Ein 911 GT3 muss einen feststehenden Riesenflügel haben? Von wegen. Ganz ohne Frittentheke macht das Spaßmobil das, was ein Spaßmobil machen soll: Spaß.
Seit mehr als 20 Jahren beflügelt der Porsche 911 GT3 die Fantasie von Motorsportfans, die bevorzugt auf eigener Achse zur Rennstrecke fahren. Hochdrehender Saugmotor und riesiger Heckspoiler sind seit den 1990er-Jahren die herausragenden Merkmale dieser speziellen Fahrmaschine, die sich über mehrere Generationen hinweg in vielerlei Hinsicht gewandelt hat. Dazu gehört neuerdings auch der Wegfall des feststehenden Heckflügels, was eingefleischte Fans besonders schmerzen dürfte. Doch wie sich bei einem Roadtrip mit der coupierten Spielart des letzten verbleibenden Saug-911ers zusammen mit den Rennfahrern Walter Röhrl und Timo Bernhard in der Mosel- und Saar-Region entlang berüchtigte Schauplätze der Rallye Deutschland zeigt, gibt es keinen Grund, alten Zeiten nachzutrauern. Dafür fährt der neue GT3 einfach zu perfekt.
Für die Straße gemacht
Bereits im Stand macht die Touring-Version eine beeindruckend gute Figur. Mit markantem Aerofeinschliff, riesigen Schmiederädern und abgesenkter Karosserie sieht der GT3 auch ohne Heckflügel deutlich drahtiger als viele seiner Baureihen-Brüder aus. Der stramme Athlet steht nicht einfach auf dem Asphalt, er schmiegt sich an diesen an – fast wie hingegossen.
Auffällig sind auch die Leuchten mit ihren minimalistischen LED-Grafiken, welche der klassischen Elfer-Silhouette noch eine futuristische Würze verleihen. Modern und klassisch präsentiert sich auch der Innenraum, der große Displays und Vernetzung gekonnt mit Sportwagen-Purismus in Einklang bringt. Die aufpreispflichtigen Vollschalensitze in Sichtcarbon nehmen den Fahrer fest in ihre hohen Wangen, zugleich bleibt das sogar elektrisch in Höhe einstellbare Gestühl selbst auf langen Touren bequem. Der Wagen wirkt sogar alltags- und stadttauglich, zumal dank Touring Paket kein großer Heckflügel die Sicht nach hinten versperrt.
„Touring-Paket“ klingt weichgespült, so als wäre dieser GT3 eher Reisemobil denn Sportgerät. Doch auf den Landstraßen der Moselregion mit ihren engen Serpentinen merkt man sofort, dass es sich um ein spitz ausgelegtes Tracktool für Fahrer mit sportlichen Ambitionen handelt. Die Präzision von Fahrwerk und Lenkung, die steife Karosserie, der gierige Saugmotor und seine reichlich vorhandenen Reserven verleiten immer wieder dazu, Kurven schneller als mit anderen Autos zu nehmen. Fehlender Anpressdruck aufgrund des fehlenden Heckflügels? Geschenkt! Der ist was für trackaffine Zehntelsekunden-Fuchser. Das trifft auch aufs Handschaltgetriebe zu – für viele GT3-Fans ein Muss. Doch das Doppelkupplungsgetriebe in unserem Testauto verrichtet seine Arbeit derart überzeugend, dass man auf Handarbeit leichthin verzichten kann.
Bleibt sportlich abgestimmt
Trotz einiger Komfortdetails erlebt man den GT3 weiterhin auch als hart und laut. Da sind Pausen willkommen. Auf der ersten genießen wir auf einem hoch gelegenen Parkplatz den Blick über das unter uns liegende Moseltal sowie auf kleinste Sträßchen zwischen Weinstöcken, zwischen denen sich Walter Röhrl 2001 mit einem GT3 der ersten Generation bei einer Wertungsprüfung der Rallye Deutschland durchkämpfen musste. Es klingt abenteuerlich, wenn die Rallye-Ikone schildert, wie die einstige Heckschleuder in den Fahrer in extrem engen Spitzkehren forderte. „Porsche war in den Händen eines Könners gut, aber für den Laien war das Auto speziell“, blickt Röhrl auf seine vielen 911-Erfahrungen zurück.
Doch verklären will der Rennprofi die Vergangenheit nicht. Beim Blick auf die jüngste Evolutionsstufe des GT3 bringt er es auf den Punkt: „Es ist unglaublich, wie die Autos mittlerweile fahren. Wenn wir als Rallyeauto die Leistung und das Fahrverhalten gehabt hätten, hätten wir früher alles gewonnen.“ Selbst neuzeitlichen Errungenschaften wie dem Schleuderschutz kann der Profi etwas abgewinnen. In den frühen Entwicklungsstufen kritisierte er das Porsche-eigene PSM noch als „Schnellfahrverhinderungsanlage“, doch heute erlaubt der Stabilitäts-Manager extreme Manöver und schnelle Kurvenfahrten, bei denen man die Eingriffe als Unterstützung statt als Bevormundung erlebt. Auch der einst hydraulischen Servolenkung trauert Röhrl nicht nach, denn die mittlerweile übliche elektronische Lenkunterstützung empfindet er im Elfer als ebenbürtig.
Porsche 911 GT3: Klingt wie ein Sportler
Nostalgie kommt dennoch ein wenig auf, vor allem, wenn es um das emotionale Erlebnis des Elfer-Sounds geht. Der war auch für Timo Bernhard bei seinem GT3-Einsatz bei der Rallye Deutschland 2011 prägend. Für den Rundstrecken-Profi wurde die Teilnahme vor allem auch deshalb zu einem besonderen Erlebnis, weil die Zuschauer an den Wertungsprüfungen geduldig auf ihn warteten, da viele Fans den Sound des einzigen 911er auf der Strecke erleben wollten. So erlebte es zehn Jahre zuvor auch Walter Röhrl, denn sein Saug-Sechszylinder bot ebenfalls ein einzigartiges Klangerlebnis, das sich deutlich von den damaligen Rallyefahrzeugen mit ihren damals um fünfeinhalbtausend Touren drehenden Turbomotoren abheben konnte.
Auch heute versprüht der analoge Klang des neuen GT3 diese besondere Magie. Entsprechend blieb das Radio während unserer Testfahrt ausgeschaltet. Hart, kernig und vielschichtig ist der Ohrenschmaus, den der bis zu 9.000 Touren drehende Sechszylinder Insassen und Außenwelt liefert. Bei moderater Drehzahl und wenig Drosselklappenstellung bleibt das Fahrzeug akustisch zurückhaltend.
Zwar scheint der GT3 mit seinem rauen Sound und einem Verbrauch in stets zweistelligen Regionen angesichts der Turbo- und Hybrid-Realität und der elektrischen Autozukunft fast wie aus der Zeit gefallen, doch für Walter Röhrl zählen andere Werte: „Das erste ist natürlich der Saugmotor mit 510 PS, der für jeden Fahrer sehr beeindruckend ist. Ein Saugmotor ist für den Laien auf der Rennstrecke viel einfacher zu kontrollieren als ein Turbomotor. Für Kunden, die mit einem 911er vor allem auf der Rennstrecke aber auch auf normaler Straße fahren wollen, ist der GT3 natürlich ein Traumauto.“
Technische Daten
Zweitüriger, zweisitziger Sportwagen; Länge: 4,57 Meter, Breite: 1,85 Meter (inkl. Außen-spiegel 2,03 m), Höhe: 1,28 Meter, Radstand: 2,46 Meter, Kofferraumvolumen: 132 Liter
4,0-Liter-Sechzylinder-Benziner, 375 kW/510 PS, maximales Drehmoment: 470 Nm bei 6.100 U/min, Siebengang-Doppelkupplungs-Getriebe, Heckantrieb, 0-100 km/h: 3,9 s, Vmax: 320 km/h, Normverbrauch: 12,9 Liter/100 Kilometer (WLTP), CO2-Ausstoß: 292 g/km (WLTP), Abgasnorm: Euro 6d, Effizienzklasse: G
Preis: ab 170.969 Euro
Kurzcharakteristik
Warum: weil er ein atemberaubendes Fahrerlebnis und spektakuläre Optik ganz ohne Riesenflügel am Heck bietet
Warum nicht: weil auf dem Track im Kampf um Zehntelsekunden der Abtrieb entscheiden kann
Was sonst: Mercedes-AMG GT R, Ferrari F8 Tributo, Lamborghini Huracán