Erste Fahrt: Der neue Lexus GS-F

Spanien, Madrid, Jarama Circuit. Noch nie davon gehört? Gut, dann sind Sie vielleicht einfach zu jung, um die Glanzzeiten der 4,8 Kilometer langen Rennstrecke vor den Toren der spanischen Hauptstadt erlebt haben zu können, oder Sie interessieren sich überhaupt nicht für die Formel 1. Ja, auf diesem rauen, schmalen Asphaltband wurde tatsächlich mehrmals zwischen 1968 und 1981 der GP von Spanien ausgetragen. Kaum zu glauben, wenn man heute die Boxengasse verlässt und die erste Spitzkehre anbremst. Auslaufzonen? Keine oder in einem Zustand, dass man auf keinen Fall darin landen möchte. Dazu ist der Kurs im Uhrzeigersinn auch noch verdammt anspruchsvoll mit nicht einsehbaren Kurven, Kuppen und Senken. Das alles muss autohub.de ausgerechnet in einem fünf Meter Schiff mit 1,9 Tonnen Lebendgewicht erfahren. Doch wer kommt denn überhaupt auf eine solche Idee? Lexus, denn die japanische Marke präsentiert der internationalen Presse genau hier ihr viertes Sportmodell, den GS-F.

Platzhirsch auf japanisch

Lexus GS-F im ersten Fahrbericht

Noch einmal ohne Turbo

Man muss schon verdammt überzeugt von seinem Produkt sein, wenn man den direkten Wettbewerber zu Audi RS7, BMW M5 und Mercedes-Benz E63 AMG ausgerechnet auf diesem vergessenen Rundkurs in die Hände der hetzerischen Journalistenmeute gibt und sie danach sogar noch auf die gottverlassenen Sträßchen ins madrilenische Hinterland schickt. Ein hoffnungsloses Unterfangen? Nun, es kommt noch schlimmer. Während Ingolstadt, München und Stuttgart ihre V8 Ballermänner schön längst mit der Hilfe von Turboladern mit weniger als 550 PS gar nicht erst an den Start schicken, kommt der Lexus GS-F unter Mühen auf 477 PS, denn ihm fehlt die Zwangsbeatmung und somit auch der Hammer des Herrn Newton, der bei den deutschen Limousinen bereits kurz über der Leerlaufdrehzahl erbarmungslos zuschlägt.

Spiel, Satz, Sieg

Doch wer jetzt glaubt, das Spiel ist schon entschieden, bevor es angepfiffen wurde, der täuscht sich. Denn der Lexus überrascht. Dazu zählt natürlich zuerst einmal das expressive Design, das die Toyota Tochter ihren Baureihen seit einiger Zeit angedeihen lassen darf. Beim GS-F bedeutet dies, dass der 2012 etablierte sanduhrartige „Diabolo Kühlergrill“ sich noch etwas dreidimensionaler über die 1,85 m breite Front spannt, nur noch begrenzt von Kühllufteinlässen und grimmig dreinschauenden Bi-LED Scheinwerferschlitzen. Am Heck dominiert dagegen die Batterie der vier trapezförmigen Auspuffendrohre, die mittlerweile ein Erkennungszeichen für die F-Modelle geworden sind und zwischen dem Diffusor feuerbereit hervorlugen. Ja, den eigenen Stil hat Lexus mittlerweile gefunden und als Premium-Sportlimousine (so sagt es Lexus über den GS-F) versprüht der Viertürer auch die notwendige Aggressivität. Das Design der japanischen Marke polarisiert dabei ganz bewusst und zeugt auch von dem erwachsenen Selbstbewusstsein, das sich die Marke seit ihrer Gründung 1989 erarbeitet hat.

Eine weitere Überraschung ist das Interieur. Wo das 2014 präsentierte RC-F Coupé im Innenraum noch etwas gefangen scheint in der Endlosschleife des für die Japaner so typischen 80er Jahre Stylings, glänzt der große Bruder mit feinen Akzenten. Nein, dem Perfektionswahn in Haptik, Materialmix und intuitiver Bedienung der deutschen Premium Hersteller kann der GS-F nicht standhalten, aber der Einsatz von Alcantara, Leder, Aluminium und Kunststoff darf durchaus als gelungen bezeichnet werden. Dominiert wird dabei das Cockpit von einem 12,3 Zoll großen Bildschirm und einer breiten mit Reglern und Schaltern übersäten Mittelkonsole. Dazu gehört auch ein Remote Touch Bedienelement, über das man alle Funktionen des Audiosystems, der Klimaautomatik, des Telefons und des Navigationssystems (alles serienmäßig!) bedienen und konfigurieren kann. Lexus geht damit beim GS einen sehr speziellen Weg, denn auf dem Control Pad haben zwei Finger zu liegen, die durch Kippen des Pads in alle Richtungen einen Mauszeiger im Display bewegen und durch Drücken die Menüpunkte aktivieren. Leider schien in unserem Testfahrzeug die Computermaus auf Crack gewesen zu sein, denn sie bewegte sich so hektisch, dass wir nur mühsam dahin klicken konnten, wohin wir wirklich wollten. Doch wir vermuten: alles Gewöhnungssache und in irgendeinem Submenü gibt es bestimmt auch die Option, die Zeigerbewegung zu reduzieren.

Die Kunst, eine Maschine zu bauen

Die nächste Überraschung kauert mit einem blau schimmernden Ansaugtrakt unter der Motorhaube. Der fünf Liter V8 ist schon ein feines Stückchen Maschinenbaukunst. Der Einsatz von 32 aus Titan gefertigten Ventilen und acht hochfest geschmiedeten Pleuel hat sich gelohnt. Dieses Triebwerk liebt es, bis in höchste Drehzahlregionen zu jubilieren. Erst bei 7.300 U/min schiebt der Drehzahlbegrenzer dem Kurzhuber den Riegel vor. Bis dahin steht eigentlich stets genügend Leistung zur Verfügung. „Eigentlich“? Ja, denn der großvolumige Sauger ist an eine Achtgang-Automatik gekoppelt. Die kann zwar für ein klassisches Wandlergetriebe erstaunlich schnell die Gänge wechseln, aber nur, wenn man im Fahrdynamikmodus „Sport S“ oder „Sport S+“ unterwegs ist. Sollte man im Normal- oder gar Eco-Modus unterwegs sein, braucht es vom Kick-Down Befehl bis zur Einsortierung der benötigten Fahrstufe gefühlt: zu lange. Doch wenn dann erstmal die richtige Welle anliegt, beginnt ein Feuerwerk, das den GS-F in 4,6 Sekunden auf 100 km/h katapultiert und dem erst bei elektronisch begrenzten 270 km/h Einhalt geboten wird.

Lexus GS-F 017 Test Fahrbericht Axel griesinger

Sicherlich, die deutschen Wettbewerber der oberen Mittelklasse können das bis zu einer Sekunde schneller und bieten auch noch Launch Control Unterstützung an, aber sind wir mal ehrlich: wer braucht das? In dieser Leistungsklasse ist man für die Gesetzeshüter immer schnell zu schnell. Entscheidend ist also das „Wie“ und das macht der GS-F schon sehr fein, auch wenn Lexus bei der dabei entstehenden akustischen Untermalung ein wenig schummelt. Adaptive Sound Control (ASC) heißt der (per Schalter deaktivierbare) Übeltäter, der sowohl Ansauggeräusch, als auch Motor- und Auspuffsound elektronisch aufbereitet und über die Front- und Hecklautsprecher im Innenraum durchaus angenehm verteilt. Der Ohrenschmaus liegt dabei irgendwo zwischen dem alten BMW M3 mit 4,0l V8 Motor und dem mächtigen AMG 6,2l V8 Sauger. Nicht ganz so hochfrequent wie der BMW und etwas weniger hämmernd als der Mercedes. Besonders empfehlenswert: bei 3.500 U/min die Drosselklappen schlagartig öffnen lassen und die leichte Gänsehaut geniessen, wenn die Airbox mit der angesaugten Luft akustisch beinahe zu platzen scheint. Doch wie fährt sich das japanische Dickschiff auf der eingangs erwähnten Rennstrecke und den herrlichen spanischen Landstraßen?

Lexus GS-F 018 Test Fahrbericht Axel griesinger

Mr. Handsome

Verblüffend handlich und das ist sicherlich die größte Überraschung am GS-F, aber auch eine erklärbare. Zum einen ist der Viertürer deutlich leichter, als die erwähnten schwäbischen und bayerischen Sportlimousinen und zum anderen ist der GS-F nur knapp 30kg schwerer als das deutlich kleinere RC-F Coupé mit dem gleichen Antriebsstrang. Beiden gemein ist somit auch das feine Torque Vectoring Differential. Es sorgt dafür, dass die Kraft des Motors zwischen rechten und linken Hinterrad in Abhängigkeit von Gaspedalstellung, Bremsbetätigung, Gierrate, Längs- und Querbeschleunigung verteilt wird. Wie gut das funktioniert, spürt man bereits in der Standardeinstellung. Beim Herausbeschleunigen aus engen Kehren drängt der hintere Überhang ganz untypisch für einen Hecktriebler kaum nach außen und das kurveninnere Rad hat keinen Schlupf. Drückt man zusätzlich in der Mittelkonsole das TVD Knöpfchen und wartet bis im Drehzahlmesser der Begriff „Slalom“ auftaucht, steht einer kleinen Kurvenhatz auf engen Bergstraßen nichts mehr im Wege. Als ob der GS-F plötzlich 200 Kilogramm Gewicht abgeworfen hätte, wuselt er um alle Kehren und je enger der Radius, desto lieber. Auf der Rennstrecke schaltet man dagegen lieber den Track Modus ein, denn dann sorgen die elektrischen Aktuatoren für maximale Stabilität auch bei hohem Tempo und harten Bremsen. Belohnt wird man dann mit minimalem Untersteuern und herrlicher Traktion in allen Lebenslagen. Wem das noch nicht reicht, der muss das kaum spürbar regelnde ESP deaktivieren und den „Expert Mode“ aktivieren. Dann kann man auch herrliche Drifts auf den spanischen Asphalt brennen. Dabei helfen dann auch die ergonomisch einwandfreien Sportsitze und die ordentliche Rückmeldung der elektrischen Servolenkung. Einzig die Bremse könnte etwas präziser sein. Nicht, dass den Brembo-Kneiffern die Kraft fehlt, doch der Druckpunkt ist speziell beim Anbremsen aus hohen Geschwindigkeiten etwas teigig.

Galerie001 Lexus GS-F

Die Verantwortlichen aus Fernost können also zu Recht vom GS-F und seinen fahrdynamischen Eigenschaften überzeugt sein. Dieser Lexus ist durchaus eine Alternative zu den germanischen Platzhirschen. Man muss nur das nötige Selbstbewusstsein haben und den Wunsch zum Anderssein. Dafür wird man dann aber auch mit einem fast schon unanständigen Preis belohnt: 99.750 Euro rufen die Japaner auf und stellen einem dann ein nahezu komplett ausgestattete Power-Limousine vor die Türe, zur der auch unzählige Assistenzsysteme gehören. Doch wer jetzt Geldscheine wedelnd zu einem der neun deutschen Lexus Foren stürzen möchte, muss sich noch etwas gedulden. Erst ab 23.01.2016 ist der GS-F bei den Händlern verfügbar.

Der Fahrzeugschein für den Lexus GS-F 2016

Verkaufsstart:  23. Januar 2016
Basispreis:  Ab 99.750 €
Motorleistung:  477 PS @ 7.100 U/min | 530 Nm @ 4.800 – 5.600 U/min
Antrieb und Getriebe:  Achtgang Automatik
Beschleunigung:  4.6 Sekunden für 0-100 km/h
Verbrauch – kombiniert:  11.2 Liter / 100 km NEFZ-Norm (CO2: 260 g/km)
Höchstgeschwindigkeit:  270 km/h
Länge, Breite, Höhe, Radstand  4.915, 1.845, 1.440, 2.850 mm