Test: Mercedes-Benz GLE 350d

Er ist noch immer eine imposante Erscheinung, der Mercedes-Benz GLE 350d 4Matic, dennoch scheint seine Wirkung ein bisschen blasser. Wo man in Stuttgart gerade so richtig Fahrt aufgenommen hat, die Spitzenposition im Kampf um die globale Vormachtsstellung der Premium-Hersteller zurück erobert hat, neue Modelle im Wochentakt auf den Markt bringt, eine komplett neue Design- wie Technologielinie vorgestellt hat – da sitzt das große SUV ein bisschen zwischen den Stühlen.

Fahrbericht Mercedes-Benz GLE 350d

Zu alt, um Kind der aktuellen Formensprache zu sein und zu jung, um von Grund auf neu konstruiert zu werden, blieb nur der Zwischenweg über eine Modellpflege. Aus dem ML wurde der neuen Nomenklatur folgend der GLE, also der geländegängige Ableger der E-Klasse – mit der er technologisch tatsächlich sehr wenig zu tun hat – und er bekam eine neue Front, neue Leuchten am Heck, ein neues Getriebe und ein leicht geändertes Interieur samt frischem Infotainment mit auf den Weg.

Dass der Verzicht auf das radikal Neue nichts Schlechtes sein muss, zeigt sich vor allem beim Fahrgefühl. Denn das ist so angenehm und schwer, wie man sich das gemeinhin für einen großen Mercedes vorstellt. Ein feistes Trumm und doch kommod. Dabei ist er selbst der großen Freiheit nicht abgeneigt, denn entgegen der meisten seiner Konkurrenten scheut sich der GLE nicht vor dem Gelände. Selbst wer sein Kreuzchen nicht beim Offroad-Paket gemacht hat, wird erstaunt sein, was der 350d auf Abwegen tatsächlich zu leisten im Stande ist.

Generell gilt unbedingt: du entscheidest über tiefgreifende Auswirkungen des Fahrzeugcharakters allein über ein paar Kreuze in der Preisliste. Das Airmatic-Paket etwa, so wie in unserem Testwagen verbaut, bringt erst diese wirkliche Souveränität, dieses entkoppelte Gleiten, das erstrebte Schweben über den Dingen. Natürlich gilt das aber auch für die Dinge, die man nicht unbedingt wie ein Luftfederbein greifen kann, etwa das Fahrerassistenzpaket Plus, die Klimatisierungsautomatik auch im Fond, LED Intelligent Light System und nicht zuletzt das Comand Online-System.

Die Macht dieser geballten Systemkompetenz zeigt sich darin, wie spielerisch du plötzlich mit dem GLE 350d umgehst. Seine Größe stört dich nicht beim Parken, er macht das schließlich von alleine, er schaut für dich in den toten Winkel und hält die Spur in der engen Autobahnbaustelle. Nicht einmal den Dieselmotor nimmst du mehr als solchen wahr. Und das, obwohl es immer noch das alte Aggregat aus dem Vorgänger ist. Soll heißen: 3.0 Liter V6-Direkteinspritzer, 258PS mit 620Nm. Grund dafür ist die neue 9G-Tronic, ein Wunderwerk modernen Maschinenbaus. Unmerklich gleitet es durch die Fahrstufen, hält den Selbstzünder stets im fleischigen Drehmomentmassiv und doch drehzahlmäßig so im Hintergrund, dass du ihn kaum je zu dir durchdringen hörst.

Vielleicht ist es also doch nicht so schlecht, dass der GLE noch so ein bisschen ein Mercedes alter Schule ist? Auch wenn er im Handling oder im Verbrauch, ja selbst bei der Connectivity-Technologie nicht mehr auf Augenhöhe mit der Konkurrenz ist – 3.5 Tonnen Anhängelast, weit über 700kg Zuladung und dieses unglaublich viel Selbstvertrauen gebende Gefühl, dass man einen Mercedes-Benz fährt.

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