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Ein frei saugender V8 mit Hochdrehzahlkonzept – Chevrolet schenkt der Corvette Z06 mit dem LT6-Motor einen einzigartigen aber vermutlich letzten Auftritt, eines “frei saugenden V8-Motors”.
Der LT6-Motor, der die neue C8 Corvette Z06 im Jahr 2023 antreiben wird, ist so revolutionär wie der LS1-Motor bei seiner Einführung im Jahr 1997 war. Wir schauen uns hier mal das Innenleben des LT6-Motors und seine Spezifikationen ein wenig genauer an.
Die Definition des amerikanischen Supersportwagens
“Die neue Corvette Z06 definiert den amerikanischen Supersportwagen“, sagte General Motors Präsident Mark Reuss. “Sie baut auf dem unverwechselbaren Design und der bahnbrechenden Dynamik auf, die mit der Mittelmotor-Corvette eingeführt wurden, und steigert sie, um eine raffinierte, aber kompromisslose Rennstreckenfähigkeit mit Weltklasseleistung zu bieten.”
Die Corvette Z06 zeichnet sich durch ihr motorisches Herz aus: Der brandneu entwickelte 5,5-Liter-DOHC-LT6, der leistungsstärkste V8-Saugmotor, der je in einem Serienfahrzeug auf den Markt kam. Werfen wir einen Blick auf die Technik des neuen V8-Triebwerkes. Eines ohne Aufladung und vermutlich einer der letzten V8-Motor die entwickelt werden.
Die 2023 Z06 ist ein Supersportwagen für alle, die nicht zu viel Geld für einen Supersportwagen ausgeben möchten. Sicher, mit den rund 85.000 Dollar (Preis in den USA) für das Basismodell ist auch eine Z06 nicht billig – nicht im Sinne von “günstig” – aber wenn man bedenkt, dass die Corvette auf einer Stufe mit Porsche, Ferrari und CO und dergleichen steht, ist sie sicherlich als Schnapper unter den Supersportwagen zu sehen. Es gibt hunderte Geschichten darüber, was für ein erstaunliches Stück Technik die C8 Z06 ist, aber hier geht primär über den Motor. Um das wild pochende Herz der jüngsten Corvette. Dem Antrieb der aus Leistung Leidenschaft macht.
Neuer Einbauort – bereits daran gewöhnt?
Wie mittlerweile jeder auf dem Schulhof weiß, befindet sich das Triebwerk der C8 Z06 hinter dem Fahrer – eine große Veränderung für die Corvette, ein cleverer Schachzug der Entwickler. Bietet diese Einbaulage doch eine Menge an Vorteilen in Bezug auf Fahrgefühl, Fahrperformance und Rennstrecken-Handling. Nun hat Chevrolet beschlossen, auch beim Motor der Z06 alle Register zu ziehen. Was ist am neuen Triebwerk, dem LT6 so besonders?
Nun, ganz oben auf der Liste steht die Kurbelwelle des LT6 mit 180°-Kröpfung (im Gegensatz zur Kurbelwelle des LS und des vorherigen LT mit cross-plane-crank). Diese so genannte “flat plane crank” verändert unter anderem das gesamte Klangspektrum des Triebwerkes. Aber eben nicht nur. Obwohl die Kurbelwelle viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, hat der LT6 weit mehr zu bieten als nur eine (für einen amerikanischen V8) eher ungewöhnliche Kröpfung in flat plane crank Ausführung. Da wäre zum Beispiel der komplett neue Aluminiumblock, der nach wie vor die für die Small-Block-Familie typischen 4,4-Zoll-Bohrungsabstände aufweist. Oder das neue Layout mit zwei oben liegenden Nockenwellen und vollständig CNC-gefrästen Brennräumen und Einlasskanälen. Hinzu kommen der mechanische “Finger”-Ventiltrieb und die doppelt gelagerten-Ventilfedern mit Einlass- und natriumgefüllten Auslassventilen aus Titan. Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, dann erinnern Sie sich wahrscheinlich an die Ventile des LS7-Motors. Nun, sie haben sich die nahezu perfekte Leistung dieses Motors mit geschmiedeten Kolben und Pleuelstangen aus Titan zu eigen gemacht.
Wie viel Leistung bringt der LT6-Motor der 2023 Z06?
Wenn man das alles zusammenzählt, erhält man den stärksten Saugmotor, der jemals in eine Corvette eingebaut wurde: 670 PS bei 8.400 U/min (mit einem Drehzahlbegrenzer bei 8.600 U/min) und 625 Nm bei 6.300 U/min sollten genug sein, um sich aller Aufmerksamkeiten auf dem Schulhof der Supersportler gewiss zu sein. Und nein, die 8.600 Umdrehungen pro Minute waren kein Tippfehler, dank der superleichten Rotationskörper, dem kurzen Hub und den überquadratischen Zylindern dreht dieser US-V8 in der Tat völlig ungehemmt bis hoch auf 8.400 Umdrehungen pro Minute.
Während dieser LS6-Motor ganz neu” und frisch auf der Bildfläche erscheint, ist es in Wahrheit so, dass eine Version dieses Motors bereits seit 2019 die Corvette C8.R-Rennwagen antreibt. All diese Tests auf der Rennstrecke haben den Ingenieuren geholfen, die Leistung und Haltbarkeit des LT6 zu verfeinern. Als wir zum ersten Mal von der C8.R hörten und herausfanden, dass sie mit einer Flat-Plane-Kurbel angetrieben wird, spekulierten wir vor über anderthalb Jahren, dass GM aufgrund der Regeln für Chevrolet Racing diesen Motor in einem Serienfahrzeug einsetzen müsste, und wir setzten auf die Z06. Wir hatten Recht.
Wenn Sie ein scharfes Auge haben und sich im Motorraum der Z06 umsehen, werden Sie kleine Raumschiffe finden, die in verschiedene Teile eingegossen sind. War das ein Insider-Witz darüber, dass die neue Corvette Z06 im Jahr 2023 eine Rakete sein wird? Nun, das wäre eine gute Vermutung, aber in Wirklichkeit war es das Designteam, das der LT6-Motorenfamilie den Spitznamen Gemini gab. Dies ist auf die Verwendung von zwei 87-mm-Drosselklappen, zwei Nockenwellen, zwei Hochdruck-Kraftstoffpumpen und anderen coolen Teilen zurückzuführen. Schön zu sehen, dass sie bei GM immer noch Spaß haben.
Wie funktioniert der aktive Ansaugkrümmer des LT6-Motors der Corvette Z06 2023?
Der neue aktive 11-Liter-Saugkrümmer ist ein weiteres technisches Wunderwerk. Aktiv? Ja, aufgrund der Zündfolge der neuen Kurbelwelle ergeben sich Leistungsvorteile durch eine physikalische Methode namens Resonanzaufladung. Diese volumetrische Effizienz wird durch eine Reihe von drei Ventilen genutzt, die die beiden Ansaugräume verbinden. Diese öffnen sich in unterschiedlichen Kombinationen, um die Wirkung der Druckwellen innerhalb des Saugrohrs oder zwischen den beiden Kammern zu variieren. Wenn sich eines der 32 Ventile schließt, wird eine Druckwelle erzeugt, die sich durch den Ansaugkanal nach oben bewegt. Wenn man den Zeitpunkt “richtig” wählt, wird diese Welle wieder nach unten reflektiert, während das Einlassventil geöffnet ist. Diese zurückkehrende Welle rammt ein bisschen mehr Luft in die Party, was ein bisschen mehr Leistung bringt. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, googeln Sie “Helmholtz-Resonanz-Effekt“, das ist das gleiche Prinzip.
Wie einzigartig ist der Auspuff der 2023 Z06?
Ein neuer Motor erforderte einen neuen Auspuff. Der schwierige Teil bei einem Flat-Plane-Kurbelmotor ist, dass er wie zwei wütende Vierzylindermotoren nebeneinander klingen kann; das ist ein Problem, dass nicht mit einem einfachen X-Rohr oder einem anderen Crossover-Rohr gelöst werden kann. Um den Sound richtig hinzubekommen, ein Prozess, der zwei Jahre dauerte, begann man mit den einzigartigen Vier-auf-zwei-auf-einem-Edelstahl-Auspuffkrümmern. Gleich lange Rohre münden in ein einzigartiges und hochgradig abgestimmtes System, das sich durch Schalldämpfer schlängelt, die in den Ecken des Autos platziert sind, und in der Mitte durch parabolische Reflektoren austritt, die die Musik des LT6-Motors in den Innenraum der Z06 schicken. Wie andere GM-Modelle hat auch die Z06 einen aktiven Auspuff, der alle Tonalitäten von Rennstrecken-laut bis zu unauffällig leise beherrscht. Das Ergebnis ist ein Ferrari-ähnlicher Schrei, aber mit einem etwas tieferen Ton. Die Tuning-Assistenten von Chevrolet haben eine Verzögerung für die direkten Einspritzdüsen eingestellt, um ein paar zusätzliche Rülpser und Knallgeräusche bei Überdrehzahl zu erzeugen, aber nur, wenn Sie den Fuß auf dem Gaspedal haben. Schließlich ist zu viel des Guten manchmal immer noch zu viel.
Funfact: Als die Pandemie GM lahmlegte, wurde die Arbeit eingestellt, aber die Computer überprüften immer wieder das Design der Auspuffanlage, bis sie die Lösung mit dem Mittelauslass fanden. Der Sound wurde von allen geliebt, aber die Neugestaltung der Heckschürze, um die mittig montierten Auspuffendrohre unterzubringen, kostete Millionen, am Ende war es jedoch jeden cent wert.
Wie groß ist die Abweichung von der “Norm” der früheren LS- und LT-Motoren? Nun, abgesehen von dem, was wir bereits erwähnt haben, ist der Anlasser im hinteren Teil des LT6-Triebwerks unter dem Ansaugtrakt angebracht, während die Lichtmaschine im selben Bereich, aber vor der den Ansaugkammern untergebracht ist. Der Bereich zwischen den Zylinderbänken ist ziemlich eng, da dort auch die beiden Hochdruck-Kraftstoffpumpen mit Nockenwellenantrieb (optimiert für den Betrieb bis 9.000 U/min) untergebracht sind. Eine weitere Besonderheit im Vergleich zu früheren Motoren sind die Einspritzdüsen, die seitlich unter den Auslassventilen angebracht sind. Dadurch wurde nicht nur Platz für den riesigen aktiven Ansaugtrakt geschaffen, sondern der Kraftstoff wird auch besser gemischt.
Der LT6-Motor wird von den Experten im Performance Build Center des Montagewerks in Bowling Green, Kentucky, von Hand zusammengebaut. Die Monteure arbeiten mit Präzisionswerkzeugen und passen die Teile des Motors von Hand an, um die genauen Spezifikationen von Chevrolet zu erfüllen. Jeder Motor trägt eine Plakette auf dem Ansaugkrümmer mit der Unterschrift des Technikers, der ihn von Anfang bis Ende gefertigt hat.
Öl ist Leben, und für einen Motor, der für den harten Einsatz auf der Rennstrecke konzipiert wurde, ist ein robustes Ölsystem von größter Bedeutung. In diesem Bereich hat der LT6-Motor viel von seinem rennsporttauglichen C8.R-Vetter gelernt. Jedes Kolbenpaar ist hermetisch von den anderen Kolben abgeschottet, so dass die Luft unter den Kolben nur mit minimalen Pumpverlusten hin- und herströmt. Die sechsfache Ölpumpe, die sich über die gesamte Länge des LT6 erstreckt, spült jedes Fach zusammen mit den Zylinderköpfen und benötigt 14 PS für den Betrieb. Das System greift auf 10 Liter 5W50 zurück und der große Öl-Kühler ist im hinteren Ansaugtrakt auf der Fahrerseite untergebracht. Laut Chevrolet sollten die Temperaturen an einem Renntag zwischen 250 und 265 Grad liegen.
Was ist eine Flat-Plane-Kurbel?
Bei der Umsetzung eines V8-Motors stehen zwei grundsätzliche Kurbelwellen-Designs zur Disposition: Cross- und Flat-Plane. Meistens dominieren Cross-Plane-Kurbeln, vor allem bei amerikanischen V8-Motoren, während Flat-Plane-Kurbeln typischerweise in hochwertigen europäischen Exoten und Rennwagen zu finden sind. Cross-Plane-Kurbeln verleihen amerikanischen Muscle-Cars ihr unverwechselbares Rumpeln, während Flat-Plane-Kurbeln bei hohen Drehzahlen ein leises Heulen von sich geben. Aber hinter diesen Kurbeln steckt mehr als nur ihr Auspuffton.
Flat-Plane-Kurbeln in V-8- und V-12-Motoren waren früher eher selten und nur in sehr teuren Super- und Hypercars zu finden. Sie sind der Grund dafür, dass man bei einem Renntag immer erkennen konnte ob sich da ein Ferrari zu Drehzahlorgien aufrafft. Wie der Name schon sagt, befinden sich bei einer Flat-Plane-Kurbel alle Kurbelzapfen in einer einzigen, flachen Ebene. Das ist ähnlich wie bei einer 4-Zylinder-Reihenkurbel, aber mit mehr Platz für mehr Pleuel.
Haben Flat-Plane-Kurbeln Probleme mit Vibrationen?
Flat-Plane-Kurbeln wechseln unabhängig von der Zündfolge immer von Bank zu Bank. Dadurch wird eine optimale Abgasspülung erreicht, und es sind keine komplizierteren Krümmer-Primärteile erforderlich, die von einer Bank zur anderen übergehen müssen. Aufgrund ihrer Konstruktion benötigen sie keine großen Gegengewichte, weshalb sie weniger wiegen und schneller hochdrehen. Der Nachteil ist, dass sie unter Sekundärvibrationen leiden.
Chevy löste das Vibrationsproblem beim LT6-Motor durch Minimierung der Kolbengeschwindigkeiten, indem er sich für eine große 4,11-Zoll-Bohrung und einen kurzen 3,15-Zoll-Hub entschied. Das Ergebnis ist eine Kolbengeschwindigkeit von 165 km/h bei der Drehzahl (der 5.2L im Shelby Mustang hat zum Beispiel eine Kolbengeschwindigkeit von 184 km/h). Die Vibrationen wurden auch durch die Verwendung von Titan-Kolbenstangen des österreichischen Unternehmens Pankl Racing Systems reduziert. Auch die Aluminium-Ausgleichswelle hilft bei der Bekämpfung der Flat-Plane-Kurbelwellenvibrationen. Es gibt immer noch einige Vibrationen, aber nichts, was dem Auto, dem LT6 oder der Mission der Corvette Z06, die böseste Corvette aller Zeiten zu sein, schaden könnte.