Mit den größten Eindruck macht diese Stille. Dabei prasseln kleine Steinchen unaufhörlich in den Radkästen und dennoch, der erste und größte Eindruck ist diese Stille. Motorsport war doch immer geprägt vom Motorgeräusch und gilt nicht dieses kreischen und plärren der Motoren mit zu den faszinierenden Eigenheiten des weltweit geliebten Motorsports? Und nun?
Das einzige Motorengeräusch in diesem Rennwagen klingt nach einer beschleunigenden S-Bahn, aber immerhin, dieser NISMO Leaf lenkt besser ein, als jede andere S-Bahn.
Testfahrt im NISSAN Leaf NISMO RC
Bislang sind Elektrofahrzeuge vor allem Technologieträger für eine grüne Zukunft, für ökologisch korrekte Fortbewegung von A nach B – doch wenn es nach dem Willen der Erfinder des Leaf NISMO RC geht, dann drücken Rennfahrer schon bald kein Gaspedal mehr durch, sondern ein „Wattpedal“. Eine Ausfahrt der besonderen Art konnte ich mit einem Elektroauto der besonderen Art machen:
Über die Rennstrecke von Castelloli mit dem Leaf NISMO RC:
Der NISMO Leaf wurde auf Basis eines Kohlefaser-Monocoques aufgebaut und ist 35 Zentimeter flacher geworden als der Serien-Leaf. Die Bodenfreiheit sank von 16 auf 6 Zentimeter und die Spurweite wurde um 17 Zentimeter verbreitert. Weil man im Prinzip nichts vom Serien-Leaf übernahm, vom E-Motor und den Batterien einmal abgesehen und auch sonst nur das einpackte was ein Rennwagen wirklich benötigt, sank das Gewicht auf unter 900 Kilogramm.
Der Einstieg über den breiten Kohlefaser-Schweller und durch die Sicherheitszelle ist leichter bewerkstelligt als gedacht und das, obwohl ich am Anfang wirklich große Bedenken hatte: So ist meine Figur doch nicht wirklich als sportlich zu bezeichnen. Eng wurde es vor allem im Vollschalensitz. So zusammengezwängt saß ich noch nie in einem Fahrzeug. Der Sitz war bereits vollständig zurück geschoben und dennoch, ich hätte gerne die Pedale ein wenig weiter weg gehabt und das Lenkrad ein wenig näher an mich heran. Aber gut – es sollte ja keine große Ausfahrt auf mich warten – die Strecke von Castelloli ist nur 4,2 Kilometer lang.
Von einem Vierpunkt-Gurt festgezurtt und womöglich untrennbar mit diesem Schraubstock ähnlichen Schalensitz verbunden, sollte es los gehen – langsam hinaus aus der dunklen Box in den Glanz der Katalanischen Sonne.
Keine Servounterstützung für die Lenkung und kein ABS für die Bremse – und was noch deutlicher war: Kein Motorsport-Geräusch. Auch wenn der Renn-Leaf aus Gewichtsgründen völlig ohne Dämmmaterial auskommen muss, der Geräuschpegel ist ungewohnt niedrig. Man wähnt sich in Watte eingehüllt und freut sich als Rennwagen-Novize über dieses kinderleichte „anfahren“. Andere Rennwagen beeindrucken und verängstigen Cockpit-Neulinge gerne einmal mit einer aggressive zu Werke gehenden Kupplung. Doch im Leaf gibt es kein Getriebe und somit keine Kupplung. Das anfahren gleicht dem los fahren mit einem Auto-Scooter auf dem Jahrmarkt. Einfach das rechte Pedal treten und der E-Renner surrt los.
Am Ende der Boxengasse drücke ich das rechte Pedal durch – der E-Motor beschleunigt den LEAF RC ohne Zeitverlust, wie am Gummiband gezogen auf die Start- und Zielgerade hinaus.
KEIN Bremskraftverstärker! Mahnt der Instruktor auf der Beifahrer-Seite – er empfiehlt mir, die Bremse „zu testen“ und ich erinnere mich an die Wirkung des Bremskraftverstärkers der ebenso fehlt wie ein ABS-Regelgerät und hämmere ein wenig zu fest in das Bremspedal – die Reifen schreien um Hilfe und zugleich um Haftung und blauer Rauch steigt kurz aus den Radhäusern auf – ich löse sofort wieder die Bremse und denke darüber nach, ob mein Instruktor mir nun böse ist – doch er nickt nur kurz und zeigt mir per Handbewegung, dass ich nun wieder Saft auf den E-Motor geben darf.
Die Reaktionen des Fahrwerks auf meine Lenkbefehle sind astrein und werden direkt und ohne Rückfragen umgesetzt, der Nismo Leaf wirkt straff, aber für die Rennstrecke durchaus weich genug abgestimmt um ein Feedback vom Fahrwerk zu bekommen, bevor die Räder die Seitenführung verlieren. Unter Last lässt sich dieser E-Rennwagen nicht zum Verlust der Haftung an der Hinterachse überreden. Die 18 Zoll großen Räder mit den Bridgestone-Sportreifen in der Größe 225/40 sind verlässliche Partner für diese Ausfahrt – einzig Lastwechsel mag der als Mittelmotor ausgeführte Renner aufgrund seiner leicht hecklastigen Gewichtsverteilung nicht!
Da ich von der Rennstrecke im Katalanischen Hinterland nicht mehr kenne, als die paar Meter die ich gerade vor mir liegen habe, ist es schwer zu beurteilen an welcher Stelle der Nismo Leaf RC an seine Grenzen kommen würde – nach nur einer Runde ist das kurze Abenteuer E-Rennwagen für mich bereits vorbei und ich muss wieder abbiegen in die Box.
Am Ende bin ich jedoch um zwei oder drei Erfahrungen reicher:
- Ein Rennwagen kann auch mit einem Elektromotor für Motorsport-Lust sorgen
- Der Leaf NISMO RC ist nicht ferngesteuert, sondern RC steht für „Racing Competition“
- Und ..
… ich muss dringend wieder Sport machen, noch ein paar Abend mehr bei Chips & Cola auf der Couch und ich wäre nicht in den Genuss gekommen, den Leaf Nismo über die Strecke fahren zu können!