Fahrbericht: Jaguar F-Pace SVR

Eigentlich folgt Jaguar der „Vision Zero“ und will sich vom Verbrenner verabschieden. Doch bevor die Briten ihre Autos an die Leine legen, leisten sie sich jetzt nochmal eine gehörige Portion Unvernunft und gehen mit dem nachgeschärften F-Pace SVR in die letzte Runde.

Von wegen Kuschelkatze auf Samtpfoten. Ja, seit der Halbzeitpause letzten Winter gibt es den Jaguar F-Pace nicht nur mit aufgefrischtem Design und neuem Entertainment, sondern als erstes Auto der Briten auch als Plug In-Hybrid, der flüsterleise durch die Stadt schnurrt und immerhin schon mal 50 Kilometer lang das Versprechen der rein elektrischen Jaguar-Zukunft vorwegnimmt. Und alle anderen Motoren fahren zumindest als Mild-Hybriden auf grünem Kurs. Doch so ganz hat sich die Großkatze im SUV-Dschungel ihre Krallen noch nicht stutzen lassen. Im Gegenteil: Denn als wollten sie dem neuen Konzernchef Thierry Bolloré mit seiner „Vision Zero“ noch einmal zeigen, wo der Hammer hängt, reicht die Abteilung für Special Vehicles Operations jetzt doch wieder das SVR-Modell für den Konkurrenten von Mercedes GLC und BMW X3 nach. Aus gutem Grund, sagt Michael van der Zande, der Chef der Scharfmacher: „Der originale F-Pace SVR aus dem Jahr 2018 war bereits extrem charakterstark, wurde von den Kunden bestens aufgenommen und avancierte zum bis heute meistverkaufen Jaguar SV-Modell.“ Und ist ganz nebenbei eine einträgliche Einnahmequelle. Denn wo beim F-Pace im neuen Modelljahr bis dato mit 87.629 Euro Schluss war, reicht die Preisliste mit dem SVR-Modell nun bis 105.438 Euro, wobei es natürlich auch da Platz für Extras gibt.  

Kompressor für einen schönen Klang

Dafür gibt es neben einer Prise mehr Provokation im Design und einem sportlich aufgemöbelten Innenraum vor allem den ebenso anachronistischen wie archaischen V8-Motor, der den F-Pace zur Dampframme unter den getunten Geländewagen macht. Mit seinen fünf Litern Hubraum ist er nicht nur deutlich größer als die Motoren bei AMG, bei Porsche oder der M GmbH. Als einziger setzt er auf einen Kompressor statt Turbos, hat deshalb den spontaneren Antritt und den leidenschaftlicheren Klang. Und auch wenn es das Triebwerk jetzt seit mehr als einer Dekade gibt, kitzeln die SV-Ingenieure jedes Mal wieder ein bisschen mehr heraus. So bleibt zwar die Leistung auf 405 kW/550 PS limitiert, doch die Drehmomentkurve steigt noch einmal um 20 Nm und gipfelt nun bei 700 Nm, und mit einem neuen Wandler sowie einer Launch-Control nimmt der neue SVR seinem Vorgänger beim Kavalierstart immerhin drei Zehntelsekunden ab.

Das reicht für Fahrleistungen, bei denen Bleifüße nervöse Zuckungen bekommen und Klimaschützern der Kamm schwillt. Denn warum in aller Welt muss man einen Zweitonner in 4,0 Sekunden von 0 auf 100 wuchten und danach bis auf jetzt sogar 286 km/h beschleunigen? Sinnvoll ist das ganz sicher nicht, aber es macht eben Spaß. Und je weniger man solche Fahrleistungen erwartet, desto eindrucksvoller ist das Erlebnis. 

Man muss das Raubtier gut in Zaum halten

Allerdings geht es auch im SVR wie so oft nicht um Topspeed, sondern vor allem um die vielen kleinen Sprints auf den kurzen geraden zwischen zwei Kurven, mit denen man aus einer Landpartie eine Lustreise wird, weil der Puls in die Höhe schnellt und das von den Fliehkräften aufgeschaukelte Popometer Freudensprünge macht. Erst recht hier in der Eifel, wo der Jaguar im Jagdfieber über die kleinen Nebenstraßen hetzt, als wolle er die Prototypen rund um den Nürburgring zum Frühstück verputzen. Klar, erfordert der Ritt über die Berg-und-Tal-Bahnen zwischen Trier, Koblenz und Köln in so einem hochbeinigen Auto mehr Konzentration als in einem flachen Sportwagen wie dem F-Type und so gut die Briten die Lenkung nachjustiert und die Bremspunkte präzisiert haben, muss man sich schon etwas anstrengen, um den Wagen auf der Ideallinie zu halten. Doch macht der SVR seine Sache ausgesprochen gut und gibt sich wunderbar engagiert und erdverbunden. 

Sportlich, nicht komfortabel

Wer nach ein paar Kilometern genug hat von der Kurvenhatz, vom Wimmern der Reifen im Kampf mit zwei Tonnen schweren Brocken und vom Crescendo aus dem Sportauspuff und deshalb die Zügel etwas lockerlässt, der erlebt die eigentlich überraschendere Seite des F-Pace SVR. Denn anders als viele andere Modelle aus dem Werkstuning kann der Jaguar Raubtier und Schmusekatze und gibt sich bei gemächlicher Gangart entsprechend zahm. Klar, poltern die riesigen 21-Zöller mit ihrer dünnen aber dafür umso breiteren Gummipelle weiter schmerzlich über jede Bodenwelle. Aber das Fahrwerk müht sich im Komfortmodus tatsächlich um ein wenig Rücksicht auf die Bandscheiben, das Knurren aus dem Auspuff wird zu einem Schnurren und das Gaspedal reagiert so sanft, dass man im Stau nicht immer gleich einen Sprung macht, nur weil man zum Vordermann aufschließt. 

Doch auch mit dieser überraschend zahmen Seite ist der Jaguar F-Pace SVR natürlich genau das Gegenteil dessen, was Konzernchef Thierry Bolloré mit der Vision Zero versprochen hat und er passt in die elektrische Zukunft so gut wie eine Raubkatze in den Streichelzoo. Und bei allem Trotz haben auch die SVR-Ingenieure das Gebot der Stunde gehört und ihren Beitrag auf dem Weg zu weniger Emissionen geleistet: Im neuen Modelljahr braucht der V8 zumindest in der Theorie einen halben Liter weniger. Nicht, dass es bei noch immer 11,4 Litern wirklich einen Unterschied machen würde. Aber es soll niemand sagen, sie hätten sich nicht bemüht.

Technische Daten
Viertüriger, fünfsitziger Geländewagen der gehobenen Mittelklase; Länge: 4,76 Meter, Breite: 2,08 Meter (Breite mit Außenspiegeln: 2,16 Meter), Höhe: 1,67 Meter, Radstand: 2,87 Meter, Kofferraumvolumen: 793 – 1.440 Liter

5,0-Liter-V8-Kompressor; 405 kW/550 PS, maximales Drehmoment: 700 Nm bei 3.500 – 5.00 U/min, Allradantrieb, Achtgang-Automatik, 0-100 km/h: 4,0 s, Vmax: 286 km/h, Normverbrauch: 11,4 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 260 g/km, Abgasnorm: Euro 6d, Effizienzklasse: G, Preis: ab 105.438 Euro

Kurzcharakteristik
Warum: Weil kein anderer Motor so archaisch ist
Warum nicht: Weil keiner so anachronistisch ist
Was sonst: Mercedes-AMG GLC 63, Porsche Macan Turbo, BMW X3M
Wann kommt er: sofort