Erste Fahrt: Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio

Fast ein Jahr ist es her. Giulia stieg vom Himmel. Berührte mit ihren vier Gummis den Boden und zeigte ihre Engelsflügel. Vorne ein Splitter, hinten eine Abrisskante. Anzusehen und anzufassen von einer ausgesuchten Gruppe automobiler Propheten. Die Gläubigen durften erst im September staunen. Die Messehalle 6 in Frankfurt wurde zu ihrer Kathedrale, in der sie Schlange standen. Um zu stauen, einen Blick auf vier oberarmdicke Endrohre zu werfen und kurz Platz nehmen zu dürfen.

Ein Jahr mentale und vor allem mediale Vorbereitung, bevor es nun so weit war. Der Engel fliegt das erste Mal. Und wir dürfen nicht nur zusehen, sondern sogar selbst das Geschehen bestimmen. Der heilige Ort: Das Testgelände des FCA-Konzerns (Fiat Chrysler Automobiles) in Norditalien. Mitsamt einem amtlichen Rundkurs. Und einer Horde Giulias. Quadrifoglios!

Die Schaltzentrale. Der rote Knopf links dient auch der Ausschüttung von Testosteron (Foto: Bernd Conrad).
Die Schaltzentrale. Der rote Knopf links dient auch der Ausschüttung von Testosteron (Foto: Bernd Conrad).

Fassen wir es noch einmal zusammen, könnte ja sein, dass es irgendjemand nicht bekommen hat: Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio heißt das neue Spitzenmodell der auferstehenden italienischen Marke. Obwohl, eigentlich ist es das Spitzenmodell der gesamten italienischen Automobilwirtschaft. Denn dieses Auto zeigt der Welt: Sie können es noch! Nicht nur Sportwagen bei Ferrari und Lamborghini bauen, nicht nur sportliche Luxusautos bei Maserati. Sondern eine Maschine zum Leben erwecken, bei der jeder zum Autofan werden muss.

Das sportliche Herz schlägt in Form eines 2,9 Liter großen V6-Triebwerks. Zwei Turbolader sorgen für ordentlichen Dampf. 375 kW / 510 PS und ein maximales Drehmoment von 600 Nm. Nackte Zahlen. 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h (nochmal: dreikommaneun!) und 307 km/h Höchstgeschwindigkeit (dreihundertsieben!) sorgen schon für erste Gemütsregungen. Doch alles nichts gegen den ersten Lebendkontakt. Wenn der Sechszylinder angeworfen wird und Du sofort weißt: Dieser Sound ist Dein neues Gebet. Gasstoß. Ein Donnerhall. Kein spätpubertäres Plärren wie es der aktuelle BMW M3/M4 vormacht. Sondern der Schrei von High-Tech. Lasst mich von der Leine!

Der Fahrer wird von den perfekt passenden Sparco Sportschalensitzen (Aufpreis: 3.490 Euro) aufgesogen, die rechte Hand flippt den Hebel des manuellen Sechsganggetriebes nach links vorne, während der linke Fuß dem Gegendruck des Kupplungspedals nachgibt.

Langsam kann die Giulia Quadrifoglio auch. In der Boxengasse (Foto: Bernd Conrad).
Langsam kann die Giulia Quadrifoglio auch. In der Boxengasse (Foto: Bernd Conrad).

Rund fünf Millionen Haare hat ein Mensch auf seinem Körper. Jetzt stellt sich jedes einzelne auf. Du sitzt tatsächlich im Quadrifoglio und bestimmst Dein Schicksal selbst. Ausfahrt aus der Boxengasse, Vollgas auf die Strecke. Das Auto schnalzt mit einer Wucht nach vorne, dass Du kurz überlegst, ob gerade Anbauteile von der Karosserie fliegen. Aber keine Zeit zum Nachdenken, die erste Schikane rast auf mich zu. Besser gesagt: Die Giulia auf die Schikane. Mit knapp über 180 Sachen. Brutaler Tritt aufs Bremspedal und BÄM – das Gehirn knallt von innen gegen die Stirn. Die Karbon-Keramik Bremsanlage von Brembo (gepflegter Aufpreis: 7.300 Euro) schafft es, dem unfassbaren Vortrieb in Nullkommanix ein Ende zu setzen. In nur 32 Metern soll die Giulia Quadrifoglio von 100 auf Stillstand zu bringen sein.

So tief fallen wir nicht, mit um-die-50 und einem Lenkradlupfer nach links, dann einem nach rechts, lasse ich die Schikane wieder sie selbst sein und weiter geht es. Im Kurvengeschlängel der folgenden paar Kilometer überrascht, wie leicht beherrschbar der starke Alfa trotz der mechanischen Urgewalt ist. Vom ersten Moment an hast Du das beruhigende Gefühl, stets volle Kontrolle über die Giulia zu haben. Sie gleitet Dir nicht aus der Hand. Eine perfekte Gewichtsverteilung von je 50% auf Vorder- und Hinterachse sorgen ebenso für Zucht und Ordnung wie eine mechanische Sperre an der Hinterachse. Elektronisch geregelt verteilt sie die Leistung zwischen den Hinterrädern. Mit einem Yuppie-Kram wie Allradantrieb lässt sich eine Giulia Quadrifoglio nämlich nicht das Leistungsgewicht versauen. 285 Millimeter breite 19-Zoll-Walzen an der Hinterachse sorgen dafür, dass der Asphalt die Gebote des Bi-Turbos erhört. Den letzten Rest regelt die Elektronik.

Dazu gehört auch das ESP. Mit dem „Race“ Modus, der die von den irdischen Giulias bekannte DNA-Regelung bereichert, schickt man das in den Urlaub. Dann ist es ein leichtes, das hinterradgetriebene Viech quer zu treiben. Wenn man es kann. Ob man sich traut oder nicht, diese Frage beantwortet das Auto: Giulia scheint mir Dir zu sprechen, sie bereitet Dich in Echtzeit auf das vor, was sie mit Dir machen will – und mit sich machen lässt. Selten hat ein derart starkes Auto von Beginn so viel Vertrauen erweckt.

Umsteigen in die Automatikversion. Während die Giulia Quadrifoglio in den meisten Märkten, so auch in Deutschland, vorerst nur mit Schaltgetriebe verfügbar ist, kann man z.B. in England schon die Achtstufen-Automatik ordern.

Liebe Leser, bevor jetzt jemand wegen dem Wandler „Blasphemie“ zu rufen beginnt, lasst Euch bekehren. Der Automatik gelingt das Unfassbare: Nochmalige Fahrspaßsteigerung.

Hellwach sortiert sie die Übersetzungen und hat den passenden Gang schon parat, während der Mensch noch den Gedanken an das Schalten formt. Außerdem sind die steten Zwischengastöne beim Herunterschalten Musik.

Der Prophet zeigt sich: 2,9 Liter V6 Bi-Turbo mit 510 PS (Foto: Bernd Conrad).
Der Prophet zeigt sich: 2,9 Liter V6 Bi-Turbo mit 510 PS (Foto: Bernd Conrad).

Zum Abschluss begnüge ich mich mit dem Beifahrersitz und lasse einen Alfa Romeo – Werksfahrer an Steuer. Während er mir zeigt, dass mein „schnell“ durch sein „richtig schnell“ aber so was von egalisiert wird, bestätigt er meinen Hang zur Giulia Quadrifoglio Automatik. „Für das Driften um den Kurs“, sagt er, „nehme ich den Handschalter, um richtig schnell zu sein, die Automatik“.

Fazit:

Ja, die Giulia Quadrifoglio wird in den Gazetten ihre Vergleichsteste verlieren. Gegen M3, C63 und RS4. Weil dann der mangelnde Raum im Fond moniert wird, das nicht ultimative Infotainment und weitere Alltagsproblemchen.

Die Herzen der Kunden wird das Auto aber im Sturm aus den Endrohren erobern: Als perfekter Alltags-Sportwagen. „Ferrari wird nie ein Auto mit vier Türen bauen“ ertönte es oft genug aus Maranello. Jetzt wissen wir, warum: Es heißt Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio.

 

Technische Daten Alfa Romeo Quadrifoglio

Hubraum 2891 ccm
Leistung 375 kW / 510 PS bei 6.500 U/min
Maximales Drehmoment 600 Nm bei 2.500 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h  3,9 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 307 km/h
Norm-Verbrauch kombiniert 8,5 L. / 100 km (NEFZ halt..)
Grundpreis 71.800 Euro (mit Sechsgang-Handschaltung)

 

 

 

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