News: Ford Focus RS – So wird der Reifenhändler zum Freund
Seit Generationen will Ford mit seinem Focus dem scheinbar unschlagbaren VW Golf ans Blech. Was bei den Normalmodellen wohl nie gelingen wird, könnte jetzt könnte jetzt endlich bei den sportiven Versionen der sonst so braven Alltagsautos klappen: Der neue Focus RS übertrumpft sein entsprechendes Pendant aus Wolfsburg bei weitem. Schickt der VW Golf R „nur“ 221 kW/300 PS an alle vier Räder, sind es beim Kölner 36 kW/50 PS mehr. Und die kommen bei neuen Focus sogar kraftvoll auf die Straße.
Bisher gab es den rheinischen Ballermann nur mit Frontantrieb. Beim Modellwechsel ging Ford deshalb aufs Ganze, spendierte seinem Salonsportler ein neues Allradsystem, das das früher gnadenlose Schieben der Vorderachse in flott gefahrenen Kurven in die Vergangenheit verbannt. Kein Wunder also, dass der neue RS für seine Fans ein völlig neues Ford-Fahren bietet. „Intelligent“ nennen die Techniker ihre Interpretation des Themas Allrad. Denn bis zu 70 Prozent der Kraft werden im Normalbetrieb der Hinterachse zuteil. Das bordeigene elektronische Superhirn registriert aber 100 Mal pro Sekunde, wenn die vielen Pferde an einer anderen Ecke des 4,39 Meter langen Focus gebraucht werden und sendet blitzschnelle Befehle durchs Auto.
„Damit ist uns ein echter Durchbruch gelungen“, sagt Dave Pericak, der Chef der hauseigenen Abteilung für leistungshungrige Modelle. „Unser neues System ermöglicht erstklassige Kurveneigenschaften und ein sicheres Fahrverhalten auch am Limit“. Große Worte eines Ingenieurs, die sich aber bei der ersten Ausfahrt durchaus bestätigen. Der Turbomotor blubbert dumpf schon im Leerlauf, reagiert beim Tritt aufs rechte Pedal erst mit einer Art Schrecksekunde, um sich dann vehement ins Zeug zu legen. Kein wirkliches sogenanntes Turboloch, wenn man sich mit RS nach ein paar Kilometern angefreundet hat. Man hält ihn einfach mit dem Gaspedal bei Laune und kommt so in den Genuss der puren Beschleunigung, deren Wert im Datenblatt mit 4,7 Sekunden auf 100 km/h verzeichnet ist.
Die erste Etappe führt auf eine überschaubar belegte Autobahn. Schon im zuvor per Knopfdruck gewählten Normalmodus klingt der Focus kraftvoll, aber nicht aufdringlich. Das Sechsgang-Getriebe flutscht durch recht kurze Schaltwege, der Zeiger des Tachos krabbelt stetig nach rechts, erreicht bald Werte, die man heutzutage nur hinter vorgehaltener Hand verraten will. Das Datenblatt nennt 266 km/h, also mehr als andere Spielzeuge dieser Art ihren Nutzern erlauben. Umso beruhigender, dass das Team von Mr. Pericak seinem Baby auch von außen gut sichtbare Bremsen spendiert hat.
Seine wahren Werte spielt der RS dann auf den kurvigen Schwarzwald-Bergstraßen aus. Hier, innerhalb erlaubter Grenzen, kommt der schlaue Allradantrieb ins Spiel. Die Verteilung der Antriebskraft spürt der Normalfahrer nur dadurch, dass er plötzlich viel vehementer um Kurven düsen, dass er viel rasanter und früher wieder beschleunigen kann und das alles dank einer straffen Lenkung auch beherrscht. Nach dem Drücken der Sporttaste ist der RS ein Spaß-Auto fürs kontrollierte Rumtoben, wenn weit und breit kein Mitmensch in Gefahr gebracht werden kann. Doch auch für gelegentliche Ausflüge auf abgesperrten Strecken hält Ford einen Modus bereit. Dann wird die sonst hilfreiche Versicherung des Schleuderschutzes ESP minimiert, die Federung auf knochenhart programmiert und der Komfort bleibt draußen. Verspielte RS-ler lockt auch noch eine Driftstellung des besagten Knopfes, die in Kurven das Schrägfahren kurz vor dem Abflug erleichtert. Wer das oft nutzt, wird seinen Reifenhändler bald mit Vornamen kennen.
Doch der RS kann auch anders. Da sein Genspender ein viertüriges Alltagsauto ist, eignet sich der Über-Focus auch als Transportmittel zur Kita, zum Besuch bei Aldi und Co. oder als braver Gefährte auf der Fahrt ins Büro. Schließlich hat er vier Türen und eine große Heckklappe, bietet all die modernen Segnungen und Assistenzsysteme, die auch die Normalos in der Ford-Preisliste bieten. Dass sich der der RS durch einen dicken Spoiler unter der Dachkante outet, muss man in der Elternversammlung des Gymnasiums schließlich nicht zum Thema machen. Erwähnenswert ist dort aber der Normverbrauch von 7,7 Litern auf 100 Kilometer. Verschweigen sollte man, dass dieser sich beim ungezügelten Gebrauch eines solchen Focus gut ums Doppelte steigern lässt.
40.000 Euro sind eine Menge Geld für gelegentlichen Spaß mit einem Auto. Doch der RS wird dennoch seine Fans finden, auch wenn die Zahl der Verkäufe sicher überschaubar bleiben wird.
Autor: Peter Maahn/SP-X
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