Therapiestunde für die Sinne
Es ist, als würde man eine Berghütte auf eine Apollo 5-Mondrakete schnallen und dann in den Weltraum schießen. Die Berghütte in der Mond-Umlaufbahn dürfte sich ähnlich fühlen wie der G-Klasse-Fahrer im automobilen Alltag der Neuzeit. Ein Konzept, dessen Reife man begreifen kann. Ecken, Kanten, wo heute sonst tote Winkel und große, wulstige Bögen sind. Mit der G-Klasse hat Mercedes ein Auto im Programm, das sich rein optisch gegen jede Verjüngung wehrt. Erfolgreich. Das jüngste Technik-Update, Facelift, oder bei den Stuttgartern auch „MOPF“ genannt, packt jedoch unter die Kante noch eine Extraportion Leidenschaft.
Mercedes-Benz G500 im Fahrbericht
Klangtherapie
2.6 Tonnen Leergewicht, in 5.9 Sekunden auf Tempo 100 katapultiert. Der Vergleich mit der Apollo 5-Mondrakete kommt wieder in den Sinn. Nur, dass der Sound des G500 wie Musik in den Ohren von V8-Fans klingt. Überhaupt. Dieser Klang. Es fängt bei dem satten „Wumms“ der Türen an, es ist das feist kräftige „Zack-rums“ der Zentralverriegelung. Nichts am G-Modell klingt nach Spielzeug, nichts klingt, als wäre dem Ingenieur ein Controller dazwischen gefahren. Der „G“ ist ein Original. Eines der letzten Originale, auf das man bauen kann. Offroad – und das meinen die Stuttgarter im Falle des kantigen Kumpels ernst. Nicht wie bei den SUV-Kollegen. Der G ist ein „G-eländewagen“, kein SUV. Seine Fähigkeiten: Auf jedem G-elauf eine Nummer überzeu-G-ender.
Es lohnt sich bei der G-Klasse, der Bescheidenheit zu frönen und den „kleinsten“ Benziner zu wählen. Der G500 steht mit 105.035,35 € in der Preisliste und leistet neben einem göttlichen Motorensound 422 PS. Dieser neue vier Liter große V8 besitzt nicht nur zwei Turbos, er lässt auch eine ganze besondere Familienbande entstehen. Dieses Triebwerk wurde zuerst im neuen AMG GT vorgestellt. Dort noch ein wenig kraftvoller. Aber nicht minder leise.
Ob es am eigentlich 36 Jahre alten Konzept der G-Klasse liegt oder an den kurzen Stummel-Auspuffendrohren, die als Sidepips unterhalb der hinteren Türen zum Vorschein kommen? Egal – der G5oo trägt derzeit den schönsten Klangteppich in der Mercedes-Familie mit sich herum. Ein tiefer, ein souveräner, ein anregender Bariton begleitet diese G-Klasse. Egal, ob es in 5.9 Sekunden auf 100 geht oder mit drei gesperrten Differentialen durch den Schlamm.
Bewegungstherapie
Die 610 Nm des V8-Bi-Turbo braucht man im Gelände nicht. Hier sind die Starrachsen und die drei manuell sperrbaren Differentiale die Zutaten zum Glück. Mit dem „Facelift“oder eben MOPF kamen nun auch (optional) adaptive Dämpfer mit an Bord.
Damit lässt sich die G-Klasse nun nicht nur überzeugend durchs Gelände reiten, auch auf ebenen Asphaltbändern kehrt so etwas wie Fahrkomfort in die rasende Mondhütte ein. Zudem ist im Sport-Modus die Wankneigung minimiert. Wer den Hot-V Achtender aus dem AMG GT im G so richtig peitscht, der dampft auf einer unfassbaren Druckwelle davon. Da ist ein wenig mehr „Straßenlage“ gar nicht so doof.
Ayurveda für Automobile
6o Zentimeter Wattiefe und bei Tempo 210 elektronisch abgeregelt. Diese Kombination dürfte eher selten sein. Der Charakterkopf „G“ kombiniert diese Fähigkeiten auf einzigartige Weise. Und dabei haben sie beim Daimler auch noch den Verbrauch des G-Modells gesenkt. 12.3 Liter im NEFZ, so die Ansage. Doch in keiner der beiden real existierenden Traumwelten des G erscheint eine Fahrt mit dem Ziel Minimal-Verbrauch erstrebenswert.
Im Gelände lässt man die Zügel des G fest gespannt. Wasserfurten, Verschränkungen und matschige Berghänge, es gibt keine Hindernisse für den G. Seine neu gestaltete, aber wirklich nur dezent neu gestaltete Stoßstange hebt sich weit genug vom Boden ab. Böschungswinkel, Kippwinkel und Trittleisten, um das Fahrzeug zu entern. Alles spricht die Offroad-Sprache am G.
Konzentration auf das Maximale!
Belüftete Sitze, elektrisch verstellbar. Alcantara am Himmel und eine Aufpreisliste, die beheizbare Lenkräder und Steinschlagschutzgitter für die Scheinwerfer bietet. Nur eines bekommt man auch gegen Aufpreis nicht: Mehr Platz. Am Abstand zwischen den Schultern und der Tür soll man die G-Klasse erkennen. Ihre ursprüngliche Bestimmung als „Militär-Jeep“, als Sonderfahrzeug für Feuerwehren und Rettungsdienste. Von der Bergwacht bis zur Wüste Gobi, der G sollte einstecken können. Heute sind Command-System, Rückfahrkamera und Fond-Entertainment in die G-Klasse eingezogen. Und der Basis-Benziner ist ein Sportwagen-Motor. Besser lässt sich die Evolution der G-Klasse vermutlich nicht zusammenfassen.
Die G-Klasse gehört zudem zu den Best-Sellern im AMG-Programm. Gute die Hälfte aller G-Klassen läuft heute als 63 oder 65 vom Band in Graz. Der G63 verfügt über den 5.5 Liter V8-Turbo mit 571 PS, der G65 kommt als V12-Turbo mit 630 PS. Unfassbare 271.915 € teuer!
Am gänzlich anderen Ende, und dann wirklich als Einstieg in die G-Klasse Welt zu verstehen, der neue G 350d. 245 PS stark und mit 9.9 Litern Diesel (NEFZ) auf 100 km die sparsamste G-Klasse aller Zeiten. Wobei sich Mercedes die Kultfigur „G“ auch als Einsteiger-Diesel mit 89.922,35 € bezahlen lässt.
G 500 – Ein Auto wie eine Therapiestunde
Kein anderes Auto aktueller Fertigung hat diese Geschichte zu bieten. Die G-Klasse ist, trotz Frischzellenkur und Leistungs-Therapie, ein Kulturgut wie ein Ford T-Modell oder ein VW Käfer. Aber ein lebendes. Eines, das von der Evolution verbessert wurde. Jedes Mal wieder. Und dennoch besitzt es noch immer den Charakter eines automobilen Querkopfs.
Wunderschön!
Der Fahrzeugschein für den Mercedes-Benz G500
Verkaufsstart: | Mitte September |
Basispreis: | Ab 105.035,35 € |
Motorleistung: | 422 PS |
Antrieb und Getriebe: | 7-Gang Automatik |
Beschleunigung: | 5,9 Sekunden für 0-100 km/h |
Verbrauch – kombiniert: | 12,3 Liter / 100 km NEFZ-Norm – 289g /km CO2 |
Höchstgeschwindigkeit: | 210 km/h (el. begrenzt |
Länge, Breite, Höhe, Radstand | 4.764 / 1.876 / 1.954 / 2.850 mm |