Test: Volkswagen Passat Variant GTE

Dieselgate! Einmal muss ich das böse “D-Wort” in diesem Artikel benennen. Denn Dieselgate (ups) dürfte als Katalysator* für das dienen, was jetzt in Deutschland im Bereich Plug-In Hybride und Elektromobilität machbar wird. Und dass man bei Volkswagen diesen Wirkbeschleuniger “hier das böses D-Wort einsetzen gar nicht nötig gehabt hätte – zeigt dieser Testwagen. Die Technik des VW Passat GTE ist erste Sahne und vorgestellt wurde der Technokrat mit dem Doppelherzen bereits im letzten Frühjahr.

 

“AusgeNOxt”

Fahrbericht und Test des VW Passat Variant GTE

Volkswagen Passat Variant GTE 026 Fahrbericht TEST

Schnörkelfrei 

Von vorne fällt der zierliche blaue Streifen, quer über die Front, kaum auf. Einzig die prominenten Tagfahrlichter in Sichelform lassen ahnen, hier kommt einer, der anders ist. Der Rest des Passat-Designs ist Wolfsburger-Technokraten Look. Nichts verspieltes, klare Linie, eindeutige Kante. Niedersächsische Designkultur in Einsen und Nullen gekleidet. Rationales form-follows-function-Design.

Es ist die Technik, die den Testwagen so besonders macht. Im Passat GTE kombiniert Volkswagen auf Basis des MQB-Baukastens einen Turbo-Benziner mit einem Elektromotor. Die 115 PS starke E-Maschine wurde zwischen Verbrenner und Doppelkupplungsgetriebe platziert. In Verbindung mit dem 9,9 kWh Lithium-Ionen-Batteriepack soll der Variant nun bis zu 50 km rein elektrisch unterwegs sein.

Die Systemleistung des 1.4 Liter Turbo-Benziners und des 85 kW Elektromotors gibt Volkswagen mit 218 PS an, die kombinierte Kraft beider Antriebe soll mit 400 Nm für mehr als souveränen Vortrieb sorgen. Schaut man sich die Papierwerte an, dann sind die 7.6 Sekunden bis auf Tempo 100 und 225 km/h Höchstgeschwindigkeit durchaus Werte, mit denen man in der Stammkneipe nicht an den Kindertisch verwiesen wird.

Hinzu kommen die Umstände des Leistungsversprechens: Eine NEFZ-Wert von 1.7-1.6 Liter Benzin auf 100 km soll ausreichen und damit den Tankwart zum Weinen bringen. Doch wer denkt, PHEV-Systeme würden den ersten Erhaltungssatz der Physik auf den Kopf stellen, der glaubt vermutlich auch an die Seligsprechung und stellt Wasserkästen in den Kofferraum des Passat GTE, auf dass sich diese in Weinflaschen verwandeln.

Nein – eines muss beim Thema Plug-In Hybrid ganz klar sein: “Norm-Verbrauchswerte” haben in der Realität eine Relevanz wie Kondome im Pfarrhaus.

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Links der TSI-Benziner, rechts die Steuerelektronik des E-Antriebs.

Der Plug-in Hybrid Passat im Alltagstest

Und dann steckt man den Passat Variant GTE von der Steckdose ab und erlebt sein “stilles Wunder”. Wir nutzen für unsere Stromer und Hybriden eine mobile Wallbox von car-go-electric.de mit 32-Ampere CEE-Stecker – könnten damit auch 22 kW laden, doch der Passat verfügt zwar über einen TypII-Stecker, gibt sich jedoch mit 3.6 kW Ladeleistung zufrieden. Zurück zum “stillen Wunder”.  Es ist für PHEV und E-Auto Novizen immer wieder ein Wunder. Mucksmäuschenstill setzt sich das Auto in Bewegung. Gefühlvolles Rangieren, kraftvolles Anfahren, flott aus der Ortschaft heraus beschleunigen. Der Passat Variant GTE macht das im E-Mode mit gespenstischer Stille.

Emissionsfrei durch den Alltag

Theoretisch, also nach NEFZ-Norm, soll der Passat Variant GTE bis zu 50 km rein elektrisch fahren. Das wiederum sind 50 Kilometer ohne lokale Emissionen. Wer seinen PHEV zudem zuhause mit dem Strom vom eigenen Hausdach füttert, der fährt auch im Realbetrieb und in der “echten Welt” emissionsfrei. Ein echter Anreiz. In unserem Alltags-Test hat der VW Passat Variant GTE unseren Mitsubishi Outlander PHEV-Dauertester für einige Zeit ersetzt. Das waren dann die üblichen Touren: Den Nachwuchs in die KiTa, zum Einkaufen in den Supermarkt, ein Ausflug – alles Fahrten, die kaum über 40 km gehen. Der Passat Variant GTE schweigt auf dieser Strecke. Eisern und still, einzig die Elektronen summen leise zwischen E-Motor und Batteriepaket hin und her. 40 Kilometer – ganz ohne sich zurück nehmen zu müssen. Eine erste Glanzleistung. Doch auf unsere Testfahrzeuge wartet noch eine “Norm-Verbrauchsrunde”. 44.7 Kilometer elektrische Reichweite haben wir hier messen können – Glanzleistung Nummer 2! Denn viele PHEV-Fahrzeuge, gerade die großen SUV von Premium-Herstellern aus Schwaben und Bayern, finden nur wenig Elektronensaft in der Batterie und müssen früh den Verbrenner anwerfen.

Die PHEV-Lösung im MQB-Baukasten des Volkswagen-Konzerns scheint hingegen nicht nur realistische Reichweiten zu ermöglichen, sondern auch eine ernsthafte Effizienz zu bieten. Wer braucht da noch einen Diesel? Und der NEFZ? Keine Relevanz. Es kommt einzig auf das tägliche Anforderungsprofil an!

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Charakterbildende Tagfahrleuchten

Auf Sauftour mit dem PHEV?

Sobald der Akku leergelutscht, die 44.7 Kilometer abgerissen sind, brüllt einen der Benziner an und säuft einem ein Loch in den Geldbeutel. Oder? Oder, nicht. War der Passat Variant GTE im EV-Modus bereits eine Überraschung, eine positive, liefert er im Hybrid-Modus sein Meisterstück ab. Wer sich den GTE-Modus verkneift, eine betont sportliche Abstimmung mit voller Leistungsausbeute und aggressiverer Gaspedalkennlinie, der kann sich für die Langstrecke sogar den Diesel verkneifen. Dass die adaptiven Dämpfer sich im GTE-Modus versteifen, soll den Fahrspaß erhöhen – wir empfehlen den Comfort-Modus. Eben auch für die Langstrecke. Im Alltag sowieso.

Eine Tages-Etappe von 700 Kilometern und entsprechend dem Pensum ansteigenden Durchschnittsgeschwindigkeiten realisiert der Passat Variant GTE mit unter 8 Litern. Je mehr Hirn bei der Fahrt verwendet wird, desto weiter sinkt der Verbrauch. Zügige und lange Etappen, der Vorteil der ersten 40 Kilometer minimiert sich ja mit jeder Stunde bei so einer Tour, lassen sich sogar unter 7 Liter realisieren. Und dabei sprechen wir noch immer von einem VW Passat. Von einem Auto mit Platz. Viel Platz. Mit einer ergonomisch perfekten Sitzposition und sehr bequemen Sitzen. Im Falle des Testwagens sogar mit dem optionalen Ergo-Gestühl ausgerüstet.

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ErgoComfort-Sitze im VW Passat. Sitzt sich gut!

Und dann war es ja auch ein Variant, der GTE. Ein Passat Variant.

Rund 4.80 Meter lang und 1.8 Tonnen schwer. Der Kofferraum des GTE hat zwar ein wenig verloren gegenüber den nicht so spannenden Antrieben, kann sich mit 483 bis 1.613 Litern aber noch immer sehen lassen. Und nutzen. Eine breite Kofferraumöffnung lädt zum Beladen ein.

Die enorme Reife des VW Passat schlägt sich in seinem Abrollkomfort und den Fahrgeräuschen wieder. Gerade im lautlosen E-Mode zeigt sich die ganze Burg-Charakteristik des Niedersachsen. Da klappert nix, es quietscht nichts. Das Finish im Innenraum ist ebenso über alle Zweifel erhaben. Die klare Line im Cockpit kann überzeugen. Bei der Anzahl der Schalter könnte man mal einen Praktikanten zu Tesla schicken, denn gerade die Vielzahl der Knöpfe, Wippen und Taster am Lenkrad kann verwirren. Dazu die drei Rädchen für die Klima und eine gute Handvoll Tasten rund um den Schalthebel des DSG-Getriebes. Zumindest die ersten 14 Tage wird man sich orientieren müssen, vermutlich. Da wir Testwagen aber üblicherweise nicht länger fahren als diese 14 Tage, ist eine einfache Orientierung besonders wichtig. (Stellen Sie sich vor, Sie fahren einen Mietwagen – da wünschen Sie sich auch eine Übersichtlichkeit und Logik in der Bedienung, die Sie nicht ablenkt.) Das moderne Touchscreen-Multimediasystem könnte VW in Sachen Grafikdarstellung und grafische UX noch einmal überarbeiten – ganz generell gefällt das System jedoch durch eine logische Benutzerführung und schnelle Reaktionen.

Highlight im Passat, ganz sicher, das leider nur optional erhältliche TFT-Cockpit. Eine schier unfassbare Flut an Informationen lässt sich hierüber darstellen. Dank der Option, diese nach den Schwerpunkten “Effizienz, Navigation, Reise oder klassisch” zu optimieren, kann man sich hier langsam herantasten. Das optionale Head-Up Display überzeugt mit knackscharfer Optik und praktischen Informationen.

Apple Car-Play? Natürlich auch möglich. Und mittlerweile auch sinnvoll und einfach zu nutzen.

Fazit

Die Zukunft fährt – erstmal – PHEV

Dass man nur mit 3.6 kW laden kann und so über 2.5 Stunden an der Steckdose hängt, ist einer der wenigen Kritikpunkte. Und mit 45.250 € ist er kein billiges Vergnügen.

Es kommt auf die Entfernung zur nächsten Steckdose an. Mit einer sinnvollen elektrischen Reichweite von rund 40 km im Alltag ist der Passat ein ideales Familien-Auto. Geladen an der Steckdose und im Alltag dann zumeist rein elektrisch unterwegs. Oder wer maximal 40 km pendelt und dann auch während der Arbeitszeit laden darf. Doch auch die Langstrecke muss er nicht fürchten. Der effiziente 1.4 Turbo passt gut zum System des Plug-In Hybrid Passat. Der Volkswagen Passat ist ein effizienter PHEV-Vertreter und ein exzellentes Alltagsfahrzeug. Einen Diesel braucht da wirklich niemand mehr!

[=” ” ]ABER: Einen Plug-In Hybrid zu kaufen, hat nur dann einen Sinn, wenn man die Chance hat, bei jedem Parken zugleich den Stecker in die Steckdose zu stecken. Oder zumindest täglich!

 

*Der Katalysator, ein Reaktionsbeschleuniger

[toggle title=”Motor und Getriebe”]

Volkswagen Passat

GTE

Bauart Vierzylinder  Turbo + Elektromotor
Hubraum 1.395 ccm³
Leistung 166 PS / 5.000 -6.000 U/min (Benziner)85 kW @2.500 U/min (Elektromotor)
Kraft 250Nm / 1.600 – 3.500 U/min (Benziner)400 Nm (Gesamtsystem)
Getriebe 6-Gang Doppelkupplung
Antriebsachse Frontantrieb
[/toggle] [toggle title=”Abmessungen und Fahrleistungen”]
Länge, Breite, Höhe 4.757, 1.832, 1.456 mm
Radstand 2.791 mm
Leergewicht 1.735 kg
 Wendekreis  –
Höchstgeschwindigkeit  225 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h  7,4 sec
Normverbrauch 1.7 – 1.6 l/100 km
[/toggle] [toggle title=”Kosten”]
Basispreis 45.250 €
Testwagenpreis 52.000 €
Rabatt-Chancen mittel
Wertverlust gering
[/toggle]
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