Es gibt ein Problem, wenn Menschen über ihre Traumautos sprechen. Meist sind das dann klassische Limousinen, wunderschön gezeichnete Sportwagen mit erotischen Formen. Oder Cabriolets, mit denen man, den geliebten Partner an seiner Seite, in den Sonnenuntergang rollt. Gerade bei Klassikern ist die Limousinen-Form obligatorisch. Ein Jaguar Mk2 zum Beispiel, mit langer Schnauze, erotischen Rundungen und einem Greenhouse mit filigranen Blechstelzen, der Hintern, eher rund und dennoch elegant und nah am klassischen Design einer Limousine. Schaut man auf die Jaguar-Modelle der 70 und 80er Jahre, dann stehen aristokratische Limousinen vor einem. Das ändert sich. Denn auch wenn die Menschen am liebsten über den klassischen Style von „früher“ sprechen – kaufen tun sie heute SUVs. Und genau deshalb hat man jetzt bei Jaguar den ersten SUV der Firmengeschichte präsentiert.
Der neue Jaguar F-Pace im ersten Fahrbericht
Miss Moneypenny in Hot Pants
Erstes Aufatmen bei Jaguar Fans. Was Ian Callum, der Direktor für Design bei Jaguar, und seine Truppe auf die Räder gestellt haben, wirkt auf den ersten Blick bereits stimmig. Grimmiges Schlechtreden des SUV-Kaufbooms wird durch das stimmige Design des Jaguar-Derivates kurz ad absurdum geführt.
Und was Porsche kann, will man bei Jaguar auch können. Nur eleganter. Bei dem klassischen Sportwagen-Hersteller haben schon lange die SUV-Modelle vom Schlage Cayenne und Macan die Stückzahl-Führerschaft übernommen. Die Legenden der Marke werden gepflegt. Aber im Alltag gewinnen die SUV-Modelle die Überhand. Doch bei Porsche ruft man bereits beim „kleinen Macan“ einen selbstbewussten Einstiegspreis auf. Auch das will Jaguar besser machen und strickt eine breite Preisspanne. Und so werden Porsche und dazu gleich Audi, BMW und Mercedes in nur einem Schwung zu den Mitbewerbern des neuen Jaguar F-Pace.
Klassisches Rezept
Ein SUV erfüllt heute alle Bedürfnisse. Oder sollte. Zumindest liegen sie voll im Trend. Um das umzusetzen, muss man ein wenig in der Technikkiste kramen. Der F-Pace beruht – und erst so konnte sich Jaguar diesen Extra-Wunsch erfüllen – auf der gleichen Plattform, mit der sich auch XF und XE brüsten. Viel Aluminium, um das Fahrzeuggewicht zu drücken. Mit einem Leergewicht von 1.665 kg fängt man beim F-Pace an. Wobei das wie der Basispreis – auch hier greift man hinunter zu 42.390 € – ein eher theoretischer Wert ist. Denn der F-Pace – Einstieg ist ein 2-Liter Diesel mit 180 PS, Heckantrieb und manueller Sechsgang-Box. Da dürfte sich der Puls nur bei Mietwagen-Piloten erhöhen. Wer sich den F-Pace vor seinen Bauhaus-Bungalow stellt, der greift vermutlich eher zum 3.0 V6 Diesel. Mit 300 PS und 700 Nm kann man sich dann erhobenen Hauptes unter das SUV-Volk mischen. Der Allradantrieb und die 8-Gangbox von ZF ist dann auch schon an Bord.
Miss Moneypenny in Hot Pants
Egal, aus welchem Blickwinkel: Ein SUV sah noch nie so scharf aus. Jaguar hat es tatsächlich geschafft und vereint die treue Seele eines pragmatischen Großserienautomobils mit den scharfen Waffen eines Top-Models. Wer sich für die 22-Zöller entscheidet und das Auto in „italian racing red“ ordert, der zieht Miss Moneypenny die Hot Pants an und präsentiert die treue und hilfreiche Seele des britischen Geheimdienstes als Centerfold-Girl. Das muss man so erst einmal umsetzen. Das Lob gebührt dem Designer Ian Callum.
Am Heck leuchten die Rücklichter im Stile des Jaguar F-Type und an der Front erinnert alles an die modernen Kollegen XF und XE. Dazu die obligatorischen Kühlluft-Nüstern im XXL-Format. Anders geht das einfach nicht. Auch wenn bei den Dieselmodellen nur eine Seite wirklich Luft in Richtung Ladeluftkühler leiten muss.
Die Katze stellt sich auf die Hinterpfoten
F-Pace First Edition 3.0D AWD – Es ist kein Test, wenn man ein paar Stunden auf einem abgesperrten Flugplatz im Kreis oder ein paar Kilometer in der Eifel auf Tour fährt. Dennoch – der 3.0 Liter Diesel mit seinen 700 Nm wirkt sofort, zusammen mit dem 8-Gang Automaten, genau richtig an seinem Platz. So muss sich ein SUV fahren lassen. Druckvoll von unten aus dem Keller, das Automatikgetriebe vom Experten ZF hält dazu immer die richtigen Gänge parat. Es geht geschmeidig ums Eck, das Leergewicht des Testwagens dürfte sich in Richtung 1.9 Tonnen bewegt haben. Als First-Edition waren die 22-Zöller montiert. Herzhaftes Räderwerkzeug. Und dennoch schaut es einfach nur richtig aus.
Dem Fahrgefühl zuträglicher sind allerdings die 20-Zöller. Hier bietet der größere Reifenquerschnitt mehr Abrollkomfort. Denn dieser Jaguar hat mit dem Gelände nichts am aristokratischen Hut. Ein Dynamiker will er sein. Ein Partner für die flinke Hatz über Landstraßen und Autobahnen.
Der Dampf ist dafür vorhanden, einzig die Entscheidung zwischen 300 PS Diesel und 300 PS Diesel muss getroffen werden. Denn die Alternative sind 180 PS, was fast ein wenig „zu wenig“ für einen geborenen SUV-Dynamiker ist und die Benziner mit 340 und 380 PS. Wer sich den Alltag mit dem sexy Briten-SUV verschönern will, muss sich aktuell für „hopp & topp“ entscheiden.
Sportstudio in Leder
Dass man sich allzeit dynamisch um das Eck wuchten kann, nachdem die Bodenfreiheit zuvor auf über 20 Zentimeter erhöht wurde, verdankt man den feisten Rädern und der aufwendigen Fahrwerkstechnik. Natürlich mit verstellbaren Dämpfern. Wobei hier vor allem die „First Edition“ überzeugt, denn hier sind fast alle wichtigen Goodies bereits inkludiert. Die anderen 5 Ausstattungsvarianten lassen sich das „Adaptive Dynamics Fahrwerk“ etwas kosten.
Im Gegensatz zu vielen anderen SUV, teilweise eben auch den „Kompakten“ am Markt, ist der F-Pace ein Sprössling einer Heckantriebs-Kultur. Der Motor längs eingebaut und vermutlich auch mit Heckantrieb im Alltag völlig passend. Zum SUV-Konzept gehört jedoch der Allradantrieb, von ihm spürt der Fahrer erst einmal nichts. 52 Zentimeter Wattiefe sind auch ein eher theoretischer Wert. Und wenn der kurze vordere Überhang auch für eindrucksvolle Böschungswinkel gut ist, im Alltag wirkt er einfach trefflich zum gelungenen Design.
Den Innenraum verpackt Jaguar, je nach Ausstattungslevel, mit mehr oder weniger viel Leder. Im gefahrenen „First Edition“ lassen sich die 80.000 € (roundabout) ganz gut wiederfinden. Die Qualität der Ausstattung passt zum Anspruch der Marke.
Dass man auf 4.73 Metern ordentlich Kofferraumvolumen und dennoch Platz sowohl in Reihe 1 als auch 2 anbieten kann, spricht für das gelungene Grundlayout. Während man in Reihe 1 mit knapp 1.80 vernünftig sitzt, bleibt in Reihe 2 ungewöhnlich viel Beinfreiheit übrig. Die 650 Liter Kofferraumvolumen lassen sich variabel erweitern. Die Rücksitzbank ist 40:20:40 umklappbar, die Ladekante noch erfreulich niedrig und flach. Der Kofferraumdeckel geht jedoch wiederum weit genug auf, um sich nicht den Kopf zu stoßen.
Buzzword-Bingo
All Surface Progress Control, Torque Vectoring, Jaguar Drive Control, InControl Touch, Performance Crossover, und so weiter … Kein modernes Auto mehr, bei dessen Handbuch-Lektüre man nicht ständig „Bingo“ schreien möchte. Am wichtigsten von diesen Keywords ist jedoch der Begriff „Crossover“. Denn damit sagt Jaguar selbst: Eigentlich ist das kein SUV. Und weil die Mehrzahl der F-Pace-Kunden zudem von anderen Marken kommen dürfte, ist der F-Pace am einfachsten als „wichtigster Jaguar der Neuzeit“ zu umschreiben.
Fazit: Der F-Pace geht seinen Weg
Das wird er tun und er wird dabei der erfolgreichste Jaguar aller Zeiten werden. Seine Wege werden ihn von Kalifornien nach Asien, von der Düsseldorfer Kö bis zur Coté führen, nur durch Matsch und über schweres Geläuf ganz sicher nicht.
Der F-Pace ist der Dynamiker unter den SUV, pardon, Crossovern. Nur anstelle von Cross-Country-Läufen will er behende auf der Landstraße sein. Allerdings erwartet Jaguar eine ähnliche Dynamik von den zukünftigen Besitzern und macht sich Gedanken darüber: Wohin die Autoschlüssel, wenn man mal wieder surfen geht oder zum Wasser-Ski? Der Activity-Key soll die Lösung sein. Ein wasserfestes Armband, das die Funktion des Schlüssels übernimmt. Nun denn.
Wir hätten ja lieber eine Runde mit Miss Moneypenny gedreht …
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Der Fahrzeugschein für den Jaguar F-Pace AWD 3.0D
Verkaufsstart: | Seit 16. April 2016 im Handel |
Basispreis: | Ab 42.390 € (Basispreis für 180 PS Diesel mit 6G- Manuell und RWD)
Das gefahrene Fahrzeug: 3.0D First Edition liegt bei 84.000 €- |
Motorleistung: | 300 PS / 700 Nm |
Antrieb und Getriebe: | 8-Gang Automatik, ZF, Allradantrieb |
Beschleunigung: | 6,2 Sekunden für 0-100 km/h |
Verbrauch – kombiniert: | 6,0 (je nach Variante F-Sport ect.) |
Höchstgeschwindigkeit: | 241 km/h |
Länge, Breite, Höhe, Radstand | 4.731, 1.936, 1.652, 2.874 mm |
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