Mazda MX-5: Wer Kan, der kann

„Kan“, das ist ein Wort, das Nobuhiro Yamamoto früher nicht so leicht über die Lippen ging. Denn „Kan“ heißt auf Japanisch „Gefühl“ und hat im Vokabular eines Ingenieurs nur wenig verloren. Doch seit Yamamoto vor sieben Jahren die Entwicklung des neuen Mazda MX-5 übernommen hat, spricht er von kaum etwas mehr. „Ein Rausch der Gefühle“, so fasst Yamamoto die Mission für den vielleicht wichtigsten Mazda zusammen. Schon wenn der Wagen nur in der Garage steht, soll sich der Besitzer einfach gut fühlen. Und wenn er erst einmal am Steuer sitzt, dann soll er am besten gar nicht mehr aussteigen wollen.

Dafür hat Yamamoto den Wagen konsequent um den Fahrer herum entwickelt, hat freiwillig den Radstand und mit ihm den Innenraum um zwei Zentimeter gekürzt, an allen Ecken gefeilt, die Motorhaube nach unten gedrückt und die Frontscheibe nach hinten gerückt. So entstand ein Design, das wie geschrumpft wirkt, als hätte man den Roadster nicht mit Blech verkleidet, sondern in Folie geschweißt. Dazu noch den Sitz tiefer und weiter zur Mitte gerückt – schon schlüpft man in den jetzt nur noch 3,92 Meter kurzen MX-5 wie in einen Maßhandschuh und fühlt sich dem Auto auch genauso eng verbunden.

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Entsprechend intuitiv lässt sich der Mazda fahren. Man hat das Auto nicht nur im Griff, sondern Mensch und Maschine kommen sich so nahe, dass man diesen Roadster fast mit der Kraft der Gedanken steuert. Man zuckt nur mit dem kleinen Finger und der Wagen macht einen großen Satz. Kaum hat man eine Kurve angeschaut, ist der MX-5 auch schon um die Ecke. Und wie von selbst fällt die Hand nach dem Öffnen der Lenkung auf den Schaltknüppel und knallt den nächsten Gang rein, damit die Raserei nur ja kein Ende findet.

Kompromisse macht der Projektleiter für dieses Erlebnis keine, weder beim Zuschnitt, noch bei der Ausstattung. Denn wenn es um unnötigen Platz oder überflüssige Pfunde geht, da ist Yamamoto san ungeheuer geizig. Über die neumodischen LED-Scheinwerfer freut er sich, weil die kompakter sind, Platz sparen und erst den kurzen, flachen Vorbau ermöglichen. Das Handschuhfach zum Beispiel hat er deshalb schon geopfert, aus den unvermeidlichen Cupholdern sind winzige Aufsteck-Halter geworden und elektrische Helfer kommen ihm nicht ins Auto: Na gut, die Fenster muss man nicht mehr kurbeln. Die Spiegel verstellt man auf Knopfdruck. Es gibt eine Klimaanlage und natürlich auch das aus dem Mazda3 bekannte Infotainment-System. Schließlich ist auch in einem Lustauto nicht immer der Weg das Ziel. Aber die Sitze verstellt man gefälligst von Hand und das Dach wirft man wie eh und je mit einem Arm nach hinten. „Ein elektrisches Verdeck wäre Verrat am Original“, sagt einer von Yamamotos Kollegen. „Und außerdem hätte es uns 15 Kilo mehr Gewicht gekostet.

So dagegen hat Yamamoto einen eindrucksvollen Diäterfolg erzielt. Im Vergleich mit anderen Roadstern war zwar auch der letzte MX-5 noch ein Leichtgewicht. Doch Yamamoto empfand das Auto als zu speckig und zu schwerfällig. „Der musste wieder schlanker werden“, sagt Yamamoto und hatte diese Vorgabe konsequent umgesetzt: Das geschrumpfte Format, ein kleinerer Basis-Motor, hochfeste Stähle sowie mehr Aluminium in Karosserie und Fahrwerk – das drückt das Gewicht um mehr als 100 Kilo und bringt den neuen MX-5 auf ziemlich genau eine Tonne. Dass nebenbei auch noch der Verbrauch auf sechs Liter sinkt und den Spaßbremsen aus der Fraktion der Klimakümmerer den Wind aus den Segeln nimmt, ist ja auch kein Schaden.

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Das handliche Format, der kurze Radstand und das niedrige Gewicht, und dazu noch eine Drehorgel von Motor, ein knackig-kurzes Schaltgetriebe sowie natürlich der obligatorischen Heckantrieb – fertig ist eine Spaßgranate, die fast jedem ausgewachsenen Sportwagen die Schau stiehlt. Dass der längs montierte Vierzylinder nur mickrige 1,5 Liter Hubraum hat, läppische 96 kW/131 PS leistet und mit nicht mehr als 150 Nm an den vergleichsweise mageren 16-Zöllnern zupft, spielt da keine Rolle. Denn selten haben sich die knapp neun Sekunden von 0 auf 100 so kurz angefühlt und die rund 200 km/h Spitze so schnell wie in diesem Auto. Und was trotz allem an Skepsis bleibt, das bläst der Fahrtwind bei offenem Verdeck auf den ersten Metern schon davon: „Kein anderes Auto hat so viel ‚Sensational Kan’ wie der Mazda MX-5“, sagt Projektleiter Yamamoto und hat sein neues Lieblingswort einmal mehr fallen lassen. Große Gefühle in einem kleinen Auto und dazu die Last der Legende von 25 Jahren und fast einer Million Autos – man muss Yamamoto nachsehen, wenn der Ingenieur bisweilen ins Philosophieren kommt.

Aber bei aller Gefühlsduselei gibt es bei Mazda noch Männer wie Jeff Gaydon. Er ist Chef in der Europazentrale in Leverkusen und muss den MX-5 von August an verkaufen. Erst einmal dürfte das eine leichte Übung sein. Zumal sich am Grundpreis kaum etwas ändern soll und der Spaß deshalb schon bei etwa 23.000 Euro losgehen dürfte. Doch einfach ist die Sache trotzdem nicht. Denn die Zahlen für die Open-Air-Modelle sind im freien Fall und niemand wagt zu sagen, ob der MX-5 diesen Trend genau wie vor 25 Jahren noch einmal stoppen kann. Gaydon muss deshalb genau überlegen, wie viele Autos er in Japan bestellt – und riskiert dabei den gleichen Fehler wie sein Vorgänger im Jahr 1990. Der hat zur Markteinführung so wenig Autos geordert, dass der MX-5 bei uns quasi über Nacht ausverkauft war. Ein paar Kunden durften damals im Glück schwelgen, aber alle anderen hatten ein ziemlich schlechtes „Kan“. Herzklopfen für alle sieht irgendwie anders aus.

Autor: Benjamin Bessinger/SP-X

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