Kia-Designer Peter Schreyer – Deutsche Kleider für Korea

„Es sind wirklich schon zehn Jahre“, sagt Peter Schreyer und legt die Stirn in Falten, als müsse er sein Jubiläum per Kopfrechnen ermitteln. „Die Zeit ist so schnell vergangen, dass ich mich manchmal selbst wundere“. Im September 2006 hatte der heute 63-Jährige als Chefdesigner bei Kia im fernen Korea angetreten und seinem bisherigen Arbeitgeber VW den Rücken gekehrt. Ein Meister seines Fachs, den Volkswagen-Konzern nach Meinung vieler Experten nie hätte ziehen lassen dürfen. Dort hatte er unter anderem den Audi TT, den A2 und auch den ersten „New Beetle“ gezeichnet.

Die letzten zehn Jahre waren für Kia eine Erfolgsgeschichte, die der Oberbayer entscheidend mitgeschrieben hat. Die Verkäufe haben sich verdreifacht, die zum Hyundai-Konzern gehörende Marke findet jährlich weltweit über drei Millionen Käufer für ihre Modelle. „Jenes Kia, das man vor zehn Jahren gekannt hat, gibt es heute nicht mehr“, sagt Schreyer. „Mich begeistert immer wieder, wie schnell sich das Unternehmen entwickelt“. Für den Deutschen selbst hat sich das Wagnis, in einen anderen Kulturkreis zu wechseln, ausgezahlt. Er wurde schnell einer der Präsidenten von Kia und zeichnet mittlerweile auch für das Design der Stammmarke Hyundai verantwortlich.

Vor allem aber erfüllte sich sein Wunsch, den Auftritt einer ganzen Modellfamilie von Grund auf neu zu gestalten. Vor seinem Umzug nach Asien zog er in einem „Spiegel“-Interview einen Vergleich zu seiner Zeit in Wolfsburg. „Ein VW-Designer arbeitet wie ein Comic-Zeichner, der die zwanzigste Folge von Lucky Luke oder Donald Duck aufs Papier bringen muss. Bei Kia beginne ich auf einem leeren Blatt fast ohne jede Vorgabe“. Damals sicher eine gewagte Aussage, aus heutiger Sicht aber die Geburtsstunde einer Weltmarke, die vorher nur wenige auf dem Einkaufszettel hatten. Schreyer gab den Kia-Modellen ein markantes Gesicht, das vor allem durch die „Tigernase“ geprägt war, die 2007 erstmals bei einer Studie eines Sportcoupés zu sehen war und nach und nach für alle Modelle übernommen wurde.

Als „die Einfachheit der geraden Linie“ beschreibt Peter Schreyer seine Philosophie, womit er den weitgehenden Verzicht auf die zahlreichen Sicken, Falze und Karosserie-Schnörkel meint, mit denen viele Hersteller um Aufmerksamkeit buhlen. „Für Designer ist es wichtig, nicht nur Autos im Blick zu haben, sondern auch Architektur, Kunst, Musik, Industriedesign und vieles andere. All diese Dinge beeinflussen uns und wir sie“, erklärt er und verweist auf die koreanische Kultur. „Auf der einen Seite gibt es die pulsierende Metropole Seoul, auf der anderen Seite Ruhe und Konzentration. Beides inspiriert mich und unsere Designer.“ Feinheiten, die der normale Autofahrer zwar nicht im Detail nachvollziehen kann, die aber den Gesamteindruck eines Autos ausmachen und dazu führen, dass es einfach gefällt.

Nachdem die gesamte Modellpalette von Kia umgekrempelt wurde, sind jetzt schon die nächsten Generationen am Start. Hat Schreyer Lieblingsautos, die sein mittlerweile großes Team unter seiner Regie entworfen hat? Er denkt kurz nach und nennt den kleinen Livestyle-SUV Soul oder die Kombi-Version des Optima, der seit zwei Monaten auch in Deutschland zu haben ist. Er schränkt aber ein: „Es ist wie bei Kindern: Wenn man mehrere hat, kann man nie sagen, welches einem am liebsten ist, weil man sie alle liebt. So geht es mir auch mit allen Autos, die ich designt habe“. Einen Favoriten verrät er dann aber doch, die Studie einer viertürigen Limousine namens Kia GT, die bereits vor fünf Jahren auf der IAA gezeigt wurde, allerdings noch nicht den Weg zum Serienmodell geschafft hat. „Dieses Auto war für mich und unsere Designer ein Traumprojekt, weil wir die Chance bekamen, einen echten GT zu entwerfen, ein Auto, in dem man stilvoll reisen kann.“

Die nächsten Aufgaben warten schon auf den Stardesigner, der so viele Flugmeilen sammelt wie sonst nur ein Politiker. Er pendelt ständig zwischen den Kia-Studios im kalifornischen Irvine, Frankfurt oder Namyang bei Seoul hin und her, wohnt aber immer noch in Ingolstadt. Schwerpunkte sind für ihn die Entwicklung eines kleinen SUV für beide Marken, aber auch der Ausbau der neuen Edel-Marke Genesis, die sich mit den Luxuslimousinen aus Süddeutschland anlegen will. Und dazu natürlich die übliche Routine jedes Blechkünstlers im Dienst eines Autokonzerns, die jeweils anstehenden Modellerneuerungen. Dabei hat Peter Schreyer aber ein Motto: „Wichtig ist, dass jede Veränderung immer eine Verbesserung bedeutet und wir nicht nur deshalb etwas verändern, damit es anders aussieht.“ (Peter Maahn/SP-X)

Total
0
Shares
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Related Posts