Mit dem BMW i3 im Drift – Quer-Spannung

Von wegen lustlose Öko-Mobile! Wer schon mal mit einem Elektroauto unterwegs war, weiß, dass die Stromer nicht nur für ein grünes Gewissen, sondern auch für eine gehörige Portion Fahrspaß sorgen. Zumindest in Teilbereichen. Anders als beim Verbrenner, der Leistung und Drehmoment in ausreichender Menge erst ab einer gewissen Drehzahl bereitstellt, kann beim Elektromotor quasi die komplette Kraft aus dem Stand weg abgerufen werden. Knackige Kavalierstarts an der Ampel und souveräne Überholmanöver sind selbst mit den kleinsten Stromern kein Problem. Bei den meisten E-Autos ist der Spaßfaktor aber eher Nebeneffekt, hauptsächlich sind sie grundsolide Stadtmobile. Umso überraschter waren wir, als BMW zur Drift-Experience bat – mit einem i3.

Zugegeben, der kleinen Karbon-Kiste trauen wir ja einiges zu, nicht aber, dass sie im Walzerschritt durchs Gelände schunkelt. Genau das aber will Rauno Aaltonen beweisen. Wenn einer den i3 quer kriegt, dann der finnische Rallye-Professor, der das Driften wahrscheinlich noch besser beherrscht als das kleine Einmaleins. Also geht es mit Rauno auf den Weg, zu einer Wald-und-Wiesen-Rallyestrecke, gut zwei Stunden von seiner Heimatstadt Turku an der finnischen Westküste entfernt. Der Abenteuerspielplatz im Niemandsland lockt zahlreiche Motorsport-Fans, die hier ihre in der Regel selbst umgebauten Rallye-Kisten durchs Gelände treiben. Wo sonst lautes Motorengebrüll den Ton angibt, will der Großmeister zeigen, dass man auch mit dem lautlosen BMW i3 Fliegen auf der Seitenscheibe sammeln kann.

Wo sonst lautes Motorengebrüll den Ton angibt, wirbelt der i3 nur leise Staub auf

Selbst ein Profi wie Aaltonen kriegt diesen BMW aber nicht so ohne weiteres quer. Am Untergrund liegt’s nicht, die Schotterpiste bietet die besten Voraussetzungen. Doch der geringen Reibung steht ein äußerst talentiertes Stabilitätssystem entgegen, dass den i3 durch gezielte Bremseingriffe immer wieder auf Kurs bringt und im Zweifelsfall die Motorleistung so weit drosselt, dass an ein Übersteuern gar nicht mehr zu denken ist. Das Problem: Im i3 kann man das ESP nicht ausschalten. Oder besser gesagt, der Kunde kann es nicht.

Selbst ein Profi wie Aaltonen kriegt diesen BMW aber nicht so ohne weiteres quer.

Mit der richtigen Software und ein paar wenigen Tastenklicks überlistet der mitgereiste BMW-Ingenieur aber die Technik und sperrt den elektronischen Wachhund in den Zwinger. Die kleine, gelbe Kontrollleuchte bescheinigt den Erfolg des Hacker-Angriffs, Rauno reibt sich schon die Hände: „Jetzt geht’s los!“ Forsch tritt der Finne das Strompedal durch, und schon beim Anfahren hinterlässt die fehlende Sicherheitstechnik sprichwörtlich Spuren – und zwar im Schotter. 250 Newtonmeter Drehmoment fallen unverhofft über die Hinterräder her, die sich erstmal in den weichen Untergrund wühlen, ehe sie die Kraft in Vorwärtsdrang verwandeln.

Der Kurs ist nicht gerade großzügig, die Passagen im Wald sind unübersichtlich und das Licht-und-Schattenspiel, das die Sonne durch die Bäume zaubert, macht es auch nicht leichter, den richtigen Kurs zu finden. Mit eingeschaltetem ESP war das kein Problem: Rechter Fuß aus Fahrpedal und los. Jedes kleinste Zucken des Hecks hat die Technik auf den Plan gerufen und als führen wir auf bestem Asphalt, haben wir die Strecke quasi auf der Ideallinie umrundet – mit einer Hand am Lenkrad und locker parlierend. Diese Gemütlichkeit ist – zumindest bei uns – inzwischen einer spürbaren Anspannung gewichen. Rauno lenkt nur leicht ein, gibt Gas und das Heck versucht das Auto zu überholen. Im perfektem Drift geht es um die Kurve, der Altmeister beherrscht das Zusammenspiel aus Gasgeben, Bremsen und Gegenlenken im Schlaf. Kaum einen Meter der Strecke legen wir geradeaus zurück, die Frontscheibe hätte man getrost auch überkleben können.

Im i3 steckt enormes Spaßpotenzial

Zurück am Ausgangspunkt springt Rauno aus dem Auto und ruft ein fröhliches „Und jetzt Du!“ zu. Leicht blass geht auf den Fahrersitz, bin froh, dass ich jetzt auch noch das Lenkrad zum Festhalten vor mir habe. Wohlwissend was im gepimpten i3 steckt, rolle ich langsam los und Rauno gibt mir noch ein paar Profi-Tipps. Die aber lösen sich gleich in der ersten Kurve mit einer Drehung um die eigene Hochachse in Staub auf. Spätestens jetzt ist mir klar, warum der Kunde das ESP nicht ausschalten kann.

250 Newtonmeter Drehmoment fallen unverhofft über die Hinterräder her, die sich erstmal in den weichen Untergrund wühlen

Aber mit jedem Meter mehr merke ich auch, das noch viel mehr Spaßpotenzial in der kleinen Öko-Kiste steckt, als man beim flotten Ampelstart erahnen kann. Den richtigen Dreh hab ich mit Raunos Hilfe schnell raus und der BMW nimmt Kehre für Kehre ein bisschen querer. Der i3 macht es einem aber auch einfach: „Hinterradantrieb, sofort abrufbare Kraft und der wegen der Akkus extrem tiefe Schwerpunkt sind die idealen Voraussetzungen zum Driften“, schwärmt Aaltonen und spekuliert, dass der Münchner in der Rallye-Meisterschaft gute Chancen auf einen Titel hätte – wenn ihm nicht alsbald der Strom ausginge. Denn effizient ist die Querfahrerei in keinerlei Hinsicht, und schon nach wenigen Runden beendet die Ladestandsanzeige das Driftvergnügen schon wieder. Was bleibt, ist die endgültige Gewissheit, dass Elektroautos – zumindest mit ausgeschaltetem ESP – mehr können, als man annehmen könnte. Auch wenn diese Erkenntnis im Alltag nicht wirklich weiterhilft. (Michael Gebhardt/SP-X)

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