Fahrbericht SsangYong Korando 2019
Vom rauhbeinigen Geländewagen zum Mainstream-City-SUV
Die Sache mit dem Design hat etwas gedauert. Das Image von SsangYong war bisher bestimmt durch optisch eher schwere Kost. Die Modelle, mit denen die Koreaner ihre „Offensive“ in Europa einst starteten, ließen deutlich militärische Blaupausen erkennen. Die Wurzeln des Korando führen zurück zu dem Jeep, der ab 1954 in Lizenz von dem heute drittgrößten koreanischen Autohersteller gebaut wurde. Der Erfolg solcher schlichten, primär robusten Geländewagen beruhte zentral auf ihrem Preis, der so weit unterhalb der Konkurrenz lag, dass man über die krude Karosserie-Mischung aus Jeep- und Lada-Elementen hinwegsah, als die ersten Korandos ab 1996 in Europa aufkreuzten. Inzwischen hat der indische SsangYong-Mutterkonzern Mahindra die italienische Design-Topadresse Pininfarina unter seine Fittiche genommen – das Thema Design hat erkennbar jetzt auch bei SsangYong ein anderes Gewicht und Gesicht.
In vierter Generation deutlich sportlicher
Der neue Korando reiht sich ohne Scheu oder Scham in die große Riege der Mittelklasse-SUVs ein. Mit 4,45 Metern Gesamtlänge bringt er das Gardemaß in diesem Mainstream-Segment mit, wobei auffällt, dass durch vier Zentimeter mehr an Breite (1,87 Meter) und eine auf 1,62 Meter (minus 5,5 Zentimeter) abgesenkte Dachlinie die Präsenz deutlich sportlicher daherkommt. Der Kniff, die C-Säule nicht voll zu lackieren, sondern schwarz gegen das Dach abzusetzen, gibt diesem eine leicht schwebende Dynamik mit auf den Weg, je nach Grundfarbe mehr oder weniger markant.
Auch in Details finden sich erfreuliche Veränderungen. Von der Abgasanlage ist nicht einmal mehr das Endstück mehr zu sehen, aus der Seitenlinie modellieren sich nach der B-Säule sichtbare Flanken. Die sorgfältig eingepassten Türdichtungen halten Zugluft und Geräusche effizient vom Innenraum fern. Alle Türen überlappen jetzt die Seitenschweller, was sicherstellt, dass das Aussteigen aus einem verschmutzen Korando keine unschönen Spuren an der Kleidung hinterlässt.
Auch mit Allrad nicht mehr als 2.000 Kilogramm Zuglast
Drinnen kommen die Passagiere – vom Mittelplatz einmal abgesehen – überaus bequem unter. Sowohl der Fußraum als auch der über dem Kopf sind großzügig bemessen. Für das Raumangebot machen sich 2,68 Meter Radstand sehr positiv bemerkbar. Was auch für das Gepäck gilt: 551 Liter als Standardvolumen können sich ebenso sehen lassen wie die maximale Hausnummer von 1.248 Litern auf einer durchgehend glatten Ladefläche. Was bei soviel Praktikabilität überrascht, ist, dass auch die Allradversionen des Korando nicht mehr als 2.000 Kilogramm Zuglast vertragen. Aber das Arbeitstier mag der Korando ohnehin nicht mehr sein. Für die Fahrvorstellung waren ausschließlich die Diesel-Versionen in der Top-Ausstattung Sapphire verfügbar. Die glänzt im wörtlichen Sinne mit reichlich Klavierlack-Oberflächen und Ledersitzen, die in Sachen Schulterhalt deutlich mehr bieten, als in der Klasse üblich. Dass sie voll elektrisch funktionieren, beheizbar sind und über Belüftung verfügen, blendet etwas über die knapp bemessene Sitzfläche hinweg. Das Auge streift über ein erkennbar nach Top-Niveau schielendes Ambiente, wobei der Klopftest an der Verkleidung dann aber doch erkennen lässt, dass es vor allem um den Eindruck von Hochwertigkeit geht. Was im Lichte eines Einstiegspreises von 22.990 Euro für die Basislinie „Crystal“ mit Frontantrieb und Benzinmotor sicher in Ordnung geht, denn technisch trägt SsangYong auch hier bereits kräftig auf. Tempomat, Notbremsassistent, Kollisionswarner, Müdigkeitserkennung, Spurhalteassistenz mit Warnfunktion, elektrisch anklappende und beheizbare Außenspiegel, DAB-Audio mit MP3 und Bluetooth-Freisprechanlage sind nur ein Ausschnitt aus der sehr guten Grundausstattung, die nach oben keine Lücken mehr lässt, mit Ausnahme einer automatischen Einparkfunktion. Mit allem, was geht, kommt der Korando allerdings recht locker über die 40 000-Euro-Schwelle, bleibt aber auch dann noch deutlich unter den Preisen, die seine direkten Wettbewerber mit solcher Ausstattung dann aufrufen.
Verkehrszeichenerkennung müsste nachgebessert werden
Nicht ganz überzeugen konnte uns die serienmäßige Verkehrszeichenerkennung. Wird im generell sehr ansprechenden 10,25 Zoll breiten Digital-Cockpit nicht eigens die Einblendung der Verkehrszeichen aufgerufen, wiegt einen das Navigationsgerät leider oft in falscher Sicherheit. Die dort angezeigten Geschwindigkeitshinweise in Form der Schilder bilden lediglich ab, was im Kartenmaterial hinterlegt wurde. Was die Kamera auf der Straße aktuell erkennt, ignoriert das Navi. Da wäre sicher Nachbesserung geboten. Bei der Wahl des Antriebs überlassen die Koreaner den Kunden alle Freiheiten. Die vier Ausstattungslinien oberhalb der erfahrungsgemäß kaum marktrelevanten Basisversion Crystal können für 2.000 Euro Aufpreis mit automatischem Allradantrieb (wahlweise dann mit manueller oder automatischer Sechsgangschaltung, für die ebenfalls 2.000 Euro fällig sind) kombiniert werden. Das gilt sowohl für den Benzin- wie den Dieselmotor. Bei den beiden neu entwickelten Vierzylindern mit 1,5 und 1,6 Litern Hubraum hat der 1,5 Liter Turbobenziner leistungsmäßig mit 163 PS die Nase vorn. Mit 280 Newtonmetern (Automatikversionen 260 Nm) bleibt er dann aber hinter dem 136 PS starken Diesel (300 Nm; Automatik 320 Nm) zurück. Der Allradantrieb arbeitet automatisch und voll variabel, für anspruchsvolles Gelände bringt er eine Sperr-Funktion mit. Auch das alles andere als Klassenstandard.
Direkte, aber auf Leichtigkeit getrimmte Lenkung
Die auf den Testfahrzeugen aufgezogenen 19-Zoll-Räder bestärken sicher den etwas herben Federungseindruck noch. Die Lenkung ist zwar direkt, aber wie häufig sehr auf Leichtigkeit getrimmt. Dass sie nahezu alle Rückmeldungen von der Fahrbahn auf dem Wege bis zum Lenkrad herausfiltert, ist ein unschöner Nebeneffekt dieser weitverbreiteten Vorstellung von Komfort.
Der Diesel erfreut beim Fahren durch akustische Zurückhaltung. In Sachen Dynamik darf man von ihm keine Heldentaten erwarten, aber 180 km/h als Höchstgeschwindigkeit. Auf einer gut gemischten Teststrecke mit Stadtverkehr, Landstraße und Autobahn im Rheingau benötigte der Korando 1,6e-XDi mit Automatik 6,2 Liter im Durchschnitt, laut Messung durch den Bordcomputer.
Text : Solveig Grewe
Bilder : Hersteller
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