Alfa Romeo genießt unter Automobilisten Kultstatus – bist du keinen Alfa gefahren, bist du auch kein Petrolhead. Mit Zutaten, welche für ein solch emotionales Auto höchst polarisierend wirken, tritt die Alfa Romeo Giulietta zum Test an: Dieselmotor und Doppelkupplungsgetriebe. Ein Alfa ohne Kupplungspedal – für diese Kombination musste der italienische Hersteller aus Turin bereits in der Vergangenheit Prügel einstecken und so versucht man den technischen Fortschritt automatisierter Gangwechsel ohne Drehmomentwandler zu nutzen, um mit Hilfe zweier Kupplungen einen neuerlichen Anlauf in dieser Disziplin zu unternehmen.
Widmen wir uns zuerst aber den äußerlichen Merkmalen, bevor wir tief in die Technik einsteigen, denn: der Giulietta zu verfallen ist nicht schwer. Im Vergleich zu ihren Vorgängern ist die moderne Giulietta zwar keine Stufenhecklimousine mehr, sondern ein klassischer Kompaktwagen, an Anziehungskraft büßt sie dadurch allerdings nicht ein. Alfa-typisch wird die Front vom Dreiecks-Kühlergrill dominiert. Am Rande liegen die rundlicheren, in die Länge gezogenen Frontscheinwerfer. Dazwischen fällt die Motorhaube formschön nach unten ab. Die Seitenansicht fällt dagegen weniger spektakulär aus und wird vor allem von den 18-Zöllern im klassischen Alfa-Design dominiert. Am Heck fallen vor allem die Abrisskante zwischen den schneckenförmigen LED-Rückleuchten sowie die beidseitige Abgasanlage auf und verleihen der Giulietta einen kräftigen Auftritt. Seltsam: während ich die Giulietta anfangs eigentlich immer „nur ganz hübsch“ wahrgenommen habe, ist meine Zuneigung im Laufe der zwei Wochen des Tests immer weiter gewachsen. Inzwischen entweicht mir bei fast jedem Kontakt mit einer Giulietta im Straßenverkehr ein leises „hach“.
Im Innenraum präsentiert sie genau das, was ich an Alfa Romeo so schätze: sportliches Flair und italienischen Chic. Man hat unmittelbar das Gefühl, in einem rassigen, italienischen Sportwagen zu sitzen. Zudem setzt man erfreulicherweise nicht auf die sonst üblichen Zutaten, sondern verbaut Flächen in Alu-Look, die aber einen dunkel-bläulichen Farbton aufweisen. Zusammen mit den hellen Kontrasten und roten Akzenten ergibt sich ein wunderschönes Bild im Innenraum. Auch die Form des Armaturenbrettes gefällt extrem gut und hebt sich von der Konkurrenz ab. Zum Ambiente, es mit einem klassischen Rennwagen zu tun zu haben passen außerdem die schönen Kippschalter für Scheibenheizung etc. und das nahtlos integrierte Radio. Überhaupt nicht ins Bild passt das Lenkrad mit der riesigen Hartplastikschale. Schwächen erlaubt sich die Italienerin leider in puncto Verarbeitung und Ergonomie. Der Bildschirm des wenig zeitgemäßen Navigationssystem, mit abnormal schlechter Sprachführung, klappert und rasselt häufig und die Sitze bieten weder Seitenhalt noch eine angenehme Sitzposition.
Eine gute Position findet die Giulietta hingegen auf der Straße. Dank des Sportfahrwerks mit etwas strafferer Feder- und Dämpferabstimmung zirkelt sich die schöne Dame in einem freudigen Tanz über kurvige Straßen. Ihren schönen Po setzt sie dabei gezielt ein, um den Fahrer zu verzücken und ihm ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern – vorausgesetzt, die 225er Pneus an der Vorderachse sind auf Temperatur, andernfalls gibt sich die Giulietta vor allem untersteuernd. Das Fahrwerk bietet immer noch ein gutes Maß an Komfort, schwingt allerdings gerade bei langen Bodenwellen deutlich spürbar nach. Dafür spricht der Dieselmotor sehr direkt auf Gasbefehle an. Eine winzige Verzögerung, während die Luft komprimiert, wird ist zu verspüren, doch letztlich hängt der 2-Liter-Diesel so direkt am Gas, dass man tatsächlich zielgenau im Kurvenscheitelpunkt Leistung abfordern kann – genau dann, wenn man sie benötigt. Dem Diesel kommt dabei zugute, dass er ein breites Drehzahlband nutzen kann und erstaunlich drehfreudig ist.
Wer etwas nachschärfen möchte, kann mit Hilfe des Fahrdynamikschalters „D.N.A.“ auf den Dynamic-Modus wechseln und beeinflusst damit Gaspedal- und Fahrwerkskennlinien. Zudem wird bereits im unteren Drehzahlbereich mehr Ladedruck aufgebaut und die Regelschwelle des ESP nach oben gesetzt. Mittels Overboost liegen dann kurzzeitig 30 Nm mehr Drehmoment, maximal also 350 Nm, an und sorgen für reichlich Vortrieb. So sehr man Dieselmotoren in sportlich orientierten Fahrzeugen verteufeln mag: der JTDM-Diesel passt wunderbar zur Giulietta, zumal er wenig störend durch unsportliches Gerassel als vielmehr mit einem knurrigen Tonfall auf sich aufmerksam macht. Für diese durchaus sportliche Ausrichtung des Selbstzünders muss man dafür aber auch Trinkgewohnheiten in Kauf nehmen, welche eher einem Otto-Motor entsprechen. Unter 7 Liter ist die Giulietta realistisch nicht zu bewegen, der Testverbrauch orientierte sich eher in Richtung 10 Liter.
Zum Fahrspaß trägt auch das von FIAT gänzlich neu entwickelte TCT-Getriebe (Twin Clutch Technology) bei. Ähnlich wie bei der Wolfsburger Konkurrenz in dieser Fahrzeugklasse arbeiten zwei Trockenkupplungen für die optimale Kraftübertragung. Da die Kupplungen nicht im Ölbad laufen, ist die Belastbarkeit entsprechend begrenzt und genau auf das maximale Drehmoment der Giulietta von 350 Nm ausgelegt. Die Vorteile daraus sind allerdings das niedrigere Gewicht und die Wartungsfreiheit. Die Gangwechsel beim Hochschalten gehen beim TCT sehr verschliffen und angenehm schnell von der Hand. Hat man sich erst einmal an die etwas zu kurz geratenen Schaltwippen gewöhnt, kann man mit der Giulietta auf kurvigen Straßen hierdurch sehr viel Spaß haben. Beim Herunterschalten arbeitet das TCT allerdings nicht ganz so effektiv, wie die Konkurrenz. Die Drehzahl wird verhältnismäßig langsam angeglichen und dann langsam eingekuppelt. Da dies allerdings nur Softwareparameter und Abstimmungssache ist, hoffe ich einfach mal, dass FIAT hier noch weitere Arbeitsstunden investiert und sich auch da noch etwas tut.
Fazit
Die Alfa Romeo Giulietta zeigt sich genau so, wie man es von einem typischen Alfa Romeo erwartet. Warum? Sie schafft es wieder und wieder, Begeisterung in einem hervorzurufen. Sei es beim schönen Innenraumdesign oder bei der noch schöneren äußeren Hülle. Der Dieselmotor bereitet in Kombination mit dem TCT-Getriebe eine Menge Fahrspaß. Und trotzdem: es gibt immer wieder diese stets aufreibenden Momente, in denen man am liebsten aussteigen und sich in ein anderes Auto setzen würde, denn in Sachen Elektronik zeigt sich die Giulietta entsprechend aller Vorurteile gegenüber italienischer Autos: die Darstellung und Bedienung des Navigationssystems ist ein Graus. Wer der italienischen Sprache mächtig ist, sollte das Navi unbedingt auf italienisch umstellen und sich damit der gebrochenen deutschen Sprachwiedergabe entziehen. Das Audiosystem kann klanglich zwar überzeugen, spielt fast alle MP3 per USB-Stick allerdings nur klanglich verzerrt ab (das Problem ist ein zu hoher Eingangspegel – hier gibt es eine Anleitung zur Problembehebung), nachdem dann mal einer von drei USB-Sticks überhaupt vom System fehlerfrei erkannt wurde. Dazu kommen eine Sitzposition und ein Seitenhalt, welche einem betont sportlichen Auto nicht gerecht werden. Und doch war es immer wieder ein Moment der Vorfreude, wenn ich wusste, dass ich gleich in die Giulietta einsteigen und wieder mit ihr die Straße genießen werde. Sie strapaziert mit ihrem starken Charakter, aber bietet viel Fahrspaß – da ist ein kleines bisschen Leidensfähigkeit doch nicht zuviel verlangt, oder? Doch das werden wohl ohnehin nur die Menschen verstehen, die schon mal in solch einer Beziehung standen – ob mit einem Auto oder einem Menschen.