Neue SUV aus Detroit

Bei der elektrischen Revolution sind die Big Three aus den USA ziemlich hinten dran. Doch in ihrem Kerngeschäft sind sie nach wie vor die Könige: Kein Wunder, dass US-Fans Neuheiten wie Bronco, Grand Cherokee und Escalade kaum erwarten können.

In Beverly Hills oder Malibu an jedem zweiten Straßenblock ein Tesla und zwischen San Francisco und Mountain View so viele autonome Autos auf den Straßen, dass sich kaum mehr jemand danach umdreht: Die Zeiten, in denen Detroit den Ton auf dem US-Markt angegeben hat, mögen vorbei sein. Doch abschreiben darf man die Big Three aus Michigan deshalb noch lange nicht. Auch wenn immer mehr Autofahrer zur Generation E überlaufen und nach Hightech-Features fragen, kaufen die meisten Amerikaner noch immer ziemlich konventionell und entscheiden sich, wenn schon nicht für einen Pick-Up, dann zumindest für einen SUV.

Und da macht Ford, Chrysler und General Motors keiner etwas vor. Das haben die drei Großen aus dem Nordosten in den letzten Monaten gerade wieder mit einer Reihe neuer Modelle bewiesen. Denn so unterschiedlich Ford Bronco, Jeep Grand Cherokee und Cadillac Escalade auch sein mögen, haben sie eines gemeinsam: Sie sind über allen Maßen erfolgreich.

Das Warten lohnt sich

Besonders angesagt ist in diesen Tagen der Ford Bronco, auf den Neukunden länger warten müssen als auf jeden Tesla. Doch das Warten sind die Bronco-Fans je gewöhnt, schließlich haben sie sich in Detroit seit dem Produktionsende 1996 gut 25 Jahre Zeit gelassen, bis sie wieder einen Charakterkopf gegen Autos wie den Jeep Wrangler oder den Land Rover Defender ins Rennen schicken. Und das Warten hat sich gelohnt. In der Basis-Version nicht einmal 30.000 Dollar teuer, gibt der Bronco den Mustang fürs Grobe und sieht nicht nur genauso cool aus wie die Mutter aller Muscle Cars, sondern macht auch mindestens so viel Spaß. Nur halt nicht auf einer Passstraße, sondern in der Pampa.

Spätestens mit dem zugeschalteten Allradantrieb, den Offroad-Fahrprogrammen und den manuell aktivierten Sperren kennt der Bronco in der Wüste, im Schnee oder Schlamm kein Halten mehr und kraxelt selbst über Steilhänge so behände wie eine Bergziege. Treibende Kraft dabei ist wahlweise der 2,3-Liter-Ecoboost-Vierzylinder, den wir aus dem Mustang kennen, oder ein V6 mit 2,7 Litern, dem ebenfalls ein Turbo Druck macht. Aber egal ob 270 oder 310 PS: Der Bronco ist kein Rennwagen. Selbst der V6 bevorzugt im Zusammenspiel mit der 10-Gang-Automnatik den gemütlichen Trab und lässt sich auf Asphalt nur mühsam über 160 Sachen treiben. Aber wer durch die Kurven fräsen will, soll gefälligst Mustang fahren. 

Zum Auseinandernehmen

Dass der Wagen wie Playmobil ausschaut und auch innen weitgehend aus Plastik besteht, passt perfekt. Schließlich kann man den Bronco so problemlos mit dem Kärcher reinigen und wie ein Spielzeugauto eigenhändig umbauen: Ein paar Handgriffe genügen, dann lässt er Dach und Seitenteile fallen wie eine Strandschönheit ihren Bademantel, und ein paar Minuten später sind sogar die Türen ausgehängt. Viel freizügiger lassen sich Freizeit und Abenteuer nicht genießen. Wem das alles zu weit geht, für den hat Ford übrigens noch eine Alternative im Programm. Neben dem klassischen Bronco als Drei- und als Fünftürer gibt’s auch einen Bronco Sport. Der nutzt aber nicht nur eine andere Plattform, sondern ist auch sonst ziemlich weichgespült – und deshalb nur ein SUV unter vielen. 

Einer unter vielen – das galt zuletzt auch für den Jeep Grand Cherokee, der sich im Feld der Oberklasse-SUV nur noch schwerlich gegen Autos wie den Mercedes GLE oder den BMW X5 behaupten konnte. Doch seit letztem Herbst ist der Häuptling der Indianer zurück – und beweist mehr Größe als je zuvor. Das kann man wörtlich nehmen, weil es das Flaggschiff der erfolgreichsten Stellantis-Tochter nun endlich auch einer XL-Version mit dritter Sitzreihe gibt, die sich erfolgreich gegen GLS und X7 wehrt.

Und das gilt im übertragenen Sinne, weil der Jeep mächtig an Finesse bei Ambiente und Abstimmung gewonnen hat: Das digitale Cockpit und das riesige Tablet daneben sind in eine Luxuslandschaft eingelassen, die endlich mehr nach Premium aussieht als nach Plastik. Die Sitze bieten mehr Komfort als jeder Fernsehsessel, was bei amerikanischen TV-Möbeln wirklich etwas heißen will. Die Ausstattung ist mit Video-Spiegeln, Kamera-Überwachung für den Nachwuchs oder einem ziemlich autonomen Autobahn-Piloten auf der Höhe der Zeit.

Das auf Wunsch luftgefederte Fahrwerk bügelt auch die gröbsten Nachlässigkeiten der Straßenbauer großzügig und klaglos weg. Zum „Magic Carpet Ride“, den uns sonst die luxuriösen Engländer versprechen, fehlt hier jedenfalls nicht mehr viel. Nur in einer Disziplin bäckt auch der neue Grand Cherokee weiter kleine Brötchen: Mit nicht einmal 40.000 Dollar Startpreis bleibt er weit unter den meisten Konkurrenten, erst recht denen aus Europa. 

Plug-in Variante auch verfügbar

Design, Plattform, Ausstattung ist alles neu – einzig nur bei den Motoren setzen die Amerikaner auf ebenso alte wie bewährte Triebwerke zumindest für den Start. Los geht es mit einem 3,6 Liter großen V6-Sauger mit 290 PS und dem wunderbar altmodischen 5,7-Liter-V8, der auch ohne Hemi-Tuning auf solide 357 PS kommt. Bevor die Klimaschützer und SUV-Schimpfer jetzt wieder Sturm laufen, verspricht Jeep eine elektrifizierte Plug-in-Version, die auch in Europa den Löwenanteil der Verkäufe ausmachen dürfte.

Wie stolz Jeep auf den Grand Cherokee ist und wie wichtig die Amerikaner ihr Top-Modell nehmen, zeigt nicht nur der große Aufwand für den Generationswechsel, sondern auch die neue Heimat des Häuptlings. Denn gebaut wird er in der ersten neuen Auto-Fabrik, die in Motorcity Detroit in den letzten 30 Jahren eröffnet wurde. 

Die etwas andere Limousine

Dritter im Bunde ist der Cadillac Escalade, der für die Amerikaner so etwas ist wie für uns eine S-Klasse. Nicht nur reiche Selbstfahrer schätzen den riesigen Raum und den großen Eindruck, den dieser Big Mac im Smoking bei der Vorfahrt schindet. So mancher Firmenchef lässt sich lieber in den Einzelsesseln im Fond dieses Giganten ins Büro chauffieren als in einer Limousine, von Hotelgästen und anderen VIP im Shuttleservice ganz zu schweigen. Dass man dafür tief in die Tasche greifen und mindestens 77.000 Dollar investieren muss, tut dem Erfolg keinen Abbruch. 

Im Ringen mit den anderen Luxus-Geländewagen hat GMs dickstes Ding dabei ein noch protzigeres Design mit einem noch größeren Kühlergrill und noch auffälligeren Scheinwerfern bekommen – und ein größeres Format. Obwohl jetzt schon in der Standardversion auf 5,38 Meter gestreckt und trotzdem auch wieder mit verlängertem Radstand zu haben, ist der Wagen aber einer neuen Plattform sei Dank knapp drei Zentner leichter und entsprechend sparsamer.

Gemütlich cruisen mit V6 und knapp 300 PS

Dazu passt auch eine neue Motorvariante, die nicht einer gewissen Ironie entbehrt: Denn während im Grunde die Amerikaner mit dem Aufdeckung des VW-Skandals dem Diesel bei den deutschen Herstellern den Garaus gemacht haben, kommen sie bei ihren eigenen Autos mittlerweile auf den Geschmack des Selbstzünders und genießen vor allem die riesige Reichweite: Neben dem traditionellen V8-Benziner mit 6,2 Litern Hubraum und 420 PS und natürlich einer Performance-Variante gibt es deshalb nun erstmals auch einen V6-Diesel mit 277 PS, der perfekt passt zum gemütlichen Cruisen auf den endlos breiten Highways. Serienmäßig gekoppelt mit einer zehnstufigen Automatik, wird zunächst die Hinterachse angetrieben. Gegen Aufpreis kommt der Escalade aber auch als Allradler.

Elektrifizierung kommt

Während die Technik eher konventionell ist, gehen die Amerikaner bei der Ausstattung in die Offensive: Sie reklamieren für sich das erste digitale Cockpit mit gebogenen OLED-Displays, montieren um die sechs Einzelsitze bis zu 36 Lautsprecher, erweitern die Navigation um Augmented Reality-Lösungen und bauen ihren Autobahn-Piloten „Super Cruise“ ein, mit dem man auf speziell kartographierten Straßen minutenlang freihändig fahren kann. 

Hier der hemdsärmelige Bronco, da der vornehme Grand Cherokee und dort der feudale Escalade – natürlich gibt es modernere Autos als diese SUV-Neuheiten, selbst wenn Ford bereits über eine E-Version spricht und die beiden anderen Geländewagen zumindest einen Stecker bekommen. Doch dem Absatz tut das keinen Abbruch. Denn jeder der drei verkauft sich in den USA besser als alle Tesla, Lucid & Co zusammen und nicht ohne Grund sehnen sich die Fans des American Way of Drive diesseits des Atlantiks nach der baldigen Exportfreigabe. Darauf müssen sie nicht mehr lange warten: Für Jeep und Cadillac ist der Weg in die alte Welt noch für dieses Jahr versprochen und bei Ford ist die Entscheidung nur noch eine Frage der Zeit.

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