Erste Fahrt: Volkswagen Golf R Variant
Mit dem Golf R Variant verbindet Volkswagen hohen Nutzwert mit sportlichen Fähigkeiten. Wir waren mit dem Kombi unterwegs, der sowohl vor dem Ikea-Markt wie auch auf der Nordschleife funktioniert.
Gleich die erste Zahl, die Fahrdynamik-Leiter Karsten Schebsdat verrät, sitzt: Binnen 7 Minuten und 51 Sekunden umrundet der ab 51.585 Euro teure Golf R Variant die berühmte, gut 20 Kilometer lange Nordschleife des Nürburgrings. Nur um diesen Wert einordnen zu können: Ein mächtiger und immer noch halbwegs moderner Lamborghini Murcielago mit potentem Zwölfzylinder schafft das auch nicht schneller. Dabei tritt der 235 kW/320 PS starke Kombi von VW optisch recht dezent auf, wenn man überlegt, dass er Supersportler-Ambitionen hegt und sich gerne auf den Tracks dieser Welt austoben möchte.
Alleine die vierflutige Auspuffanlage zeigt auch weniger informierten Verkehrsteilnehmern deutlich, dass man sich mit dem athletischen Golf besser nicht anlegt. Hervorstechend sind auch die blauen Bremssättel hinter den mindestens 18 Zoll großen Rädern und natürlich die spezifisch gestaltete Stoßfänger. Innen erwarten die Golf R-Passagiere blaue Applikationen an Lenkrad und Sitzen als spezifisches Charaktermerkmal für das sportive Topmodell, das es übrigens lediglich in „Pure White“, Deep Black“ – und dem charakteristischen „Lapiz Blue“, der eigentlichen R-Farbe, gibt.
Da steckt Power im Golf R Variant
Um den Variant ähnlich dynamisch zu bekommen wie die konventionelle Limousine mit dem kurzen Heck, musste das Team um Karsten Schebsdat ordentlich tüfteln und das Chassis neu justieren. Einen großen Anteil der Abstimmungsarbeiten konnten die Ingenieure am Simulator abhandeln – Rechenleistung und moderne Software-Applikationen machen es möglich. Apropos Leistung. Der aufgeladene Zweiliter-Vierzylinder lässt sich auch diesseits von Rennstrecken genießen, was in der Realität wohl auch eher Anwendungsfall sein dürfte.
Verlockend ist beispielsweise das für einen Benziner bärige Drehmoment (420 Newtonmeter) ab 2.100 Touren. So wird aus dem Wolfsburger ein souveräner Alltagskombi, der bei jedem Abstecher auf die einsame Landstraße für grinsende Gesichter sorgt. Und die Gewissheit, mal eben im Handumdrehen einen Lkw am Berg druckvoll überholen zu können, beschert ein beruhigendes Gefühl.
Doch nicht nur der nachdrückliche Schub des Allradlers mit der kaum enden wollenden Traktion (4,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h) erzeugt Freude, sondern auch die gelungene Gesamtabstimmung. Das adaptive Fahrwerk und die straff gepolsterten Sitze gewähren ein Mindestmaß an Komfort, so dass der Kombi eine gute Figur auf der Langstrecke abgibt. Und über das Raumangebot des 4,64 Meter langen Kompakten muss man nicht diskutieren, denn er ist ja eigentlich gar nicht mehr kompakt mit dem Radstand-Plus von 5,5 Zentimetern gegenüber der auch schon nicht gerade zierlichen Limousine. Das spüren nicht nur die Mitfahrenden in der zweiten Reihe in Form ausladender Beinfreiheit, sondern auch etwaige Hobbybastler- oder Gärtner, wenn sie den maximal 1.642 Liter fassenden Kofferraum vollpacken.
Zu viel Touch statt Knöpfchen
In puncto Infotainment zieht Volkswagen das komplette Register, spendiert Features wie das vielfältig konfigurierbare Kombiinstrument, das aus reiner Anzeigefläche besteht, einen großen Touchscreen sowie Head-up-Display (700 Euro Aufpreis). Allerdings schießen die Architekten mit der einen oder anderen Lösung etwas über das Ziel hinaus. So fehlt ganz klar ein mechanischer Lautstärke-Regner, und auch die Bedienung der Klimatisierung über die Softtouch-Flächen respektive Menü ist nicht optimal mit teils verzögerter Reaktion. Ein paar physische Tasten sollte es auch im modernen Infotainment-Zeitalter definitiv geben.
Schön am Golf R Variant ist sein komplexer Charakter. Er mimt den Cruiser, der Bodenwellen gekonnt wegschluckt. Sein geschmeidig agierendes Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe arbeitet bei Bedarf flink, muss es aber Dank Turbokraft gar nicht, wenn zurückhaltende Gangart abgesagt ist. Im Racemodus wird der Kombi wild, strafft seine Dämpfer, verändert die Kennlinie der Lenkung und treibt bei Bedarf auch mal berühmte Sportwagen vor sich her mit seinem bissigen Antritt.
Assistenzsysteme überzeugen
Selbstverständlich verfügt der schnellste Golf Variant auch über alle erdenklichen Assistenten, warnt vor Autos im toten Winkel (440 Euro) oder parkt automatisch ein (215 Euro). Ganz ohne Aufpreis bremst er autonom, falls nötig – und hält zuvor gespeicherte Tempi. Der Tempomat verfügt über eine Distanzregelung und bremst bei eingestellter Geschwindigkeit mit dem fließenden Verkehr sogar automatisch bis zum Stillstand herunter – ein heutzutage wichtiges Feature mit Komfort- und Sicherheitsrelevanz. Den Technikern gelang eine harmonische Abstimmung. Selbst komplettes Herunterbremsen erfolgt sanft und lässt die Passagiere nicht mit ihren Köpfen nicken.
Schön übrigens, dass Performance an der Tankstelle nicht zum ausufernden Erlebnis werden muss, wie der gemittelte Verbrauch von 7,2 Litern je 100 km zeigt. Der dürfte zwar unter voller Ausnutzung der Leistung nicht zu halten sein, aber das ist ja auch okay. Kraft kommt immer noch von Kraftstoff.
Technische Daten
Kompaktklasse, Länge: 4,64 Meter, Breite: 1,79 Meter, Höhe: 1,47 Meter, Radstand: 2,68 Meter
R: 2,0-Liter-Vierzylinder-Otto mit Direkteinspritzung und Turboaufladung, 235 kW/320 PS, maximales Drehmoment: 420 Nm bei 2.100 bis 5.350 U/min, Siebengang-Automatik (Doppelkupplung), Allradantrieb, 0-100 km/h: 4,9 s, Vmax: 250 km/h (270 km/h mit Performance-Paket), Durchschnittsverbrauch: 7,2, CO2-Ausstoß: 164 g/km, Effizienzklasse: C, Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM, Preise: ab 51.585 Euro (54.585 Euro mit Performance-Paket)
Kurzcharakteristik
Warum: Weil er so wandelbar ist und quasi die eierlegende Wollmilchsau
Warum nicht: Weil man so viel Leistung eigentlich gar nicht braucht
Was sonst: Mercedes-AMG CLA 35 Shooting Brake, Audi S3 Sportback, Cupra Leon Sportstourer, Ford Focus ST Turnier
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