Mercedes Citan

Bislang hat sich die Kooperation mit Renault-Nissan für die Mercedes Van-Sparte nicht wirklich gelohnt. Denn der erste Citan auf Basis des Kangoo blieb hinter den Erwartungen zurück, und der zur X-Klasse umgebaute Nissan Navara war ein Flop. Im dritten Anlauf soll es mit dem neuen Citan nun aber endlich klappen. Denn diesmal hat das Timing gestimmt.

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Das gilt nicht nur in der Politik, sondern auch im Automobilbau. Denn als sich Mercedes in der Kooperation mit Renault für den ersten Citan entschieden hat, war der Kangoo längst fertig und die Daimler-Ingenieure konnten nicht viel mehr tun, als ein paar Sterne ans Blech zu pappen. Weil aber ein Stern allein noch keinen Mercedes macht, bleib der Kleintransporter weit hinter den Erwartungen zurück. Und dass er dann auch noch im Crashtest den fünften Stern verpasste, hat ihm sicher auch nicht geholfen. Nachdem sich das Problem 2017 mit der X- Klasse auf Basis des Nissan Navara wiederholt hat und der erste Pick-Up der Schwaben mittlerweile nach nur drei Jahren wieder eingestellt wurde, kann man verstehen, dass Männer wie Nicola Crimi ein wenig nervös sind. Denn Crimi ist Testingenieur bei den Schwaben und gibt gerade dem neuen Citan etwa ein halbes Jahr vor der Markteinführung den letzten Schliff. Der basiert zwar wieder auf dem Kangoo, soll diesmal aber endlich nicht nur nach Mercedes aussehen, sondern sich auch so anfühlen: „Design, Ausstattung, Fahrgefühl, Innenraumeindruck und Sicherheit sind so, wie man es von Mercedes kennt“, verspricht Crimi. Denn im dritten Anlauf hat das Timing gestimmt: „Zum ersten Mal waren wir von Anfang in die Entwicklung eingebunden und konnten so all unsere Vorgaben und Vorstellungen mit einfließen lassen.“

Innen sehr hochwertig

Das erkennt man bereits am Prototypen, selbst wenn der noch die schwarz-weiße Robe der Erlkönige trägt. Denn während außen kaum etwas zu sehen ist von der sinnlichen Klarheit, die Designchef Gorden Wagener auch für die Vans zur Maxime erhoben hat, sticht drinnen als erstes das Lenkrad der A-Klasse ins Auge. Man sieht reichlich Lack und Leder, und selbst wenn das Widescreen-Cockpit der kompakten Pkw nicht drin war, läuft auf dem Bildschirm zwischen den analogen Rundinstrumenten und dem Touchscreen daneben künftig das Infotainmentsystem MBUX, das damit auch in der letzten Baureihe der Schwaben Einzug gehalten hat – „Hey Mercedes“ und die Sprachbedienung inklusive. Ja, selbst der Schlüssel stammt jetzt endlich aus dem Mercedes-Regal und ist kein Renault- oder Nissan-Knubbel mit Stern, verspricht Crimi und lässt schnell den Dummy aus dem Protoptypen verschwinden, der noch an die Franzosen erinnert. 

Wie bisher wird es den immer mit Schiebetüren ausgestatteten Kangoo-Klon in mehreren Varianten geben, lässt Crimi durchblicken. Nicht umsonst parkt neben dem Tourer mit verglastem Aufbau und zweiter Sitzbank bereits der Kastenwagen, der zeitgleich starten soll. Und auch der lange Radstand für eine XL-Variante ist wieder fest eingeplant, dann auf Wunsch auch mit dritter Sitzreihe und einzelnen Sesseln in der Mitte. 

Nächstes Jahr als Stromer

So sehr sich der Citan bei Auftritt und Ambiente von den Franzosen emanzipiert, so nah werden sich die beiden Grenzgänger beim Antrieb bleiben. Den stellen die Franzosen und montieren im Werk Maubeuge an der Grenze zu Belgien in den Citan die gleichen 1,3-Liter-Benziner und 1,5-Liter-Diesel, wie sie auch in den Kangoo kommen – mit einem um die 130 PS starken Vierzylinder an der Spitze. Und wenn der Citan nächstes Jahr als Stromer kommt, stammen Batterie und E-Motor ebenfalls aus dem Renault-Regal.

Doch umso mehr Wert haben Crimi und seine Kollegen auf ein Mercedes-typisches Fahrgefühl gelegt: Die geschwindigkeitsabhängige Servolenkung präzise, ohne spitz zu sein, das Fahrwerk sanft aber nicht schwammig, und die Geräuschdämmung sehr effektiv, wähnt man sich weniger in einem Nutzfahrzeug als in einem Kompakten aus der MFA-Familie. Entsprechend gediegen und gelassen rollt der Prototyp über die Schwarzwaldhügel rund um das Testgelände in Immendingen, bügelt satt und sauber über die Frostaufbrüche in den Straßen und schwingt sanft über die Bodenwellen im Asphalt. Zwar untersteuert er ein wenig in engen Kurven und auch die Neigung der Karosserie wird vom Fahrwerk nichts vollends kompensiert. Doch so behält der Fahrer stets ein gutes Gefühl für den Wagen und sein Tempo und der Blutdruck bleiben im Keller. Zumal der Citan mit seinen maximal 130 PS ohnehin nicht zum Rasen taugt, wenngleich der Erlkönig durchaus eine gewisse Eile an den Tag legt und dem GLE des vorausfahrenden Versuchsleiters dicht auf den Fersen folgt. 

Innen mehr Mercedes denn je, spürbar komfortabler als früher und der fünfte Stern wohl außer Frage – diesmal haben die Schwaben den Kangoo so sehr auf Mercedes getrimmt, dass sie es beim Citan nicht belassen wollen. Analog zu Vito und V-Klasse wird auch der kleine Van zum vollwertigen Pkw geadelt und geht im nächsten Jahr deshalb auch als T-Klasse an den Start.