Fahrbericht: Citroën C4 Cactus

Vermutlich ist die Geburtsstunde des Cactus zu fortgeschrittener Zeit, nach der dritten Flasche Wein und irgendwo in einer netten Bar in Paris zu suchen. Vermutlich saßen da drei Franzosen, ewig lange schon bei Citroën in Baguette und Rotwein stehend, philosophierten über die Ente, die Göttin, über die Avantgarde und die völlig unkomplizierte Verwirklichung von einfachen Autos. Wie früher. Eventuell noch vor 1975, bevor man vom Mitbewerber Peugeot geschluckt wurde und in den neuen Konzern PSA integriert wurde. Fortan entwickelten Peugeot und Citroën gemeinsam ihre Autos. Und weil früher nicht alles schlecht war, wollte man wieder so etwas auf die Räder stellen. Wie damals. Bevor man alles gemeinsam entwickelte. Simpel. Sympathisch. Günstig. Anders. Eben so ein wenig wie die Ente damals.

Französische Wochen – Teil 2

Im Fahrbericht:

Citroën 4 Cactus BlueHDI 100

Weil einfach manchmal besser ist: Mit dem C4 Cactus hat Citroën bewiesen, wie gut einfach sein kann. Vermutlich ist die Idee zu sympathisch, als dass sie wahr ist, aber schön wäre der Gedanke: Drei Franzosen, einer aus dem Marketing, einer aus der Entwicklung und einer aus dem Vertrieb. Ein ruhiger Abend in einer Paris-Kneipe und nach ungezählten Flaschen Rotwein steht am Ende der Cactus als fixe Idee fest.

Mit dem Blick dieser drei Automobilisten will ich den Testwagen C4 Cactus betrachten. In knapp 14 Tagen hat er mir gezeigt, wie einfach ein gutes Auto sein kann.

Citroën C4 Cactus Fahrbericht 25 Test BlueHDI100

Der Cactus aus der Sicht des Marketings

Anders schaut er aus. Und er ist groß. Obwohl der C4 Cactus viele Baugruppen vom kleineren Citroen C3 / DS3 übernimmt, passt er als Crossover genau in das trendige Segment der kompakten SUVs. Wobei in seinem Fall der Begriff Crossover besser trifft. Dennoch, die Bodenfreiheit wirkt erstaunlich erhöht und eine der coolen Ideen des C4 Cactus, die Airbumps, würde auch gut zu echten Offroadern passen.

Mit einer Gesamtlänge von 4.16 m und einem Radstand von 2.60 m trifft der C4 Cactus genau in das Herz des C-Segments, der so genannten Golfklasse. Mit dem Motorenangebot von 75 PS bis 110 PS gehört er aber ganz klar zu den „Vernunftlösungen“.

Anders sein wird belohnt

Der C4 Cactus ist endlich wieder ein Citroën, der nicht nur Fremdmarken-Fahrer überrascht, sondern auch die, die bereits in den letzten Jahren Erfahrungen mit Citroën gesammelt haben. Der Innenraum ist für diese Fahrzeugklasse schon fast frivol freizügig. Die breiten Sitze lassen ein vergessenes Gefühl von Komfort und Freiheit aufkeimen. In Zeiten von pseudo-sportlichen Sitzhockern ist der C4 Cactus eine komfortable Wohltat.

Der Innenraum wurde wohlig minimiert. Ein simpler Digitaltacho und eine Multimedia-Einheit, die auf unnötige Taster verzichten kann. Das lenkt die Konzentration auf die kleinen liebenswürdigen Details im Innenraum. So wurde zum Beispiel der Beifahrer-Airbag in den Dachhimmel gepackt, damit entsteht für den Beifahrer ein großes Handschuhfach, dessen Öffnung nach oben  anstatt nach unten vollzogen wird. Liebevolle Dekors und der Eindruck, als würde das Handschuhfach von einem Ledergürtel verschlossen, runden das Wohlfühlgefühl ab. Der C4 Cactus hält im Innenraum, was sein avantgardistisches Äußere verspricht. Eine tolle Wiederentdeckung der Citroën-Ideen.

Wenngleich man sich über die Idee, die hinteren Seitenscheiben als „Ausstellfenster“ anstelle von normalen versenkbaren Scheiben einzubauen und über die nicht geteilt umklappbare Rücksitzbank erst einmal wundert. Aber irgendwie stört es nicht, nein es hilft sogar die Idee vom „cleveren“ Einfachauto zu verstehen. Was man nicht wirklich braucht, spart man sich. Oder man lässt es ganz weg.

Der Cactus aus der Sicht des Technikers

Dass der C4 Cactus rein technisch mehr mit dem C3 zu tun hat als mit dem C4 hilft auch, eine andere Tugend aus der vergangenen Zeit zu beleben. Das niedrige Leergewicht. Als Dreizylinder-Cactus liegt das Leergewicht nur knapp oberhalb von 1.000 Kilogramm und damit deutlich unterhalb des Durchschnitts in der Golf-Klasse. Die Airbumps an der Seite der Türen dürften nicht leichter sein als normale Türen, da die Polyurethane-Platten ja zusätzlich zum normalen Türblech montiert werden. Dafür sparen eine aus Aluminium gefertigte Motorhaube und moderne Fertigungsverfahren beim Schweißen der Karosse überflüssige Pfunde ein. Das niedrige Gewicht des Cactus hilft aktiv die Kosten zu senken und dann auch kleinere Motoren zu verwenden. Wobei der Testwagen mit dem sehr empfehlenswerten BlueHDI100 Dieselmotor ausgestattet war.

Diesel können die Franzosen einfach

Vier Zylinder, 1.6 Liter Hubraum, 99 PS und 254 Nm Kraft. Die Zahlen des BlueHDI lassen es zusammen mit dem niedrigen Leergewicht des Cactus erahnen: Hier muss niemand verzichten. Als Testwagen hat der Cactus bei uns knapp 1.100 km zurückgelegt und davon viele km auf der Autobahn verbracht. Mehr als 8 Liter (auf 100 km) konnten selbst bei extremen Touren nicht durch die Einspritzdüsen gedrückt werden. Im Normalfall sind es jedoch eher 5.3 Liter, die sich der Cactus genehmigt.

Dabei wirkt der Cactus auf der Autobahn gut motorisiert. Das Fünfganggetriebe ist für die Praxis abgestimmt und auch beim Federungskomfort kommen die französischen Gene durch.

Als typischer Fronttriebler spulte er sein Pensum sicher und milde untersteuernd ab. Das passt so, wie es ist. Der Cactus verzichtet auf Dynamik-Quatsch und verwöhnt mit den bequemen Sitzen, dem soliden Fahrwerk und dem starken Dieselmotor. Und trotz des hart nagelnden Diesels ist der Geräuschkomfort im Alltag überzeugend!

Citroën C4 Cactus Fahrbericht 06 Test BlueHDI100

Der Cactus aus der Sicht des Vertriebs

In Zeiten von Plattform-Techniken und markenübergreifenden Kooperationen wird es für Automobil-Hersteller immer schwieriger, dem eigenen Auto auch einen ganz eigenen Charakter zu verpassen. Mit dem Cactus macht Citroën das sehr clever. Neben dem Design mit gänzlich neuen Elementen.Die Idee, große Kunststoffpolster zum Schutz von Kratzern einzusetzen, klingt in Zeiten von voll lackierten Kunststoff-Stoßfängern ja schon fast nach Rebellion.  Dazu der Innenraum mit reduzierten Bedienelementen. Irgendeinem Controller war wohl sogar der Drehzahlmesser zuviel und er hat auch diesen, in einer Art von Übereifer, weggespart. Das alles wirkt, dank der liebevollen Details in Material und Verarbeitung, aber eher sympathisch, denn verdrossen sparsam. Wenngleich sich nie das Gefühl von „Verzicht“ einstellt. Als Fahrer empfindet man das „Weniger ist mehr“ des Cactus als Wohltat.

Weniger ist mehr

Doch auch in der Preisliste hat ein Umdenken stattgefunden. Weniger ist mehr, das gilt nur beim Basis-Cactus. Hier ist ein Basis-Preis von € 13.990 sympathisch bis revolutionär. Wir denken daran: Der Cactus hat schon fast Golf-Größe. Allerdings hat auch Citroën verstanden, wie das Spiel mit den Extras und den feinen Details funktioniert.

Der BlueHDI100 Testwagen kostet in der „Shine-Ausstattung“ 22.390 € und lässt sich mit Park-Assistent, Individual-Lackierung, Panorama-Glasdach, Sitzheizung und schicken Felgen auch auf über 25.000 € pushen. Damit ist der Charakter des „günstigen“ Cactus erst einmal verflogen. Übrig bleibt ein cooler Cactus.

Ein Auto, das durch seine Andersartigkeit und dem Weglassen von Gewohntem gewinnt.

Testverbrauch

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[tab title=“Alltagsfahrer“]Im Normverbrauch gibt Citroën einen Mittelwert von 3.4 Litern je 100 Kilometern an. Im Zyklus für den Alltagsfahrer sind wir auf 5.5 Liter gekommen.[/tab]
[tab title=“Öko-Experte“]Im Öko-Test haben wir den Verbrauch unter die 5 Liter Marke gedrückt und 4.4 Liter erreicht.[/tab]
[tab title=“Ohne Rücksicht“]Und wenn man alles heraus presst, viel Autobahn fährt, dann kommen 8.1 Liter in der „Vertreter-Runde“ heraus.[/tab]
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Citroën C4 Cactus Fahrbericht 69 Test BlueHDI100

Kritikpunkt:

Mit allem könnte ich leben: Den Ausstellfenstern hinten, der nicht geteilten Rücksitzbank und den schrägen Airbumps. Aber ohne Drehzahlmesser fühlt man sich wie ein Fahranfänger.

Citroën C4 Cactus Fahrbericht 07 Test BlueHDI100

Fazit:

Der Cactus macht so vieles anders als die etablierten Mitbewerber. Das macht ihn so französisch, so „Citroën“. Und trotzdem hat man nie das Gefühl, etwas  zu verpassen. Das Platzangebot ist mehr als ausreichend, Omas Sessel in Reihe eins, eine Wohltat. Und der knackige Diesel passt auch an ein ältliches 5-Gang Getriebe.

Was für eine gelungene Vorstellung!

Vollständige Testwagen-Galerie? Hier!

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Fahrzeugschein: Citroën C4 Cactus BlueHDI 100

Hersteller: Citroën
Typ: C4 Cactus
Klasse: Crossover C-Segment
Motor: R4
Getriebe: 5G manuell
Antrieb: Frontantrieb
Hubraum: 1.560 ccm
Leistung / Leistung (E-Motor): 99 PS b. 3.750 U/min | –
Drehmoment: / Drehmoment (E-Motor): 254 Nm b. 1.750 U/min | –
Gewicht Fahrfertig: 1.145 kg (EWG m. Fahrer)
Von 0 auf 100: 10,7 s
Höchstgeschw.: 184 km/h
Verbrauch Benzin (NEFZ): 3.4 Liter
CO2-Ausstoß (NEFZ): 89 g/km
Emissionsklasse: EU 6
Effizienzklasse: A+
cW-Wert:
Kommentar:
Fotos im Artikel: Bjoern Habegger  Titelbild: Bjoern Habegger

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