BMW 420i
Vernunft, das hört sich doch immer ein wenig nach Verzicht an. Beim BMW 420i verzichtet man tatsächlich – auf Leistung, Drehmoment und Power. Dafür gewinnt man an Souveränität.
Was muss ein Sportcoupé eigentlich können? Wenn es schnell sein soll, reichten dann 240 km/h Spitze und eine Spurtzeit auf 100 km/h von 7,5 Sekunden? Wenn es auch gut aussehen soll, genügt eine zeitlos gestaltete Karosserie mit harmonischen Linien aber sehr auffälliger Front? Wenn es einigermaßen erschwinglich sein soll, reichen dann 47.300 Euro Grundpreis plus jede Menge Möglichkeiten für Extras nicht sowieso schon aus? Wer alle diese Fragen mit ja beantwortet und sich auch den (wenigen) Wettbewerb genau anschaut, wird recht häufig bei diesem Modell landen: dem BMW 420i.
Viel PS, hoher Preis
Ja genau, unser Testwagen, das war nur das Basismodell dieses Ende vergangenen Jahres in zweiter Generation auf den Markt gekommenen Mittelklasse-Coupés. Und natürlich geht bei BMW auch in dieser Baureihe viel, viel mehr. Gerne bis zu 510 PS und knapp 90.000 Euro. Aber (noch) schöner wird der 4er durch mehr Leistung nicht. Eher schon überzeugt gerade der 420i durch seine schlichte, zeitlose Eleganz. Unser Testwagen wird auch noch in zehn oder zwanzig Jahren toll aussehen. Gerade dann, wenn uns nur noch die ach so futuristisch gestalteten Elektroautos angeboten werden. Wir nehmen gerne noch Wetten an.
Bleiben wir doch noch einen Moment beim Design. Die neue Doppel-Niere vorn ist schon gewöhnungsbedürftig. Aber – auch das jede Wette – darüber spricht in zwei Jahren niemand mehr. Doch wir müssen zugeben, auch wir konnten uns während des zweiwöchigen Tests nie vollends an die exaltiert gestaltete Front gewöhnen. Richtig schlecht fanden wir den Auftritt allerdings auch nicht. Okay, das hilft Ihnen jetzt auch nicht weiter.
Gewohnt schnell
Über der Niere fängt natürlicherweise die Motorhaube an und unter dieser arbeitet der Basismotor dieser Baureihe, ein 2,0-Liter-Turbobenziner. Für einen BMW sind 184 PS nicht gerade füllig, aber das Aggregat reicht eigentlich völlig aus. Vmax und Spurtfähigkeit wurden schon erwähnt. Die 300 Newtonmeter Maximal-Drehmoment liegen von knapp über Leerlaufdrehzahl bis 4.000 Umdrehungen an, also in einem Bereich, in dem man sich überwiegend auch befindet. Tatsächlich fehlt Leistung eigentlich nie, es sei denn, man hat es auf der Autobahn besonders eilig. Es sei denn, man ist beispielsweise gerade aus einem M4 Competition umgestiegen. Jene Variante mit den erwähnten 90.000 Euro Grundpreis. Das Bessere ist ja immer der Feind des Guten. Aber wir wollen uns mit dem Guten begnügen.
Dazu gehört auch die bekannt-formidable Achtgang-Automatik, die hier genauso aufmerksam ihren Dienst verrichtet, wie in jeder teureren Variante. Das Fahrzeug ist zudem straff, aber nicht hart gefedert, geht dafür traumhaft sicher in jede Kurve und bleibt trotz Hinterradtriebs jederzeit stabil und berechenbar. Apropos: Wer Allrad will, muss mindestens zum 440i xDrive greifen und dafür an die 70.000 Euro hinlegen.
Preislich okay
Muss nicht sein, wir gönnen uns lieber für einige tausend Euro Optionen, etwa Navigation und auch gerne das Laserlicht. Klar, dass man mit einem „nackten“ 420i für knapp über 47.000 Euro auch nicht glücklich wäre. Wir würden eher mit 55.000 bis 60.000 Euro kalkulieren.
Schwächen? Natürlich. Ein perfektes Auto gibt es nicht. Bauartbedingt ist der Platz hinten eng, der Einstieg nicht einfach. Die langen Türen machen den Aus- oder Einstieg auf dem Parkplatz oder in der Garage manchmal zur Qual. Bald kommt der 4er als Gran Coupé, dann gibt es vier Türen. Da ist viel praktischer, sieht aber auch nicht mehr ganz so hinreißend aus. Wer sehr selten Menschen hinten mitnimmt, einen gesunden Rücken hat und zumindest Zuhause genug Platz zwischen Auto und Wand, dem würden wir unter ästhetischen Gesichtspunkten zum „normalen“ Coupé raten.
Sprachsteuerung verbessert
Stärken? Neben dem Design, dem ausreichend kräftigen und in der Praxis hinreichend sparsamen Antrieb (6,3l Norm, Test: 7,1l) gehört dazu natürlich das BMW-Bedienkonzept, dank Dreh-Drück-Stellers immer noch das durchdachteste und intuitivste auf dem Markt. Und auch die Sprachsteuerung ist inzwischen im Premium-Bereich angekommen.
Der 2013 lancierten und im vergangenen Jahr abgelösten ersten 4er-Generation wurde häufig vorgeworfen, eigentlich nur ein 3er mit zwei Türen weniger zu sein. Das hat BMW nun überraschend konsequent geändert. Nicht nur optisch, baut er doch fast 6 Zentimeter flacher als eine 3er-Limousine. Für den sportlicher gestalteten Alltag sind die 2,3 Zentimeter breitere Hinterachse mit serienmäßig voll variabler Differentialsperre natürlich viel wichtiger. Und der mit 2,1 Zentimeter deutlich tiefere Schwerpunkt. Kurven werden so zum Vergnügen und der Optik schadet es sowieso nicht. Braucht es also mehr als dieses Fahrzeug? Wir meinen nein, zumindest, wenn man unter einem Coupé nicht einen verkappten Sportwagen verstehen will.
Technische Daten
Zweitüriges, viersitziges Coupé der Mittelklasse; Länge: 4,77 Meter, Breite: 1,85 Meter (mit Außenspiegeln: 2,08 Meter), Höhe: 1,38 Meter, Radstand: 2,85 Meter, Kofferraumvolumen: 440 Liter
2,0-Liter-Turbobenziner, 135 kW/184 PS, maximales Drehmoment: 300 Nm bei 1.350 bis 4.000 U/min, Achtgang-Automatik, Heckantrieb, 0-100 km/h: 7,5 s, Vmax: 240 km/h, Normverbrauch: 6,3 Liter (WLTP), CO2-Ausstoß: 143 g/km (WLTP), Abgasnorm: Euro 6d, Effizienzklasse: A, Testverbrauch: 7,1 Liter/100 Kilometer
Preis: ab 47.300 Euro
Kurzcharakteristik
Warum: wunderbares Design, angenehmer Motor, geringer Realverbrauch, sehr gutes Bedienkonzept
Warum nicht: die großen Türen stören im Alltag schon, über die Niere lässt sich trefflich streiten, über die Preise auch
Was sonst: Audi A5 40 TFSI, Mercedes C 200 Coupé
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