Schlank, muskulös, sportlich: Die neue Elektro-Limousine Kia EV6 würde auch dann für Aufsehen sorgen, wenn sie über einen konventionellen Antrieb verfügen würde. Doch sie bietet weit mehr als eine ungewöhnliche Form: Darunter steckt die völlig neuentwickelte E-GMP-Plattform, die für Heck- oder Allradantrieb ausgelegt ist und den Designern mit ihrem flachen Boden und kurzen Überhängen ungewöhnlich viel Freiheit bietet.
Ursprünglich sollte sich der EV6 eng an der Studie Imagine orientieren, die den Kia-Stand vor zwei Jahren auf dem Genfer Autosalon schmückte. Aber Konzern-Chefdesigner Luc Donckerwolke fand, das reiche nicht aus. Er ließ die Designer an einem Ort in Bayern in Klausur gehen – und stellte dem Team als Inspiration das Modell eines Lancia Stratos hin. Das Ergebnis ist ein viel interessanteres Auto als der Imagine: Der EV6 ist nicht nur sehr sportlich proportioniert, er hebt sich auch maximal vom Hyundai Ioniq 5 ab, der auf der gleichen Plattform steht, beim Kia mit leicht verkürztem Radstand.
Neues modernes Interieur
Interessanterweise setzen die Koreaner nicht auf ein SUV-Konzept, sondern auf eine relativ flache Karosserie mit einem auch optisch niedrigen Schwerpunkt. Die meisten deutschen Hersteller ziehen den SUV-Ansatz vor.
Auch das Interieur präsentiert sich ungewöhnlich und modern. Es wird geprägt von einer schwebenden Mittelkonsole und leicht gebogenen Bildschirmen. Die ungewöhnlichen Materialien und das Zweispeichen-Lenkrad belegen, dass Kia seinen eigenen Stil pflegt, anstatt sich an konventioneller Ästhetik zu orientieren. Ganz wie Tesla. Doch im Gegensatz zu den kalifornischen Vehikeln ist der Kia EV6 perfekt verarbeitet.
Kann als Stromquelle genutzt werden
Der EV6 kommt mit einem extrem stark gespreizten Antriebsportfolio auf den Markt: Es umfasst heckgetriebene Versionen mit 125 kW (170 PS) und 168 kW (229 PS) sowie allradgetriebene Varianten mit 173 kW (235 PS) und 239 kW (325 PS). Nächstes Jahr folgt noch ein Spitzenmodell mit nahezu unglaublichen 430 kW (585 PS).
Das 800-Volt-Ladesystem sorgt bei entsprechender Infrastruktur für rekordverdächtige Ladezeiten, andererseits kann der EV6 auch als Stromquelle fungieren. Das ist dort, wo man auf regenerativ erzeugten Flatterstrom setzt, ein nicht zu vernachlässigendes Argument.
Die Assistenz- und Infotainment-Systeme müssen den Vergleich mit deutschen Premium-Marken nicht mehr scheuen. Das gilt insbesondere für die Premium-Audio-Anlage aus dem Hause Meridian, aber auch für die großflächige Head-Up-Projektion mit Augmented-Reality-Elementen.
Flott unterwegs
Unsere Ausfahrt mit der 239 kW (325 PS) starken Allrad-Variante mit der großen 77,4-kWh-Batterie hat die Erwartungen noch übertroffen. Der EV6 tritt leichtfüßig und agil an, die zwei Tonnen Leergewicht und 470 cm Außenlänge sind ihm nicht anzumerken. Der Spurt von 0 auf 100 km/h gelingt in sportwagenverdächtigen 5,2 Sekunden, und die Tempolimitierung von 185 km/h liegt für ein Elektroauto dieser Klasse ungewöhnlich hoch. Die Rekuperationrate, mit der die Verzögerung beim Lupfen des Fahrpedals bestimmt wird, lässt sich ebenso regulieren wie der simulierte Klang, auf den man auch vollständig verzichten kann.
Billig ist der Kia EV6 nicht: Die Preise beginnen ab 44.900 Euro für die 170-PS-Einstiegsvariante. Doch dafür wird einiges geboten – vor allem ein sportlicher Ansatz, der eher an Kalifornien als an Wolfsburg erinnert.