Gefühl ein, mit einem untermotorisierten Fahrzeug unterwegs zu sein. Man schleppt allerdings immer gut 100 Kilogramm mehr an Gewicht mit, als es die Fahrer eines XC 40 B4 Diesel muss, der als reiner Verbrenner mit 197 PS ähnlich potent motorisiert ist.
Es bleibt beim Recharge zum Glück nur beim Ballast, denn die kompakte Lithium-Ionen-Batterie mit 90 Zellen und einer Kapazität von 10,7 kWh kostet kein Kofferraumvolumen (460 Liter Standard), sie „verschwindet“ im Bereich des Mitteltunnels.
Im Modus „pure“ wird spürbar gespart
Das Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Fahrstufen arbeitet nahezu unmerklich, wobei die Übergänge von zwei auf drei manchmal zu spüren und zu hören sind. Für den manuellen Gangwechsel bietet der XC40 Recharge Schaltwippen. Zieht man den Getriebewahlhebel zum Fahrer, wechselt das System in den B-Modus mit intensiver Rekuperation. Bremswirkung und damit Stromgewinnung steigen hier spürbar. Der hochkant stehende Touchscreen eröffnet zudem die Möglichkeit, fünf Fahrmodi aufzurufen: Voreingestellt und sicher die Ebene, auf der die allermeisten Kunden fahren werden, ist der Hybridmodus, bei dem das Fahrzeug alles selbsttätig regelt. Auf der Stufe „pure“ wird allenthalben gespart: Dazu werden Klimatisierung, Gaspedalreaktion und Drehverhalten in den Gangstufen gedrosselt.
Fahrwerksabstimmung mit mehrheitsfähigem straffen Grundton
Das Kontrastprogramm heißt „Power“. Hier holt das System maximale Leistung aus dem Hybridstrang. Wer mit dem XC40 Recharge dann doch mal schwierigeres Terrain unter die Räder bekommt, findet bis 40 km/h einen intensivierte Bergabfahrhilfe, stärkere Lenkunterstützung und im Antriebsstrang eine Vorstellung für maximale Traktion des Frontantriebs. Über die Stellung „individual“ kann der Besitzer „seine“ Wunschkonfiguration hinsichtlich Lenkunterstützung, Gasannahme etc. hinterlegen. Die Fahrwerksabstimmung hat einen sicher mehrheitsfähigen, straffen Grundton. Die Lenkung könnte davon eine Spur mehr vertragen. Aber der XC40, speziell als Recharge, soll seine Kunden Generationen übergreifend abholen. Schon weil die – vor allem in Sachen Sicherheit – schon vorbildlich ausgestattete Grundversion des Hybrid an der 50.000-Euro-Marke kratzt. Mehr als 99 Prozent aller Modelle dürfte deutlich darüber kosten. Aber ein Vorzeige-Auto darf das wohl bei Volvo-Kunden.
Datenblatt Volvo XC40 T5 Recharge:
Maße (Länge, Breite, Höhe): 4,42 m/1,86m/1,62 m
Gewicht (leer/maximal): 1812/2290 Kilogramm
Sitzplätze: 5
Kofferraumvolumen (Standard/maximal): 460 bis 1336 Liter
Motor (Hubraum/Leistung/Drehmoment): 1,5 Liter/132 kW (180 PS) / 265 Nm
Elektromaschine (Leistung/Drehmoment): 60 kW/160 Nm
Batterie: Lithium-Ionen 10,7 kWh
Antriebsstrang: Front/Doppelkupplung 7 Stufen
Verbrauch (Herstellerangabe/mittel): 1,9 Liter
Preis: ab 48 300 Euro