Kompakte Mercedes-Modelle unter Strom – Auf leisen Sohlen durch die Stadt
Die EQ-Welle erfasst jetzt auch die kompakten Mercedes-Modelle. Noch bevor EQ A und EQ B als reine Elektroautos kommen, bringen die Schwaben im Herbst erstmal einen Plug-In-Hybriden für die MFA-Familie. Bei der ersten Mitfahrt macht der in A-Klasse schon eine ziemlich gute Figur.
Jedes Mal, wenn Andreas Soens an einer der Feinstaub-Messstellen in Stuttgart vorbeifährt, legt sich ein Lächeln auf seine Lippen. Ja, auch Mercedes hat eine – nun ja – etwas problematische Diesel-Historie und auch bei den Schwaben leidet der Absatz unter der Vertrauenskrise der Selbstzünder. Doch Soens hat gut lachen. Denn er arbeitet in der Entwicklung der Kompaktmodelle auf der so genannten MFA-Plattform und bringt dort die Elektrifizierung voran. Sein Prototyp jedenfalls sorgt nicht für dicke Luft im Kessel, sondern fährt ebenso geräusch- wie emissionslos; zumindest die allermeiste Zeit.
Soens sitzt am Steuer einer A-Klasse mit Plug-In-Hybrid, die zusammen mit der A-Klasse-Limousine und der B-Klasse ihre Premiere im September auf der IAA feiern und noch im Lauf des Jahres in den Handel kommen soll. Damit erreicht die vom neuen Daimler-Chef Ola Källenius ausgerufene Elektro-Offensive erstmals auch die Kompaktklasse der Schwaben und wird diese über kurz oder lang nahezu komplett durchdringen. Denn auch CLA und GLA sind für den vorübergehenden Akku-Betrieb vorgesehen, nur beim GLB gibt’s wegen der dritten Sitzreihe keinen Platz für die Batterien.
Anders als bei einigen kompakten Konkurrenten ist das Paket für die MFA-Modelle so ausgelegt, dass es alle aktuellen Förderhürden nimmt und alltagstaugliche Eckdaten hat. So reicht der 15 kWh große Akku unter fast allen Umständen für mehr als 60 Kilometer, verspricht Soens. Der 75 kW/102 PS starke Stromer, der in einer Doppelkupplung mit jetzt acht Gängen integriert ist, schafft immerhin 140 km/h und die Beschleunigung soll auf dem Niveau eines A 250 liegen, deutet Soens an.
Zwar hat Mercedes schon reichlich Erfahrung mit Plug-In-Modellen in den großen Baureihen. Doch dass es in der Kompaktklasse ein wenig gedauert hat, liegt nicht zuletzt an den beengten Platzverhältnissen, die den Einbau eines leistungsstarken E-Antriebs nicht eben leichtgemacht haben. Erst recht nicht, wenn dabei weder der Innen- noch der Kofferraum beschnitten werden sollte. Deshalb stecken die Batterien nun dort, wo bislang der Tank war: Unter der Rückbank. Das Benzin schwappt in einem von 45 auf 35 Liter verkleinerten Reservoir und um die Hinterachse und die Lade- und Leistungselektronik haben Soens und seine Kollegen in der Reserverad-Mulde untergebracht. „Bis auf ein paar wenige Liter ist das Kofferraumvolumen so tatsächlich erhalten geblieben“, sagt Soens, während er die erstbeste Ladesäule ansteuert. Die hat er dank MBUX auf dem Navi ausgewählt und auch über die Mercedes-Software freigeschaltet, das mühsame Spiel mit verschiedenen Karten und Zahlsystemen kann er sich auf diese Weise sparen. Geladen wird der Akku dort mit bis zu 22 kW, so dass die A-Klasse im besten Fall nach weniger als einer halben Stunde wieder voll ist.
Wer mit Soens durch den Stuttgarter Stadtverkehr rollt, erlebt den Plug-In-Antrieb als ausgereift und im besten Sinne unauffällig. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Elektronik nur selten zwischen den Antriebsarten wechseln muss. Zumindest wenn man im Comfort-Modus unterwegs ist, die Distronic sanft den Abstand hält und mit Navigations- und Radardaten selbst die Balance zwischen Bremsen und Rekuperieren findet, dann stromert die A-Klasse die allermeiste Zeit durch die Stadt und der Verbrenner schaltet sich nur beim Kickdown zu. Der ist aber angesichts von 300 Nm aus der E-Maschine und einer elektrischen Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h eher selten nötig, so dass man am Ende der Stadtfahrt fast überrascht ist, wenn auf der Autobahn dann plötzlich doch mal wieder die Nadel im Drehzahlmesser zuckt.
Neben dem Comfortmodus gibt es noch ein betont sportliches Set-Up und drei Fahrprofile, die Soens neu für die Hybriden programmiert hat: Eines für den reinen Elektromodus, eines, das den E-Antrieb ausschließlich in der Stadt aktiviert und eines, das den Akkustatus auf einem definierten Niveau hält, damit man zum Beispiel die letzten Kilometer in der eigenen Wohnsiedlung auch noch Strom für eine Flüsterfahrt in die Garage hat.
So stolz Soens mit seinem nur noch leicht getarnten Prototypen durch Stuttgart rollt und so selbstbewusst er die A-Klasse auch neben den Teslas an den Schnellladern parkt, weiß niemand besser als er, dass die kompakten Teilzeitstromer nur kurzen Star-Ruhm genießen werden. Denn während die Entwicklung der Plug-In-Hybriden gerade auf der Zielgerade ist, arbeitet Soens im Hintergrund schon an EQA und EQB, die den Kurzstrecken-Stromer als reine Akku-Autos schon bald die Schau stehlen werden.
Benjamin Bessinger/SP-X
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