Wie wär’s mal mit Südkorea statt Süddeutschland? Als Alternative zu Audi, BMW und Mercedes lanciert Hyundai seine Luxus-Tochter Genesis jetzt auch bei uns. Zwar macht die Geschichte anderer Premium-Herausforderer aus Asien wenig Mut, doch die Zeiten ändern sich und das könnte den Koreanern in die Karten spielen.
Natürlich gehört die Konkurrenzbeobachtung zu den Kernaufgaben eines Automobilmanagers. Doch ganz so genau sollte Dominique Boesch da besser nicht hinschauen. Denn was der Europa-Chef des luxuriösen Hyundai-Ablegers Genesis da sehen würde, dürfte ihn wenig Hoffnung machen. Da sind auf der einen Seite die süddeutschen Platzhirsche Audi, BMW und Mercedes mit unerschütterlichem Renommee und zumindest in Deutschland den treuesten Kunden der Welt, die für ihn schier uneinholbar sind. Und da sind auf der anderen Seite die Nachzügler, Außenseiter und Herausforderer wie Jaguar oder Cadillac aus dem Westen oder Lexus und Infiniti aus dem Osten. Und auch die sind nicht das beste Vorbild. Denn keiner von denen bekommt in der deutschen Oberliga so richtig ein Bein auf den Boden und Infiniti hat das Abenteuer Europa sogar kleinlaut wieder beendet.
Doch Boesch lässt sich weder von den einen einschüchtern noch von den anderen entmutigen, sondern startet mit ein paar Monaten Corona-Verzug jetzt frohen Mutes den Vertrieb seiner Marke auf dem Kontinent: Mit drei Flagship-Stores in München, Zürich und London und einem Online-Direktverkauf wollen die Koreaner in diesem Sommer mit der Limousine G80 und dem technisch weitgehend baugleichen SUV GV80 gegen Autos wie den Audi A6 und den BMW X5 antreten und das Portfolio danach schnell erweitern. So stehen G70 und GV70 als Doppel aus Limousine und SUV in der Liga von Dreier und X3 bereits in den Startlöchern und einen kompakten eigens für Europa soll es bald auch noch geben, kündigen die Koreaner an.
Binnen fünf Jahren habe seine feine Tochter in Korea und in den USA etabliert, sagt Markenchef Jaehoon Chang: „Wir glauben, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für das nächste Kapitel in unserer Markengeschichte ist. Wir freuen uns darauf, das Genesis Erlebnis sowie unsere Premiumfahrzeugen endlich nach Europa zu bringen.“
Die Chancen für einen Erfolg sind allerdings denkbar gering, glaubt Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer: „Der Marke fehlt das Einzigartige, das Besondere, was sie gegenüber Hyundai und Kia abgegrenzt“, sagt der Professor vom Center Automotive Research in Duisburg. „Nur bessere Ausstattung und nettes Design mögen in den USA für einen Erfolg reichen, aber in Europa kann ich mir das schwerlich vorstellen.“ Wer Erfolg haben möchte in der europäischen Oberklasse brauche etwas wirklich Neues, lenkt er den Blick auf junge chinesische Aufsteiger wie NIO oder XPeng, die er für deutlich spannender hält.
Natürlich weiß auch Boesch, dass der Erfolg nicht allein an den Autos hängt, zumal die im besten Fall auf Augenhöhe mit der Konkurrenz fahren, ihr aber weder bei Ambiente noch bei Assistenz und ohne jede Elektrifizierung erst recht nicht beim Antrieb voraus fahren können. Deshalb geht es ihm um das Gesamterlebnis. „Wir wissen, dass sich anspruchsvolle Kunden heute nach dem gewissen Extra sehnen“, sagt der Europa-Chef: „Unsere Mission wird es sein, viel mehr als nur exzellente Fahrzeuge anzubieten.“ Deshalb verspricht er den Kunden neben einem transparenten Preisgefüge ohne Rabattschlachten vor allem ein Rundum-Sorglos-Paket. „Hierbei genießen sie eine individuelle Kundenbetreuung, denn das koreanische Serviceverständnis ist oberste Priorität und dies unterscheidet uns vom Wettbewerb,“ sagt Boesch und will jedem Genesis-Fahrer einen „Personal Assistant“ zur Seite stellen, wie es den sonst nur bei Maybach oder Rolls-Royce gibt.
Das könnte den Koreanern durchaus zu einem Achtungserfolg verhelfen, glaubt Jan Burgard vom Strategieberater Berylls in München. Denn in einem immer schärferen Wettbewerb mit immer neuen Marken aus den USA und vor allem aus China sowie der schnellen Transformation der vermeintlichen Dinosaurier aus der alten Welt rückt das Gesamtpaket stärker denn je in den Fokus, ist der Experte überzeugt: „Es geht nicht nur um die Fahrzeuge, sondern auch um die digitalen Services und die Erfahrungen der Kunden mit der jeweiligen Marke vor und nach dem Kauf,“ skizziert er das Dreigestirn, das künftig über Wohl und Wehe entscheiden wird. „Fehlt ein Element, wird die jeweilige Marke nicht erfolgreich sein.“
Allerdings dürfen die Koreaner auf der Produktseite deshalb nicht schlafen: „Mag sein, dass die Marke auf den ersten Blick etwas altbacken wirkt und damit ein wenig an die Anfänge von Lexus erinnert“, räumt Burgard ein. „Aber der Kunde bekommt schon viel Auto für sein Geld.“ Wichtig sei nun jedoch, dass schnell weitere elektrifizierte Fahrzeuge nachkommen, denn nur hier gebe es noch interessante Wachstumsraten. „Ansonsten wird der Aufbau der Marke im ohnehin gesättigten Markt Deutschland sehr schwer“, urteilt Burgard.
Das sehen sie in Korea offenbar genauso und kündigen deshalb gleich drei Stromer an, die binnen Jahresfrist auf die Straße kommen sollen. Den Anfang macht der gerade auf der Motorshow in Shanghai enthüllte G80 in einer E-Version, danach folgen zwei weitere Akku-Modelle, von denen mindestens eines die hoch gelobte 800 Volt-Architektur des Hyundai Ioniq5 nutzen wird.
Schon möglich, dass die Markenbindung lockerer wird, dass selbst Oberklasse-Kunden ihr Blickfeld erweitern und dass bei den Elektromodellen noch Musik drin ist, räumt Dudenhöffer ein. Doch mit Ausnahme von Tesla sind alle Aufstiegsambitionen angefangen von Lexus über Infiniti oder Cadillac bis hin zum VW Phaeton gefloppt. Die Historie ist also denkbar schlecht“, sagt Dudenhöffer und vermisst einen sichtbaren Wettbewerbsvorteil für Genesis. Die Marke habe im Gegensatz zu Tesla keine durchschlagende Innovation und anders als Mercedes oder BMW keine Geschichte. „Deshalb wird sie in Europa als Tiger starten und als Bettvorleger enden.“