Auf der ersten Fahrt mit dem neuen smart, irgendwo im Stadt-Stauverkehr von Barcelona. Mitten zwischen dem Park Güell und der Sagrada Familia. Dieser neuartige Kleinwagen hoppelt sich seinen Weg frei. Erstaunte Gesichter draußen, so klein und schon hart beim Stau-Hopping in die Pole-Position geschaukelt. Zwei Personen sitzen bequem in der Knutschkugel. Anfahrt aus der Pole-Position an der Ampel, vorwitzige Rollerfahrer werden vom Turbo-Boost des Benziners mit nicht einmal Milchtüten großen Hubraums ausbeschleunigt. Bis das Getriebe zum ersten Mal die Gänge wechselt. Atempause. Es fühlte sich an, als wäre das Getriebe zurück ins Werk getrampt, um dort einen weiteren Gang zu finden. Das muss so 1998 gewesen sein. Die erste smart-Generation wurde damals in Barcelona der Fachwelt aus Motorjournalisten präsentiert. Gebloggt wurde damals noch nicht. Und ich hatte noch einen anständigen Beruf. Aber ich kann es mir gut vorstellen. So als smart-Fahrer der ersten Stunde.
big city car
Erste Fahrt im neuen smart fortwo
2014 stellt smart den neuen fortwo wieder in Barcelona vor. Zurück zu den Wurzeln. Und auch wenn „alles anders bleibt“, der neue smart ist vor allem eines geworden in den letzten 16 Jahren: Erwachsen. Und es dürfte nun mehr Menschen leicht fallen, den smart als vollwertiges Auto ernst zu nehmen. Und das obwohl die Länge der dritten Generation auch der Länge der zweiten Generation entspricht. Der Radstand ist im Millimeterbereich gewachsen nur die Breite, die hat massiv zugelegt. War der alte smart (451) mit 1,559 Metern noch schmal genug um sich auf Fahrradwegen zurecht zu finden (nein, nie gemacht!), hat der neue smart gute 10 Zentimeter in der Breite zugelegt. Das hat viele Vorteile und nur wenige Nachteile.
Das man sich mit dem neuen smart nicht mehr ganz so unbeschwert durch den Stadtverkehr wuselt, ist einer der Nachteile. Es ist eben so eine Sache mit dem „Erwachsen sein“.
Breiter is better
Als Stadtauto-Idee geboren muss der smart vor allem eines können: Dem Stadtverkehr ein Schnippchen schlagen. Die hohe Sitzposition kann noch immer gefallen, die Rundumsicht ist noch immer gut, wenngleich der Innenspiegel nun näher an der eigenen Nase hängt und gefühlt die Hälfte der Windschutzscheibe verdeckt. Noch immer ungewohnt, kurz hinter dem Hinterkopf hört das Auto auf.
Saß man im letzten smart noch leicht versetzt, dürfen sich Fahrer und Beifahrer im neuen smart nun auf gleicher Höhe fühlen. 10 Zentimeter mehr Breite schenken dem Innenraum ein zusätzliches Plus an Wohlfühlraum. Für das Fahrwerk des neuen smart ist der Breitenwachstum auch ein Geschenk. Im Verhältnis zwischen Federweg, Spurbreite und Lage des Schwerpunktes hat sich mit der Neu-Konstruktion einiges getan und aus dem „Schlagloch-Suchgerät“ wurde ein richtiges Auto. Okay, natürlich lässt der kurze Radstand den smart noch immer „wippen“. Aber gerade bei Kurven, beim wilden räubern über die ganze Fahrbahnbreite, beim nachfedern aus Bodenwellen und bei der Attacke auf Frostaufbrüche ist die neue smart-Generation ein massiver Fortschritt.
Wer nickt denn da?
Neben dem Fahrwerk ist der nächste, wirklich spürbare Entwicklungsschritt, die neue Getriebe-Generation. Nicht weil man „bei dem Daimler seiner Tochter“ nun die Getriebe aus Frankreich anliefern lässt, sondern weil diese manuell zu schalten sind. Nun könnte man fragen, und zwar zu Recht: Wo ist da der Vorteil? Der smart ist doch ein Stadtauto und als solches ist die beste Lösung ein Automatikgetriebe. Kuppeln, schalten, kuppeln, schalten. Generationen von Pizzadienst-Piloten haben sich an die Schaltpausen des automatisierten Getriebes im smart-Vorgänger gewöhnt. Und auch Auto-Journalisten sind nicht vor den Grundlagen des „Bewegungslernens“ gefeit. Da wird bei der ersten Testfahrt mit dem neuen Doppelkupplungsgetriebes im smart, beim ersten Schaltvorgang nach dem Ampelstart, schonmal prophylaktisch der Kopf nach vorne gewippt. (Mehr zum smart mit Doppelkupplungsgetriebe in Kürze!).
Nein – natürlich ist ein Schaltgetriebe nicht die ultimative Lösung für ein Stadtauto, aber die Möglichkeit dem Kunden die Wahl zu überlassen, die zählt. Der neue smart fortwo wird jedoch in der Basis-Variante erst einmal auf ein manuelles Getriebe mit fünf Gängen zurück gerüstet. Das kann man als Vorteil sehen, oder als Nachteil. Natürlich ist das simple manuelle Getriebe und dieses kennt man, wie die Motoren, bereits aus einer Vielzahl von Renault-Modelle, weit günstiger als das automatisierte Schaltgetriebe und wesentlich günstiger als das neue Doppelkupplungsgetriebe, weshalb man dieses auch nur gegen Aufpreis erhalten wird.
Mit- und ohne Turbo
Eine Plattform, drei Autos. Der neue smart wurde zusammen mit Renault entwickelt. Und während die Franzosen nur den Viertürer als Renault Twingo verkaufen, wird smart den fortwo und den forfour anbieten. Und auch das Doppelkupplungsgetriebe wird der Daimler-Tochter vorbehalten bleiben. Zumindest für ein halbes Jahr. Bei smart wird das DCT (Dual-Clutch-Transmission) ab März erhältlich sein, bei Renault ab dem Herbst 2015. Anders die E-Auto-Version, diese soll der „Marke smart“ alleine vorbehalten bleiben. Und weil man sich beim Layout durchsetzen durfte und das gemeinsame Baby als smart-DNA den Heckantrieb mit dem Heckmotor behalten durfte, kommt ein anderer großer DNA-Brocken eben aus Frankreich: Die Motoren. (und, und, und..)
71 PS Sauger oder 90 PS Turbo. Die Auswahl ist im Augenblick eher übersichtlich. Beide Motoren sind alte Bekannte aus dem Renault-Motorenprogramm und wurden für den Einsatz im neuen Kleinstwagen leicht modifiziert.
Und so fährt sich der neue smart fortwo
Über die neue „Fußgängerschutz-Knubbelnase“ kann man geteilter Meinung sein, wer aber erst einmal im neuen smart sitzt, der freut sich über die wieder gut gelungene Sitzposition. Über die Kopffreiheit und nun auch über die Breite im Innenraum. Der alte smart war bereits ein Raumwunder, aber der Neue kann alles ein wenig besser. Außer vermutlich in Rom zwischen den Blumenkübeln hindurch huschen (habe ich irgendwo gelesen..). Kupplung drücken, ungewohnt für den smart-Piloten der alten Schule.
Das Getriebe könnte knackiger zu schalten sein, die Schaltwege könnten besser definiert sein. Die Lenkkräfte sind niedrig, aber auch das Feedback von der Lenkung ist nicht so richtig geil. Sicher, das war auch im alten smart schon eher ein Ratespiel, aber die Hoffnung war da – der smart hätte in der Disziplin „Fahrgefühl“ einen größeren Sprung gemacht. Hüpfen kann der neue smart noch immer. Nun sogar noch besser. Wer von der Ampel weg den 90 PS-Turbo dreht und dann die Kupplung mit mehr Elan als sonst einrücken lässt, der lässt den smart die Nase rümpfen. Dabei knurrt der Turbo-Dreizylinder aus dem Heck ein sympathisches Liedchen und er tut es deutlich leiser als zuvor. Der smart hat in den Disziplinen „Fahr- und Störgeräusche“ massiv gewonnen. Er rappelt nicht, er dröhnt nicht und er schüttelt sich nicht mehr. Der 91 PS fortwo wird jetzt bei 155 km/h abgeriegelt. Damit darf man dann auch ruhig einmal die Autobahn in die Routenplanung miteinbeziehen. Allzu viel Laune auf der Landstraße sollte man indes nicht erwarten. Der smart erfüllt seinen Job. Früher fand er schnelle Kurvenhatz schon als unwürdig, der neue schiebt die Grenze ein wenig nach oben, fängt aber noch immer früh an zu untersteuern. Und sobald die Vorderachse den Grip verliert, regelt das ESP die Motor-Leistung drastisch herunter. Fahrspaß definiert der smart anders.
Die große Stunde des Kleinwagens schlägt, wenn es darum geht den smart zu wenden. Parken und wenden, die Königsdisziplinen des neuen smart. Der Motor hinten lässt der Vorderachse einfach mehr Platz und so schlagen die Vorderräder fast im 45° Winkel ein und der smart dreht sich praktisch auf der Stelle. Der Wendekreis? Unfassbare 6.95 Meter (Bordsteinkante zu Bordsteinkante). Eigentlich will man ständig wenden. Wo andere in drei Zügen rangieren, lenkt der smart-Fahrer einmal ein, dreht und hat das Wendemanöver vergessen, während andere noch auf den Parkpiepser hören.
Fazit:
smart hat sich beim Grundlayout des neuen smart und damit auch des Bruders aus Renault-Haus durchgesetzt. Das Layout mit dem Heckmotor, es bleibt bestehen und sichert vor allem dem smart fortwo eine maximale Einzigartigkeit. Doch der Zwang zur Zusammenarbeit hat an vielen anderen Stellen Spuren hinterlassen. Der smart übernimmt einige französische Unsitten, wie versteckte Schalter die man nur bedienen kann wenn man aussteigt, billige Lösungen in Details wie dem Licht und verliert einiges an Charakter. Das ist subtil und wird nicht für jeden smart-Käufer ersichtlich sein. Aber Renault-Schalter, Taster und selbst ein Schaltknauf aus den tiefen des Renault-Regal sind stumme Zeugen für den Kostendruck unter dem Automobil-Hersteller stehen. Vor allem wenn das Programm nur aus „Kleinstwagen“ und Kleinwagen besteht.
Der neue smart ist nicht schlecht. Für den Schwaben wäre das bereits das höchste Lob, für mich als Ex-smart Fahrer der ersten Stunden ist es Ausdruck für den Verlust der smart-DNA an Stellen, die ich für einen Premium-Kleinwagen für essentiell halte.
Bei den Preisen bleibt smart selbstbewusst und für mich stellt sich die Frage, ob der neue Twingo nicht der bessere smart ist – trotz, oder gerade wegen der vier Türen!
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[tab title=“Technische Daten:„]
smart fortwo 90 PS proxy
Verkaufsstart: | November 2014 |
Basispreis: | € 15.180 |
Motorleistung: | 898 ccm³ |
Antrieb und Getriebe: | manuelles 5-Gang Getriebe |
Beschleunigung: | 10,7 Sekunden von 0-100 km/h |
Normverbrauch: | 4,2 Liter auf 100 km |
Höchstgeschwindigkeit: | 155 km/h |
Länge, Breite, Höhe, Radstand | 2.69, 1.66, 1.55, 1.87 m |
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[tab title=“WWTBO?„]
What would the Blogger order??
smart macht es dem Ex-smart-Fahrer nicht einfach. Der Wendekreis ist der einzige Vorteil des fortwo geblieben. Vermutlich würde der Ex-smart-Fahrer nun einen Twingo ordern. Diesen gibt es als forfour auch mit 90 PS-Turbo, anders als bei smart derzeit und die Basis-Ausstattung würde mir reichen. Damit bleibt der Preisvorteil auf Renault-Seite. Und die Technik? Nun, da bietet smart keine Vorteile mehr. H4, Multimedia, Motor, Getriebe, Bremsen, das ist eh alles von Renault. Einfach mal dafür sein? Ja – einfach mal „for the Twingo“.
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[tab title=“Gut zu wissen„]
Dreizylinder mit und ohne Turbo
Konstruktive Gemeinsamkeit der Aggregate im neuen smart sind die Aluminiumbauweise, die obenliegenden hohlgebohrten Nockenwellen und 4-Ventil-Zylinderköpfe. Die innermotorische Reibung wird durch grafitbeschichtete Kolbenschäfte, eine reibungsoptimierte Steuerkette und Nocken mit Diamond-Like-Carbon-Beschichtung verringert.
Kompakte Bauweise gewährleistet hohe Alltagstauglichkeit
Durch den Motorblock mit 49 Grad Neigung sind die smart Motoren 15 Zentimeter niedriger als bei einem konventionellen Triebwerkslayout aus den Aggregatespendern von Renault. Auf diese Weise können smart und Renault das Heckmotorkonzept des fortwo/forfour/Twingo ohne Einbußen bei der Alltagstauglichkeit realisieren.
Beide Motorisierungen übertragen ihre Kraft über ein modernes
5-Gang-Schaltgetriebe auf die Hinterräder.
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[tab title=“Link-Tipps:„]
Wie die anderen den neuen Renault Twingo erlebten:
Galerien:
- smart fortwo lava orange / Hersteller
- smart fortwo edition 1 / Hersteller
- smart forfour white cool silver / Hersteller
- smart forfour graphite / Hersteller
- smart forfour black to yellow / Hersteller
- folgen …
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Fotos im Artikel: Bjoern Habegger, Fabian Mechtel / Titelbild: Bjoern Habegger