Bevor wir alle in autonom fahrenden Ü-Eiern unterwegs sind, lässt sich der Q60 noch einmal als die pure, die lustvolle Alternative erfahren. Ein Coupé fährt man nicht, weil man muss – sondern weil man es will.
Erste Fahrt und erster Test:
Infiniti Q60 – Weil man es will
Dass man sich bei der Marke Infiniti bei einem Premium-Brand befindet, merkt man schnell und deutlich. Nichts an diesem Q60 ist so, weil es einfach nur so sein müsste, sondern weil es gut ist, so wie es ist. Alleine die Entscheidung, als Nischenmarke noch ein weiteres Nischenmodell zu bringen, ringt einem Respekt ab. Infiniti verkaufte 2016 gerade einmal knapp 3.000 Autos in Deutschland. Sich da mit einem Luxusgerät, einem Coupé, weiter profilieren zu wollen, ist eine klare Ansage. Hier geht es um die Wahrnehmung der Marke, nicht um Absatzrekorde. Dabei steht gerade dieser Q60, also 3.0t AWD, in einem besonderen Wettbewerbsumfeld. Audi A5/S5, BMW 4er und C400 Coupé sind die gedachten Mitbewerber. Im Alltag aber vermutlich eher die Derivate von Lexus. Der Edeltochter von Toyota.
Quick-Info: Die sexy Alternative zu den etablieren Coupés der dt. Premium-Hersteller.
Schöne Schale
Der Chefdesigner von Infiniti ist Alfonso Albaisa. Und was er mit der Limousine Q50 angefangen hat, führt er mit dem Q60 fort. Ein emotionales Design. Eine klassische Form hat er neu gezeichnet. Eine lange Motorhaube, ein flaches und dynamisches Greenhouse (der sichtbare Bereich des Innenraums), gepaart mit einem knackigen Heck und einer – natürlich – doppelflutigen Auspuffanlage. Die C-Säule trägt den mittlerweile charakteristischen Knick der Infiniti-Modelle.
Während der Basismotor des Q60, ein Zweiliter-Vierzylinder Turbo mit 211 PS vom Kooperationspartner Mercedes-Benz kommt und mit reinem Hinterradantrieb erhältlich ist, fährt das mit einem 3.0 Liter V6 Bi-Turbo und 405 PS starkem Triebwerk ausgerüstete Top-Modell mit Allradantrieb und Siebengangautomatik vor.
Kleiner Kern
Sexy Linie mit klassischen Proportionen? Kommen leider einher mit den klassischen Nachteilen. Der Innenraum ist in Reihe 1 mit der Q50-Limousine identisch, ab der nicht vorhandenen B-Säule wird es jedoch deutlich knapper. Dass im Q60 eine Rücksitzbank verbaut ist, darf als guter Wille verstanden sein. Mehr als Sitz-Pygmäen wird man dort nicht unter bekommen und bereits für Schulkinder wird es deutlich zu klein. Lassen wir den Bereich als großzügige Erweiterung des Handschuhfaches gelten. Und wie gesagt: Praktisch muss ein Coupé nicht sein. Nur schön.
Potente Darbietung
Der 3,0 Liter große V6-Bi-Turbo hat gemeinsame Wurzeln mit dem 3.8er aus dem Nissan GT-R, verfügt aber über eigene Kolbengrößen und man packt an Motorentechnik rein, was heute angesagt ist. Nur von einer Elektrifizierung bleibt er verschont. Klassischer Benziner, druckvoller Turbo, laufruhig und willig bei der Arbeit. Beim Sound bleibt der optisch zu auffällige Q60 jedoch auffallend unauffällig.
Die 405 PS sorgen für ein souveränes Leistungsgefühl. Und mit 475 Nm lässt es sich ebenso auskommen. Die Leistung packt der Q60 als 3.0t AWD immer über die Siebengangautomatik (kein Mercedes-Produkt) in Richtung der vier Räder. Allradantrieb mit Torque-Vectoring Kraftverteilung ist inklusive. Der Q60 bleibt so – so lange die Stabilitätskontrolle mit Traktionskontrolle aktiviert ist, ein gutmütiger Cruiser, der allzu heftige Dynamik-Tests frühzeitig unterbindet. Er versteht sich eher als klassischer GT. Lange Touren und dabei gut aussehen.
Ehrliche Liebe
Mit der „steer-by-wire“ Lenkung macht Infiniti dann endgültig alles anders als die sonstigen Mitbewerber. Das DAS „dynamic adaptive steering 2.gen“ getaufte System besitzt die mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Vorderrädern nur noch für den Notfall. Im Alltag übernehmen drei Steuergeräte, die sich gegenseitig prüfen, ein Lenkwinkelsensor und elektrische Aktuatoren die Lenkarbeit. Das Ergebnis? Eine Lenkung, die sich unabhängig vom Fahrer selbst justieren kann. Fiese Schläge von Bodenwellen und das ständige „Lenkradwedeln“ gehören der Vergangenheit an. Bis zu 1.000 Lenkkorrekturen, je Sekunde, kann das System durchführen. Und natürlich ist es voll variabel. Sowohl in der Einstellung der Lenkkräfte also auch der Lenkwinkel. Die Lenkung lässt sich damit komplett auf den Fahrerwunsch adaptieren und ganz nebenbei, das ist die Zukunft.
Kombiniert wird das „direct adaptive steering“ System mit einem adaptiven Dämpfungssystem. Auch hier lassen sich die individuellen Vorlieben einstellen. Komfortabler? Oder sportlich direkter? In Verbindung mit dem steifen Q60-Chassis und dem „Active Noise Cancelling“ System, eine Variante, die viele von teuren BOSE-Kopfhörern kennen, lässt sich der Q60 so auf Komfort getrimmt und per Fahrdynamikschalter programmiert, als grandioser Komfort-Kumpel für die lange Tour identifizieren. Der jedoch immer die Reserven seines Doppel-Turbo V6 in der Hinterhand hat.
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Für wen das Q60 Coupé die richtige Wahl ist:
Wer beim Anblick des S5 gähnt und einen BMW 440i zu alltäglich findet, der greift zum Q60 3.0t AWD.
Was noch erwähnt werden muss
Das Cockpit wurde gegenüber dem Q50 nicht verändert, mit den beiden Touchscreens wirkt es noch auf der Höhe der Zeit und die analogen Rundinstrumente vor der Nase des Fahrers sind adrett – aber wer hier mehr auf Gadgets und neben gutem Sound auch auf eine ansehnliche Grafik des Multimediasystems setzt, der wird vermutlich wenig Freude empfinden.
DATEN Infiniti Q60 3.t AWD
Preis: ab € 44.500 2.0t AT RWD bis € 63.490 3.0t AWD AT Sport Tech
Antrieb Benziner: VR30DDTT 2.997 ccm, V6, Turboaufladung, CVVT, 405 PS bei 6.400 U/min, 475 Nm bei 1.600 bis 5.200 U/min
Dimensionen: 5 Sitze, L/B/H 4690, 1850, 1395 mm, Radstand 2850 mm, Gewicht 1874 kg, Kofferr. 342 l,
Fahrleistungen: 0-100 km/h 5,0 sec, Spitze 250 km/h, Normverbrauch 9,1l/100km