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Der letzte Tango in Paris

Es war ein ehrenwerter Versuch, doch er ist krachend gescheitert: Für mehr als einen Totentanz hat es beim Pariser Automobil Salon nicht gereicht. Wer jetzt noch an Automessen glaubt, der wartet auch aufs Christkind. Für die nächste IAA jedenfalls ist die Mondial de l’Automobile kein gutes Omen.

Leer und ein wenig traurig: die traditionsreiche Automesse in Paris

Dieser Stand ist gleich in doppelter Hinsicht charakteristisch für den Pariser Autosalon des Jahres 2022: Wer sich den Machina in Halle 4 anschauen will, der sieht erst einmal gähnende Leere: Ein Areal, so groß wie zwei Tennisplätze, blütenweiß und jungfräulich rein und in der Mitte nur ein einziges Auto – was man dem Newcomer noch als kreativen Messebau durchgehen lassen könnte, das ist symptomatisch für diese Autoshow.

Nachdem der Veranstalter mehr Absagen kassiert hat als Anmeldungen, hat es nicht gereicht, die Hälfte der Hallen zu sperren. Die drei lächerlichen Hallen, die am Ende offengeblieben sind, sind auch noch so luftig befüllt, dass sogar Social Distancing leichtfällt: Wo man sich noch vor vier Jahren gegenseitig durch die Gänge geschoben hat, flaniert man jetzt lässig durch breite Alleen, an denen gelegt gelegentlich mal ein neues Auto abgestellt ist. Nur dass man diesmal nicht über weichen Teppich schreitet, sondern zumeist über den blanken Beton. Zumindest dagegen ist die Bühne für den Machina eine Augenweide.

Neben der Tristesse ist es aber auch der Name über dem Stand, der zum Motto der Messe taugt:  Hopium heißt die Firma aus der Normandie, und bringt damit die beiden Zutaten zusammen, die man für eine optimistische Bewertung dieses Salons bracht: Hoffnung (auf bessere Zeiten) und Opium für eine bessere Stimmung, die sich nicht eintrüben lässt von Kriegsängsten und Energienöten, gerissenen Lieferketten und galoppierenden Verbraucherpreisen.

Allein – es gelingt leider nicht. Weil spätestens die kilometerlangen Schlangen an den Tankstellen im Stadtgebiet die Hoffnung auf besser Zeiten eintrübt und Opium auch in Frankreich eine verbotene Droge ist, ist es wahrscheinlich der letzte Tango, den die PS-Branche in Paris tanzen wird und selbst den tanzen hier nur noch ein paar einsame Solisten.

Denn auch die Handvoll Newcomer als China und Vietnam – also namentlich BYD, Ora, WEY und Vinfast – können die Lücken nicht füllen, die die geschlossenen Absagen der deutschen Hersteller, der Japaner und Koreaner in der Manage des Messezirkus reißen.  Und keiner, der sich in den letzten Jahren über irgendeine auch nur ansatzweise autolastige Messe geschleppt hat, glaubt daran, dass sich das noch einmal ändern wird. Wenn sie in München schon jetzt darüber diskutieren, ob sie lieber drinnen in den Hallen am Rande der Stadt ausstellen oder draußen und dafür in der Stadtmitte, dann sollten sie sich die Tristesse am Fuß des Eifelturms anschauen und eine weise Entscheidung fällen – oder die Messe gleich ganz abblasen, so wie es Genf bereits getan hat.

Dabei mangelt es der Messe nicht an Unterstützung. Selbst im notorisch autofeindlichen Paris der Bürgermeisterin Anne Hidalgo bekennt sich der Präsident demonstrativ zur Branche, bittet die Bosse zum Dinner in den Elyssee-Palast und lässt es sich nicht nehmen, als erster Gast über die Stände zu streifen.

Aber wenn selbst von den Franzosen mit Citroën einer der ganz Großen fehlt, und das, obwohl die vielleicht kreativste Marke an der Seine mit dem Oli als Entwurf für ein bezahlbares Familienauto der Generation E das mit Abstand passendster Konzept zur Diskussion hätte stellen können, dann ist das wie die Skyline ohne den Eiffelturm oder wie ein Dinner ohne Digestive.

Natürlich kann man Carlos Tavares dankbar sein dafür, dass er wenigstens für Peugeot mit dem 408, für DS mit den Updates für Siebener und Dreier und vor allem für die Publikumspremiere des Avenger als erstem elektrischen Jeep ein paar Euro hat springen lassen. Doch hat er mit dem Stubenarrest für Citroën und Opel, für Fiat und Alfa, für Maserati und Ferrari eben auch gezeigt, wie wenig wichtig er die Messe wirklich nimmt und einen weiteren Nagel in ihren Sarg getrieben.

Dann schon lieber den Hut ziehen vor Renault-Chef Luca de Meo, der zwar Nissan und Mitsubishi aus seiner Allianz zu Hause gelassen hat, der aber dafür mit Renault selbst, mit Dacia und Alpine und mit der Sharing-Sparte Mobilize gleich vier Marken in Halle sechs geschickt hat, der sechs Weltpremieren vom Nachfolger des Twizy über die Neuauflage des R4 als elektrischem SUV für die Kompaktklasse bis zum ersten Hybriden bei Dacia und vor allem den meisten Bodenbelag auf dem ganzen Salon mitgebracht hat.

Und einen wichtigen Verbündeten hatte er obendrein. Denn keinen geringeren als Staatspräsidenten Emmanuel Macron hat er gleich nach der Pressekonferenz über die Stände geführt, ihm Showcars und Serienautos gezeigt und dabei zumindest kurz ein wenig etwas von jenem Zauber aufkommen lassen, der solche Messen früher ausgemacht hat.

Dumm nur, dass sich beide nicht lange in diesem kleinen Stimmungshoch sonnen konnten. Denn mitten im Rundgang wurde Macron mit der Nachricht von einem bevorstehenden Generalstreik auch schon wieder von der Wirklichkeit eingeholt.

Nach Tanzen stand da deshalb plötzlich keinem mehr der Sinn. Nicht einmal den letzten Tango in Paris.

Benjamin Bessinger/SP-X

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