BMW 2002 Turbo trifft auf M2 Clubsport

Der BMW M2 Clubsport ist der heimliche Nachfolger des 2002 Turbo, des ersten Turbomodells nicht nur der weißblauen Marke, sondern überhaupt eines deutschen Autoherstellers. Ein Wiedersehen nach fast fünf Jahrzehnte

Vor 47 Jahren wurde der erste hiesige Turbo-Serienwagen auf die Straße gelassen und traf damals, im Jahr der Ölkrise 1973, angesichts von Energiespar-Appellen und sogar Fahrverboten an Sonntagen auf miese Stimmung. Und just in dieser Zeit kommt BMW mit einer 170 PS-Mittelklasse um die Ecke: dem 2002 Turbo. Eine für damalige Verhältnisse geradezu frivole Power für eine 4,22 Meter lange Limousine, die gerade einmal 1,1 Tonnen auf die Waage bringt und somit plötzlich im 911er-Revier wildert. Auf der Vorderachse liegt ein eigentlich profaner Zweiliter-Vierzylinder, der allerdings per Abgasturboaufladung zwangsbeatmet wird. Damit hatten US-Automarken zwar schon Erfahrung gesammelt, hierzulande dagegen war diese Technik Neuland. Mit Hinterradantrieb und Sperrdifferenzial ausgerüstet ist dieser optisch verbreiterte Nullzwo kein harmloses Spielzeug für halbstarke Jungs. Doch dazu später mehr.

Die Zeiten ändern sich

Der exotische M2 Clubsport, dessen Ära quasi schon wieder vorüber ist, passt gut in die Philosophie des 2002 Turbo. Mit 4,46 Metern Länge überragt der dem Kompaktsegment zuzuordnende M2 den früheren Mittelklässler zwar deutlich, aber die Zeiten haben sich eben geändert. Der M2 CS verfügt über zwei Lader. Sein intern S55 bezeichneter Sechszylinder mit 331 kW/450 PS ist dem Vorgänger-M3 entliehen. Der Testwagen ist zudem mit einem im Aussterben begriffenen manuellen Schaltgetriebe ausgerüstet.

Dieser spezielle M2 ist ein Auto für Rennstrecken-Junkies oder Sammler. Das Werk hat ihm zur Gewichtsoptimierung nicht nur Kohlefaser-Anbauteile spendiert, sondern vorsichtshalber auch Michelin Pilot Sport Cup 2 montiert. Sind die Pneus ordentlich warm gefahren, baut der Reifen derart Grip auf, dass ein Kavalierstart trotz Hinterradantriebs und mechanischer Kupplung schon einiger Mühe bedarf. Mit dem feinen Alcantara-Lenkrad, wandelbarem Adaptiv-Fahrwerk und viel Reserve im rechten Pedal erobert der 1,6-Tonner Kehre um Kehre. Dennoch ist der Clubsport kein Spielverderber auf langen Distanzen, steckt Bodenwellen gekonnt weg, mimt den braven Alltagsbegleiter.

Leiser Flitzer

Einer, der freilich mehr als souverän motorisiert ist und auch wie der 2002 Turbo damals im 911 Revier wildert. Die Fahrleistungen bewegen sich auf Carrera S-Level, wie Fachmagazine gemessen haben, gereichen dem Münchener rund 13 Sekunden bis zu 200 km/h-Marke – ein Wert, der das Auto in die Kategorie der führerscheingefährdenden Vehikel hievt. Letzteres auch, weil sein Sechszylinder fluffig gen Drehzahlbegrenzer rotiert, während die Karosse magenbelastend auf Tempo stürmt. Dabei bleibt das Aggregat akustisch im Zaum, der M2 schreit und sprotzelt lange nicht so energisch wie seine Vorläufer ohne Partikelfilter.

Erstaunlich, dass der alte Vierzylinder aus den frühen Siebzigern kaum weniger Laune macht. Keine Frage, das Performance-Niveau rangiert in der Gesamtsicht deutlich niedriger – die sieben Sekunden für den Standard-Sprint macht heute ein Golf GTD – aber eben viel unspektakulärer. Ein 2002 Turbo bedeutet Drama in jeder Hinsicht: Die Beschleunigungskurve verläuft alles andere als linear. Erst passiert wenig, und wenn die Turbine des Laders bei steigendem Abgasstrom Fahrt aufnimmt, setzt der Schub zackig ein. Bei Nässe oder mit zu viel Lenkwinkel ist man schneller quer, als einem lieb ist.

Schriftzug ist nur ein Gerücht

Gute 2002 Turbo liegen aktuell im sechsstelligen Preisbereich und damit über den 92.605 Euro, die BMW für den Clubsport verlangte; also bitte immer schön vorsichtig umgehen mit dem wertvollen Stück automobiler Zeitgeschichte. Generell ist das Fahren mit diesem Oldtimer Arbeit – Kupplungspedal und Lenkung gehen stramm, die fünf Vorwärtsgänge rasten schwergängig, und es gibt keinen doppelten Boden namens Stabilitätsprogramm, falls man es doch mal übertreiben sollte. Wer vergeblich nach dem gerüchteweise vorhandenen Modellschriftzug sucht, der in Spiegelschrift auf dem Frontspoiler prangen sollte – diese bösartige Idee gab es zwar, wurde aber nicht in die Realität umgesetzt.

Ein wirtschaftlicher Erfolg wird der 210 km/h schnelle BMW damals übrigens kaum gewesen sein, der in einer stimmungsmäßig autofeindlichen Zeit auf den Markt kam, als sonntägliche Autobahnen leergefegt waren und über hundert Tage lang ein Tempolimit von 100 km/h galt. Andererseits gab es insgesamt bloß vier autofreie Sonntage im November und Dezember 1973 – die Situation wird in der Retrospektive öfter dramatischer dargestellt. Dennoch fand der 2002 Turbo kaum anderthalbtausend Käufer und wurde nach etwas mehr als einem Jahr eingestellt, worüber sich heutige Besitzer natürlich freuen. Der rund ein Jahr gebaute M2 Clubsport hat den Sammlerstatus längst erreicht – besonders als manueller Schalter.

BMW 2002 Turbo – Technische Daten

Limousine der Mittelklasse, Bauzeit 1973 bis 1974, Länge: 4,22 Meter, Breite: 1,62 Meter, Höhe: 1,41 Meter, Radstand: 2,50 Meter

2,0-l-Vierzylinder-Ottomotor mit Benzineinspritzung und KKK-Turbolader, 125 kW/170 PS, maximales Drehmoment: 240 Nm bei 4.000 U/Min, 0-100 km/h: 7,1 s, Vmax: 211 km/h, Fünfgang-Getriebe

Ehemaliger Neupreis: 18.720 Mark (1973)

Heutiger Marktpreis nach Classic Data

Note 1: 110.000 Euro
Note 2: 82.200 Euro
Note 3: 63.300 Euro

BMW M2 Clubsport – Technische Daten

Coupé der Kompaktklasse, Länge: 4,46 Meter, Breite: 1,87 Meter, Höhe: 1,41 Meter, Radstand: 2,69 Meter

3,0-l-Reihensechszylinder-Ottomotor mit Direkteinspritzung und doppelter Turboaufladung, Leistung: 331 kW/450 PS, maximales Drehmoment: 550 Nm bei 2.350 U/Min, 0-100 km/h: 4,2 s, Vmax: 280 km/h, Sechsgang-Getriebe, Durchschnittsverbrauch: 10,2 l/100 km, CO2-Ausstoß: 233 g/km, Grundpreis: ab 92.605 Euro

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