Winterliche Ausfahrt mit dem Skoda 130 RS

Er hat zwar nur 140 PS und jeder gehobene Kompakte fährt heute schneller. Doch zu seiner Zeit war der Skoda 130 RS einer der erfolgreichsten Sportwagen auf dem Kontinent – und ist noch heute so herzerwärmend, dass man mit ihm selbst bei dicken Minusgraden ins Schwitzen kommt.

Es ist ein Gefühl wie im Kühlhaus: Der Atem gefriert, die Kälte kriecht in die Knochen, Gelenke werden langsam steif und der Rennanzug ist auch keine echte Hilfe. Doch wer auf einer Eisbahn Autofahren will, der darf sich von niedrigen Temperaturen nicht aufhalten lassen. Und genau deshalb schließlich kommen jedes Jahr im Februar die Schnellfahrer aus aller Herren Länder nach Zell am See, um dort auf Spikes und im Drift das legendäre Ice Race wieder aufleben zu lassen. 

In diesem Jahr hat Corona den Eis-Eiligen zwar einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch weil die Piste bereits präpariert war und Skoda schließlich 120 Jahre Motorsport zu feiern hat, sind zumindest die Tschechen gekommen und haben ohne Publikum und ohne Event dem eisigen Winter im Salzburger Land mit ein paar Pirouetten kräftig eingeheizt. 

Als buchstäblich heißesten Ofen haben sie dafür den 130 RS mitgebracht. Schließlich galt das schmucke Skoda-Coupé mal als Porsche des Ostens und hat zu seiner Zeit so ziemlich alles gewonnen, was es damals im europäischen Motorsport zu gewinnen gab – einen doppelten Klassensieg bei der Rallye Monte Carlo und die Europäische Tourenwagenmeisterschaft inklusive. 

„Der 130 RS prägt den guten Motorsportruf der Marke Skoda bis heute“, sagt Michal Velebný, Koordinator der Restaurationswerkstatt des Skoda Museums. „Dieses Rennauto in der damals kommunistischen Tschechoslowakei auf die Räder zu stellen, war nicht einfach und zeigt die technologische Kompetenz und das Engagement der damaligen Skoda-Entwickler und -Techniker.“ 

An der lässt der 130 RS keine Zweifel: 1975 präsentiert, bringt er nur 720 Kilo auf die Waage. Denn Dach und Türen sind aus Aluminium gedengelt, Kotflügel und Motorhaube aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigt, und die Scheiben dünn wie das Fensterglas einer baufälligen Berghütte. Für die nötige Stabilität des Chassis aus dem Serienmodell 110 R sorgt ein robuster Schutzrahmen. Treibende Kraft ist ein 1,3-Liter-Vierzylinder, der nach Gas und Drehzahl giert und sich für die schnelle Arbeit am kurz gestuften Viergang-Getriebe mit bis zu 220 km/h Spitze bedankt. 

Die Kombination aus moderner Motorentechnik, Leichtbau und motorsportlichem Feintuning geht auf: Bereits in seiner ersten Saison holt er die ersten drei Plätze bei den Rundstreckenrennen des tschechoslowakischen Friedens- und Freundschaftspokals, es folgen bis zum frühen Ende 1983 dutzende Top-Platzierungen im In- und Ausland und auch als Rentner heizt der Rennwagen seinen Insassen noch ordentlich ein. Mehr jedenfalls als all die RS-Modelle aus der aktuellen Palette, in denen die Gene das Tschechen-Porsches weiterleben. Und das ganz ohne Heizung.

Denn selbst wenn das Blech sogar von innen gefroren ist und ein eisiger Wind durch die dünnen Scheiben pfeift, braucht es an diesem frostigen Tag nur ein paar Meter, bis das Blut zu Kochen beginnt. Die von Hand in die Reifen gedrehten Spikes krallen sich ins Eis, ein schwerer Gasfuß treibt das Triebwerk auf über 4.000 Touren, die messerscharfe Rennkupplung schnappt zu und es beginnt ein heißer Tanz auf dem eisigen Grund: Schon die erste Kurve nimmt der Hecktriebler im Drift, die zweite geht ganz quer und ab der dritten wird der 130 RS zur Schneefräse, die das weiße Pulver in meterlangen Schleppen über die Bande wirft. Und zwischendrin beschleunigt er unter dem Johlen von 8.000 Touren jedes Mal so wild, als wäre er beim Eisschnelllauf. Wer jetzt noch friert, dem ist auch nicht mehr zu helfen. 

Und das ist nur das Warm-Up. Denn nach ein paar Runden ist Fahrerwechsel und Rallye-Profi Matthias Kahle übernimmt das Steuer. Das führt er so virtuos, dass der Skoda zur Eisprinzessin wird und auf seinen Spikes kunstvoller über die Piste driftet, als weiland Kathi Witt auf ihren Schlittschuh-Kufen: Millimetergenau tänzelt der Rekordmeister auf der Ideallinie, stellt das Heck aus, dreht das Coupé wieder zurück auf den Pfad der Tugend und schießt über die Eisbahn, dass man sich dankbar in die Hosenträger-Gurte fallen lässt, die einen kompromisslos in den Schalensitzen halten.

Kalhle dabei als Heizer zu bezeichnen, ist durchaus als Kompliment gemeint. Nicht nur, weil er auf der Eispiste ein Tempo an den Tag legt, das sich Normalsterbliche selbst auf trockenem Asphalt kaum trauen würden. Erst recht nicht mit einem Oldtimer von über 40 Jahren. Sondern auch, weil im Auto bald die Luft kocht und der Rallye-Profi auch seinem Ko-Piloten gewaltig Feuer macht. 

Doch so gut der 130 RS auch in Schuss ist, muss er nach ein paar Runden auf der automobilen Schlittschuhpiste erst einmal abkühlen, so heiß ist es ihm auf dem Eis geworden. Die Insassen dagegen müssen ganz schnell in die Wärme. Nicht dass ihnen kalt geworden wäre bei diesem Höllenritt im Tiefkühlfach. Ganz im Gegenteil. Doch genau das ist das Problem – bei diesen Temperaturen wird selbst aus Schweiß bald Eis und dann wird es schnell unbequem. Erst recht, wenn der 130 RS wieder im Hänger parkt und nicht mehr als Ersatz für die bei Wintersportlern so beliebte und wegen Corona gesperrte Sauna zur Verfügung steht.

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