Hart, aber herrlich – der Porsche Boxster Spyder

Auch wenn die Blätter jetzt unaufhaltsam taumeln, reizen milde Temperaturen zum Autofahren oben ohne. Vor der ersten Ausfahrt mit dem neuesten Roadster von Porsche sieht man Fahrerin und Beifahrer erst einmal ein wenig etwas ratlos. Wer es für überflüssig hält, Gebrauchsanweisungen für Autos zu lesen, für den bleibt der Striptease des Boxster Spyder erst einmal ein Buch mit sieben Siegeln. Nach der Entriegelung über den Schlüssel gilt es, die seitliche Befestigung des Stoffdachs über unsichtbare Druckknöpfe mit der nötigen Sorge um die Fingernägel zu lösen und am Rahmen zu befestigen, den Kofferraumdeckel mit den weit nach hinten gespannten Finnen zu öffnen, die Falten zu ordnen und dann nach hinten verschwinden zu lassen. Ein Schauspiel, was in umgekehrter Reihenfolge bei einem plötzlichen Schauer schon mal zu Stress führen kann. Doch die vollautomatische Variante verbot sich schon von selbst. Peinlich genau und in Erinnerung des historischen Vorbilds Spyder 718 haben die Ingenieure in Zuffenhausen auf jedes Gramm des rassigen Roadsters geachtet. Mit Erfolg: Der neue Spyder wiegt weniger als jeder andere Boxster. Nur konsequent: Innen erfüllen Schlaufen aus Stoff die Funktion von schweren Türgriffen. Auch andere Dickmacher wie eine Klimaanlage oder ein Radio bleiben außen vor. Wer trotzdem auf ein wenig Komfort und Entertainment nicht verzichten will, dem spendiert Porsche beides ohne Aufpreis.

Wir gleiten in die festen Sportschalensitze. Den Zündschlüssel, natürlich klassisch links von dem kleinen handlichen Lenkrad, umgedreht und der 3,8 Liter Boxstermotor Sauger, den die Schwaben aus dem 911 Carrera S entliehen haben, faucht heiser los. Der erste Gang sitzt mit einem metallischen Klicken, nahtlos deklinieren sich dann in gleicher Manier die folgenden fünf Gänge durch. Ein Doppelkupplungsgetriebe wäre übertriebener Luxus und fehlt im Angebot für den puristischen Spyder. Alles andere als puristisch zeigt sich der Sechszylinder unter der Haube. Mit seinen 375 PS, das sind gerade mal zehn PS weniger als im Cayman GT4, darf sich der Motor als “stärkstes je in einem Serien-Boxster verbautes Aggregat” rühmen. Bisher hielt der Boxster GTS mit 330 PS diesen Rekord, im von 2009 bis 2011 gebauten Vorgänger des Swyders sorgten 320 PS für den geballten Vortrieb. In 4,5 Sekunden hetzt der Roadster von null auf 100 km/h, erst bei auf heimischen Landstraßen natürlich unerreichbaren 290 km/h ist Ende.

Geschmeidig jagt der satt auf dem Asphalt liegende Roadster das sanft geschwungene Asphaltband entlang. Trotz Windschott zwischen den beiden Kopfstützen zerzaust die Frisur. Egal. Das Gaspedal, die präzise Lenkung und die bissig zugreifende Lenkung aus dem 911er Carrera stimmen ein in einen Kanon aus brachialer Beschleunigung und stets wohl dosierter Verzögerung des Drehmoments von 420 Newtonmetern. Das 20 Millimeter tiefer gelegte Sportfahrwerk vermag Unebenheiten im Asphalt wenig zu verbergen. Im Sport Plus Modus und bei gedrückter Taste für den Klappenauspuff brüllt sich der Mittelmotor fast heiser. Jedes Herunterschalten wird prompt mit einem knallenden Zwischengasstoß quittiert, der die Drehzahl wieder in die korrekte Höhe katapultiert, Aus den beiden Endrohren knallt es, wenn man dann doch mal vom Gas geht und im lang gezogenen Tunnel geraten wir in ein wahres Soundgewitter. Bestellt werden kann der Spyder mit dem diskreten Schriftzug zwischen den dicken Backen hinten zum Preis ab 79.945 Euro.

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