Eine neue Welt
Tesla Model X P90D im ersten Test
Der erste Voll-Elektro SUV der Welt. Das erste E-Auto mit Allradantrieb, bis zu sieben Sitzplätzen, bis knapp zu 500 Kilometern Reichweite und mit einem Türkonzept, das einen einlädt, sich mit einem Klappstuhl davor zu setzen und nur den Türen beim Öffnen und Schließen zuzuschauen. Eine Show. Wie die ganze Firma an sich. Eine gute Show. Und mit dem Model X, dem zweiten in Großserie gefertigten Voll-Elektromobil nun auch eine Fortsetzung des erfolgreichen ersten Teils der TESLA-Story. Lassen wir uns für einen Moment darauf ein.
TESLA hat mein-auto-blog die Möglichkeit gegeben, die ersten Model X Testfahrzeuge auf eine Testrunde mitzunehmen.
Kinetisches Masterpiece
Den Gangwahlhebel mit den Stuttgarter Wurzeln erkennt man, ein kurzer Druck nach unten und das Model X ist abfahrbereit. Türen schließen? Das macht das Model X jetzt auf Pedaldruck. Bevor man den Wählhebel auf D schalten kann, muss man die Bremse drücken. Nicht ungewöhnlich. Dass sich dabei die noch geöffnete Fahrertür schließt, ist dann doch eher ungewöhnlich. So ungewöhnlich wie das aufgeräumte und von Schaltern bereinigte Cockpit des US-Elektro-SUV. Eine Wohltat, eine unschlagbare Eleganz durchströmt das Cockpit. Und das ausgerechnet bei einem SUV aus den USA. Aber halt – ein SUV? Das Model X ein Gelände-Straße-Alleskönner? Die Karosserieform sieht doch eher nach Van, denn nach SUV aus.
Man muss sich ein wenig umgewöhnen. Doch im Vergleich mit dem Model S ist der X der bequemere, der mit mehr Kopffreiheit, dem luftigeren Raumgefühl. Und mit 18 Zentimetern Bodenfreiheit dann sogar im Reigen der „Großstadt-SUV“ akzeptiert. Viel mehr bieten die anderen auch nicht an. Doch man kommt nicht umhin zu denken: Ein SUV ist das Model X vor allem deswegen geworden, weil SUVs im Trend liegen. Eigentlich ist er ein Familien-VAN, mit Allradantrieb, viel Platz und einer unfassbaren Power. Aber das wäre wohl als „Kurzbeschreibung“ doch zu lang.
Beim Design kann man sich über die Extravaganz der Nasenform streiten. Beim Heck dürfte man sich aber einig sein: Gut sieht es aus. Aus einem Guss. Alles in Form. Kommen wir zum Gewicht und da wird es dann so richtig SUV-klassig. 2.468 Kilogramm gibt TESLA für das Model X an. Für einen 5-Meter Brummer schon ganz ordentlich. Den größten Anteil haben natürlich die Batterie-Pakete im Unterboden. Aktuell bietet TESLA das Model X für Deutschland nur mit einer 90 kWh Batterie an, dem größten TESLA-Batteriepaket.
2.5 Tonnen in 3.4 Sekunden auf Tempo 100
Die P-Varianten des Model X besitzen einen 510 PS starken E-Motor an der Hinterachse. Alle Model X verfügen zudem über einen 263 PS starken E-Motor an der Vorderachse. Das Basismodell X 90 D kommt mit 2 x 263 PS aus. Die gesamte Antriebsleistung wird jedoch nicht über die PS-Leistung der Elektromotoren reglementiert, sondern über die Leistungsfähigkeit der Batterie und die Spannungswandler. Das führt dazu, dass TESLA das Basismodell X 90D mit einer Systemleistung von 422 PS angibt, den P90D mit dem „Softwaremode“ Ludicrous mit 539 PS. Und genau dieses Modell ist es dann auch, das im Ludicrous-Mode die Gesichtsmuskulator der Insassen auf eine ernste Bewährungsprobe stellt. Die 967 Nm des P90D wuchten den über 2.5 Tonnen schweren E-Brummer binnen 3.4 Sekunden auf 100 km/h. Ohne Gedenksekunde, ohne Zugkraftunterbrechung durch ein Getriebe – ohne Gnade für die bis zu 7 Insassen. Der elektrische Allradantrieb verwandelt jedes vorhandene µ in Traktion und innerhalb der minimalen Zeitachse in abnorme Beschleunigung. Gänzlich ohne Theater. Da brüllt kein Motor, es kreischen keine Zahnräder, es wimmern keine Gummisohlen um Gnade. Die Präzision und Gnadenlosigkeit, mit der jeder Beschleunigungswunsch in Vortrieb gewandelt wird, ist im ersten Augenblick surreal.
e-SUVan
Bis zu 7 Personen bietet das Tesla Model X dieses Erlebnis. Alternativ lässt sich auch ein Sitzplatzlayout mit 6 Einzelsitzen in drei Reihen ordern – oder einem klassischen 2-3 Layout. Wer sich für den Fünfsitzer entscheidet, bekommt zum Antriebsfeeling einer Saturn-V Mondrakete das Raumverhältnis eines Space Shuttles. Ein riesiger Laderaum steht zur Verfügung. Nicht nur direkt nach Reihe zwei, auch im Unterboden hinter dem E-Motor der Hinterachse. Bereits der Sechssitzer hat 2.180 Liter Ladevolumen, sobald man Reihe 3 umklappt. Dazu kommt der Kofferraum unter der vorderen Haube. Denn auch dort ist noch einmal Platz. Weitere 187 Liter warten noch einmal auf Gepäck. So wird aus dem „e-SUVan“ das ideale Familienmobil.
Stoisch bis souverän
Leise surrend, mit massivem Antritt, drückt es das Model X aus den kleineren Ortschaften entlang unserer ersten Testfahrt hinaus. Weite Kurven, enge Kurven, Kreisel und Tempo 100 auf der Landstraße. Das Model X überzeugt mit einer verbindlichen Lenkung, mit gutem Feedback und der Präzision, die man vom einem kraftvollen Auto erwartet. Sicher sind 2.5 Tonnen ein Argument gegen Fahrspaß, die Tatsache, dass dieses Akkupack aber im Boden des Fahrzeuges sitzt und damit den Schwerpunkt nah in Richtung Fahrbahn bringt, sorgt für ein Fahrgefühl weit oberhalb der klassischen SUV-Liga. Und selbst die Abstimmung der Luftfederung ist den US-Boys gelungen. Heftige Bodenwellen schluckt das Model X souverän bis stoisch.
TESLA Model X vs Model S
Unseren Fahrbericht zum Model S P90D finden sie hier – ebenso die ausführliche Beurteilung zum Cockpit-Design und der Bedienungs-Philosophie der Amerikaner. Das Model X kann, was das Model S kann, bietet jedoch deutlich mehr Platz. Wo das Model S den Fahrer den Kopf einziehen lässt, da steht beim Model X die A-Säule steiler, der Fahrgastraum ist höher, das riesige Glasdach vermittelt unbändigen Raum und die Falcon-Doors für die Reihe zwei sind mehr als nur eine Show. Ein enorm großer Zugang zur zweiten Reihe entsteht durch die weit öffnende Luke.
Fazit
Es ist eine neue Welt. Das E-Auto ist kein Experiment mehr. Mit dem Model X kommt es zudem im derzeit wichtigsten Fahrzeug-Segment an. Zumindest vom Namen her. Ein E-SUV – klingt unnütz wie ein Kropf, ist jedoch genau mein Auto! (Achtung: der Autor verliert die Objektivität!) Schmerzlich einzig, die Preisgestaltung. Fortschritt, Performance und Komfort – man bekommt es nicht geschenkt. 96.100 € sind nur der Basispreis. Das gefahrene Performance-Modell P90D kostet wenigstens 131.000 €. Dass man dafür den SUV (noch immer in Klammern zu setzen, denn für Geländefahrten würde ich das Model X nicht verwenden) mit dem besten cW-Wert am Markt bekommt (0.24),der zudem einen Anhänger bis 2.270 Kilogramm ziehen kann, hilft bei der Finanzierung des E-Traumwagens jedoch auch nicht. Sind jedoch Argumente, um einfach mal neu nachzudenken, ebenso wie die 4 Jahre Garantie.