Fahrbericht: Toyota GR 86

Ohne E-Unterstützung wagt sich heute kaum noch ein Neuer auf die Straße. Ausgerechnet Hybrid-Pionier Toyota bringt jetzt mit dem GR 86 ein leichtes Spaßmobil, das im grünen Bereich ein absoluter Fremdkörper ist.

Politisch korrekt wollen in diesen Tagen viele sein. Manch Saulus fährt längst als Paulus elektrifiziert durch die Lande. Und plötzlich biegt da mit dem Toyota GR 86 ein Auto um die Ecke, dass außer Fahrspaß nicht viel zur Rettung der Welt beitragen kann. Kaum was im grünen Bereich und offenbar doch ein Typ, der viele bewegt. Nur drei Wochen nachdem Toyota im März die Bestellungen für den neuen GR 86 freigegeben hatte, war die Jahresproduktion von 600 Fahrzeugen für Deutschland auch schon ausverkauft. Wer ganz viel Glück hat, findet noch einen beim Toyota-Händler seines Vertrauens. Noch heißer waren nur die Briten, da waren nach 90 Minuten alle weg.

Bleibt sich treu

Was macht den G86 so attraktiv, das Kunden Herz und Portemonnaie öffnen, mindestens 33.990 Euro überweisen, ohne einmal hinterm Steuer gesessen zu haben? Optisch hat sich der Nachfolger des GT86 kaum verändert. Toyota setzte beim GR, der aus der Zusammenarbeit mit Gazoo Racing hervorgeht, das feine Skalpell an. Der 2+2-Sitzer unterscheidet sich nicht wirklich radikal vom Vorgänger, der 2020 eingestellt wurde. Proportionen und Abmessungen bleiben nahezu identisch.

Wie bei seinem Zwilling Subaru BRZ sitzt der Motor vorne und der Antrieb hinten. Das war nicht verhandelbar. Alles andere wäre für Freunde der gepflegten Querbeschleunigung ein No-Go.

Fahrbericht: Toyota GR 86
Bei nahezu optimaler Gewichtsverteilung (53 % vorn, 47 % hinten), schiebt das 4,27 Meter lange Sportcoupé nur minimal über die Vorderräder

Auch der GR 86 ist optisch eine Reinzeichnung der schönen alten GT-Zeit. Die seitliche Silhouette spannt sich über einen Muskel, der schon im Stand nicht lockerlässt. Kurzes, stramm auslaufendes Heck mit zwei mächtigen Trompeten, kompakte Fahrerkabine, lange Schnauze. So funktionierte Fahrspaß schon Ende der Sechziger, zu Hochzeiten der kultigen, kleinen Spaßcoupés. 

Nur noch wenige dieser Art

Nur wenige Hersteller sind dem Konzept der puristischen Zweitürer treu geblieben. Zu aufwendig, zu kleine Stückzahlen, vom Image nicht mehr passend zum grünen Weg. Die letzten ihrer Art kommen von Mazda (MX-5 RF) oder mit Abstrichen von BMW (2er-Coupé). Das war‘s. Toyota indes betreibt den Freizeit-Sport besonders konsequent. Der GR 86 ist nach Yaris und Supra bereits der dritte Kamerad aus der Gazoo Racing-Truppe, der es nicht besonders schwer hat, sich sporlich in Szene zu setzen. Befreit von Ballast nimmt Bruder Leichtfuss weniger als 1.300 Kilogramm mit auf dem Weg zur nächsten Kurve mit. Da kann man heute schon von Idealgewicht sprechen. Mit einem hohen Anteil an Aluminium im Blechkleid speckt der GR rund 15 Kilo im Vergleich zum GT ab. 

Dass es Toyota mit dem zivilen Ungehorsam absolut ernst meint, zeigen die Akribie und der Aufwand, den sie ins Feintuning gesteckt haben. Angestachelt und immer wieder eingefordert vom Oberboss und Oberracer Akido Toyoda. Die Steifigkeit der Karosserie wurde zum Vorgänger um gut 50 Prozent erhöht, der Schwerpunkt weiter abgesenkt, Performance-Reifen der Marke Michelin Pilot Sport 4 aufgezogen. Und, na klar, das Entscheidende: Hubraum, Drehmoment sowie die Leistung steigen. Der Vierzylinder-Boxer hat nun 2,4 statt Zweiliter Hubraum, das Drehmoment springt um 45 Newtonmeter auf 250, im Fahrzeugschein stehen jetzt 172 kW/234 PS – und damit 34 PS mehr als bisher. 

Man muss ihn fahren

Das allein hört sich noch nicht nach einem Abenteuer an, für das Vergnügungssteuer fällig wäre. Doch die Wahrheit liegt auf der Straße. Und da spielt der GR 86 plötzlich wie befreit auf. Wo sein Vorgänger noch kreischende, abstrus hohe Drehzahlen einforderte, um so etwas wie Feuer zu entfachen, fängt für unseren neuen Sportfreund schon kurz über 2.000 Umdrehungen der Spaß an. Der Gasfuß hat nun direkten Durchgriff auf die Mundwinkel und zieht sie mit jedem Stoß ein Stück höher.

Mehr Drehzahl heißt auch mehr Power und einen Bass von hinten, der sich frech an die Gänsehaut ran macht. Die Umsetzung erfolgt spontan und mit dem kräftigen Nachdruck, den viele bislang vermisst haben. 6,3 Sekunden braucht der GR 86 für den Sprint auf Hundert, 1,3 weniger als bisher. Auch zu untertourigem Fahren im hohen Gang lässt sich der drehmomenterstarkte Boxer nun überreden, das war ihm immer ein Gräuel. So gewinnt der Antrieb die Souveränität, die das schlanke Kleid bereits beim GT86 versprach, aber nie halten konnte. 

Auf abgesperrten Strecken macht der GR 86 aus mittelmäßig begabten Fahrern, schnelle Zeitgenossen. Die Reaktionen des deutlich optimierten Fahrwerks sind herrlich berechenbar. Bei nahezu optimaler Gewichtsverteilung (53 % vorn, 47 % hinten), schiebt das 4,27 Meter lange Sportcoupé nur minimal über die Vorderräder. Im Track-Modus lassen ESP und ABS die Zügel etwas lockerer und erlauben kontrollierbare Mini-Drifts, hier helfen die griffigen Michelins spürbar, wieder in die Spur zu kommen.

Das knackig kurz gestufte Schaltgetriebe gibt keinen Anlass, sich für die optionale Sechsgang-Automatik zu entscheiden, was ohnehin weniger als 20 Prozent tun werden, glaubt Toyota. An der Lenkung dreht es sich nun deutlich leichter als bisher, ohne dass Toyota dafür Zielwasser abgelassen hätte. Mit nur ganz kleinen Lenkkorrekturen lässt sich der GR 86 zentimetergenau durch Kurven dirigieren. 

Bequem und alltagstauglich

Die gute Nachricht für alle, die den GR 86 daheim argumentieren müssen: Er kann auch Alltag. Ja, er rollt straff ab, aber ohne mit übertriebener Härte zu nerven. Die Sportsitze sind überraschend bequem, die Bedienung geht leicht von der Hand, weil sich die meisten Funktionen über Schalter oder Drehknöpfe direkt regulieren lassen. In den Kofferraum passen 226 Liter, was gerade noch durch den Familienrat geht. Weniger akzeptabel wird dieser die Trinkfreudigkeit des Boxers finden, der bei zügiger Gangart gerne ins Zweistellige abdriftet und Toyotas weiße CO2-Weste mit fast 200 g/km belastet.

Auch die Geräuschkulisse ist eher grenzwertig. Ab Tempo 100 dringen vernehmlich Dröhnfrequenzen aus dem hinteren Bereich. Toyota erklärt dies mit der Reduzierung der Schallisolierung, um Gewicht zu sparen. Der GR 86 sei ja schließlich ein Sportwagen. 

Fahrbericht: Toyota GR 86
Das Cockpit ist auf Sportlichkeit ausgerichtet

Der im Übrigen nur für zwei weitere Jahre bei uns angeboten wird. 2024 ist bereits wieder Schluss mit lustig. Schärfere Abgasnormen werden dann die letzten ihrer Art politisch korrekt dahinraffen.

Technische Daten


Zweitüriges Kompakt-Coupé mit Heckantrieb; Länge: 4,27 Meter, Breite: 1,76 Meter, Höhe: 1,31 Meter, Radstand 2,58 Meter, Kofferraum 276 Liter
2,4-Liter-Vierzylinder-Boxermotor mit 172 kW/235 PS bei 7.000 U/min, maximales Drehmoment 250 Nm bei 3.700 U/min., Sechsgang-Schaltgetriebe,  0-100 km/h: 6,3 s, Vmax: 226 km/h, Verbrauch: 8,8 – 8,7 Liter/100 km (kombiniert nach WLTP), CO2-Emissionen: 198-200 g/km. Abgasnorm: Euro 6 AP, Preis: ab 33.990 Euro

Kurzcharakteristik


Warum: weil der GR 86 eines der letzten echten ungefilterten Spaßautos ist. 
Warum nicht: weil der grüne Bereich des GR 86 nicht mit dem grünen Bereich übereinstimmt, der politisch korrekt ist.
Was sonst: Mazda MX5 RF, BMW 2er Coupé
Wann kommt er: im Juni

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