„Was uns an der sichtbaren Schönheit entzückt, ist ewig nur die unsichtbare.“ Ein Zitat der österreichischen Schriftstellerin Maria von Ebner-Eschenbach. Hier auf den Passstraßen der Alpen, unterwegs im Audi RS7 zählt dieses Zitat doppelt. Der Audi A7 ist in meinen Augen die derzeit schönste Form die in den Presswerken der Audi AG hergestellt wird. Als RS7 verbirgt sich jedoch der größte Teil der Schönheit noch unter dem Blech, versteckt.
Audi RS7
Gefahren auf der Audi Alpen Tour 2013
Der erste Eindruck:
Die Verwandlung des A7 zum RS 7 vollzieht sich wie die Verwandlung einer attraktiven Frau, die zuvor nur durch den Glanz ihrer eigenen Schönheit strahlte und nun wie Aschenputtel herausgeputzt im Abendkleid auf ihren großen Auftritt wartet.
Der Audi RS7 wirkt nicht so vulgär sportlich wie ein Audi R8, nicht so ordinär wie ein RS5, der RS7 strahlt eine Form von Ästhetik aus, die vollendete Schönheit mit kraftvoller Dynamik verbindet. Kein „Hau drauf-Charakter“. Die 275 Millimeter breiten Reifen strecken sich auf ihren 21 Zoll großen Felgen, lassen die großen Radhäuser minimalistisch erscheinen. Der Daytonagraue Lack im Matteffekt lässt die Konturen der A7-Karosse zur Geltung kommen, wie ein maßgeschneidertes Abendkleid an einer sportlichen Schönheit.
Gäbe es eine Alterskontrolle für Automobile jenseits der Frage nach dem Führerscheinfähigen Alter, der RS7 wäre ganz klar ein Fall für die Triple-X-Ecke. Zu sexy, zu sportlich. Eine Verführung die noch vor einigen Jahrzehnten von der Kirche als unmoralisch gebrandmarkt worden wäre.
So fährt er sich:
Ich habe keine Kraft dieser Versuchung zu widerstehen. Nein, ich will dieser Verführung nicht widerstehen. Ach verflucht, ich habe diese Verführung herbeigesehnt!
Die Sportsitze umschmeicheln mich, das Dreispeichen-Sportlenkrad liegt verführerisch in der Hand, selbst der Dachhimmel schmeichelt mit weichem Alcantara. Sportlicher Luxus? Das muss damit gemeint sein. Der Innenraum des RS7-Testwagens auf der „Audi Land of quattro Tour“ dürfte auf der Aufpreisliste allerlei kostenpflichtige Häkchen verursacht haben. 150.000 € sind so schneller erreicht. Ein Basispreis von guten 114.000 € dürfte für den Käufer dieser vierrädrigen Sünde nur der Startpunkt sein.
Knopf drücken – Engine start.
Kurz bellt der vier Liter große V8-Bi-Turbo auf, dann verfällt er in einen ruhigen, sonoren brabbelnden Leerlauf. Es ist die oft beschriebene Ruhe vor dem Sturm, die sich im Innenraum breit macht. Der Berg ruft, es ist für mich der Tag 1 bei der „Alpen Tour“ und die Etappe führt von Interlaken nach Meran und hinauf auf den Sustenpass.
Die roten LED-Segmente im Drehzahlmesser verraten die Bereitschaft des 560 PS starken Aggregates. Warm fahren lauten die Devise an diesem frischen Oktobermorgen in den Alpen. Und nach und nach geben die roten Leuchtpunkte das gesamte Spektrum des Drehzahlmessers frei. Ich bin bereit für das Rendevouz mit dem RS7 – und auch die Dame im sportlichen Abendkleid hat sich warm gefahren.
3.ter Gang, Vollgas aus dem Drehzahlkeller. Der vier Liter V8 gurgelt, er fängt an Druck aufzubauen und dann schiebt er los – weniger als ein Wimpernschlag ist vergangen und die 700 Nm drücken ihre gesamte Kraft in das Achtstufengetriebe. 60% der Kraft spurten in Richtung Hinterachse, der RS7 lässt sich durch die ersten Kurven des anstehenden Passes zirkeln. Quattro untersteuern? Nicht mehr seitdem das Kronenrad-Differential für die hecklastige Momentenverteilung sorgt. Und an der Hinterachse sorgt das Sport-Differential für ein zusätzliches Lenkmoment. Der RS7 frisst sich förmlich in die Kurve.
Auch dank der massiven 275er Bereifung auf der Vorderachse (Pirelli P-Zero!) lässt sich das nervende untersteuern der frühen quattro-Tage fast vollständig vermeiden. Der RS7 will nicht einfach nur die lange Gerade entlang sprinten – er will von Kurve zu Kurve getrieben werden.
Massive 390 Millimeter große Keramik-Bremsscheiben stauchen den immerhin 1.920 Kilogramm schweren RS7 auch Berg ab und vor der letzten Kehre des Tages kräftig zusammen. Bremsenfading? Gibt es nicht.
Der RS7 verspricht eine sündige Tour ohne Handicap.
Auf den Alpenpässen und den Autobahnen der Schweiz und Österreichs nur ein theoretischer Wert: 305 km/h. Wer das über 11.000 € teure Dynamik-Plus Paket wählt, der lässt die 250 km/h Begrenzung hinter sich und setzt die V-Max auf 305 km/h hoch.
Ein surrealer Wert, wenn man auf den Alpenpässen mit einem Durchschnitt von 70 km/h bereits die Grenzen der Physik erreicht.
Doch ist das nicht die Aufgabe einer Verführung? Ganz nah ran an die Grenzen des machbaren gehen? Der RS7 verkörpert die Lust am Spiel mit dem Feuer, eingepackt in einer sündvoll schönen Hülle.
Fa(hr)zit:
Wenn ich mich zwischen zwei Sünden entscheiden muß, entscheide ich mich immer für die, die ich noch nicht kenne. Ein Zitat von Mae West und diese Frau wusste wovon sie sprach.
Im Falle des Audi RS7 entfällt die lästige Qual, sich zwischen zwei Sünden zu entscheiden, denn der RS7 verkörpert gleich zwei Extreme: Pure Ästhetik und monumentale Kraft.
Technische Daten:
Hersteller: | Audi |
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Modellname: | RS7 |
Karosserievariante: | Fließheck-Limousine |
Motor: | V8 Benzindirekteinspritzer-Turbo |
Getriebe: | Achtgang-Automatik m. Wandler |
Antrieb: | Kronenrad-Quattro Allrad |
Hubraum: | 3.993 ccm |
Leistung: | 560 PS bei 5.700 bis 6.600 U/min |
Drehmoment: | 700 Nm bei 1.750 bis 5.500 U/min |
Von 0 auf 100 km/h: | 3,9 Sekunden |
Höchstgeschw.: | 305 km/h |
Verbrauch nach Norm: | 9.8 Liter / 100 km |
CO2-Ausstoß nach Norm: | 229 g/km |
Testverbrauch: | jenseits der 20l/100km |
Räder: | 275/35-20 optional 21″ |
Leergewicht: | 1.920 kg |
Länge, Breite, Höhe: | 5012 / 1911 / 1419 |
Lustfaktor / max 10 Punkte: | 10 von 10 |
Preis: | ab 114.500 |