Mercedes-Benz G500 – Der Fahrbericht

Die Mercedes-Benz G-Klasse war eigentlich bereits eine lebende Legende – wie sollte man diese neu beleben? Mit einem Nachfolger? Wohl kaum. Mercedes-Benz hat sich für eine Frischzellenkur entschieden!

Bis zuletzt ist die alte G-Klasse eigentlich super gelaufen. Und Mercedes verdiente zudem mit dem seit 1979 fast unverändert gebauten, immer nur leicht nachmodernisierten Klassiker gutes Geld. Sechsstellige Preise für den auf wahrscheinlich schon mehrfach abgeschriebenen Anlagen des in Graz bei Magna produzierten Kraxlers, da blieb natürlich eine ansehnliche Marge für die Marke. Trotzdem, nach fast 40 Jahren Bauzeit war Anfang des Jahres Schluss mit der Baureihe 463, seit Sommer gibt es tatsächlich eine völlig neue Generation G.

Die Herausforderung für die Entwickler bestand vor allem darin, das ikonenhafte des Geländewagens zu erhalten und ihn gleichzeitig behutsam, aber nachdrücklich in die Moderne zu führen. Das ist auch der Hauptgrund, warum man bei einem nur flüchtigen Blick auf die neue G-Klasse, zunächst gar keinen optischen Unterschied wahrnimmt. Wer die beiden Generationen allerdings nebeneinander stellt, sieht die Unterschiede. Weniger die 5 Zentimeter mehr in der Länge fallen auf, sofort aber die zusätzlichen 12 Zentimeter in der Breite. Wer sich bislang gewundert hatte, dass Menschen etwa für einen AMG G 65 über eine Viertelmillion Euro bezahlten – um dann nicht zu wissen wohin mit dem linken (Fahrer) bzw. rechten (Beifahrer) Ellenbogen; zumindest dieses Problem gehört in der neuen G-Klasse der Vergangenheit an. Wobei: Ein Platzwunder ist auch der Neue nicht. Hinten sitzt man nur okay und das Kofferraumvolumen liegt mit rund 450 Litern mal gerade so auf Mittelklasselimousinen-Niveau.

Mehr Raum für Fahrer und Passagiere also – das war auch dringend nötig. Ansonsten haben Designer und Techniker versucht, den Wiedererkennungseffekt so hoch wie möglich zu halten. So muss man die Türen weiterhin etwas umständlich mit einem Druckknopf im Griff öffnen und die Blinker auf den vorderen Kotflügeln blieben natürlich erhalten. Auch die Schutzleisten und das Ersatzrad an der Hecktüre waren wohl sakrosankt. Das passt nicht nur, sondern ist auch sinnvoll. Etwas albern dagegen erscheint uns die künstlich auf „laut“ getrimmte Zentralverriegelung, die beim Öffnen oder Schließen bzw. auch beim Losfahren bei manch unbedarftem Fußgänger in der Nähe des Fahrzeugs für einen Schreckmoment sorgte.   

Während also die äußere Optik stark an das alte Modell erinnert, ist im Innenraum die Moderne eingezogen. So gibt es (gegen Aufpreis) zum Beispiel nun auch im G die bekannten zwei je 12 Zoll großen Displays unter einer Glasscheibe. Unser mit vielen Extras ausgestattetes Modell verfügte unter anderem über den sogenannten Multikontursitz inklusive Heizung, Kühlung und Massagefunktion sowie aufblasbaren Luftpolstern zur Unterstützung des Seitenhalts in Kurven. Das ist dann fast schon zu viel Luxus für ein Fahrzeug, das immer noch auf einem Leiterrahmen aufbaut und sich (auch) als echter Geländewagen versteht. Worauf die drei weiterhin in der Mitte des Armaturenbretts prominent positionierten Knöpfe für die Differentialsperren hinweisen. Ob und wie häufig die überhaupt mal in einem G 500 oder dem noch exklusiveren AMG-G zum Einsatz kommen, sei mal dahingestellt. Und außerdem kann die G-Klasse ja nichts dafür, wenn sie – ähnlich wie ein hochbegabtes Kind in der Grundschule – eigentlich stets unterfordert wird. 

Unverändert erhalten blieb der V8-Benziner in der Version 500, ein Monster mit vier Litern Hubraum, 422 PS Leistung und 610 Newtonmeter Drehmoment. Der hat mit dem über zwei Tonnen schweren Geländewagen leichtes Spiel, muss dafür aber auch mit viel Treibstoff gefüttert werden. Trotz im Komfort-Modus angenehmer und weit spreizender Neungang-Automatik beträgt schon der offizielle Verbrauch 11,5 Liter für 100 Kilometer. Wir benötigten bei einer durchaus angemessen zurückhaltenden Fahrweise über 14 Liter und wer eine sehr schnelle Autobahnetappe hinlegt, darf sich über Verbräuche jenseits von 20 Litern nicht wundern. 

Immerhin macht die Fahrt in der neuen G-Klasse auch deutlich mehr Spaß. Die neue elektromechanische Lenkung und eine Mehrlenkerachse (statt der bisherigen Starrachse) sorgen dafür, dass sich das Trumm nicht mehr so schwammig und indirekt fährt. Wobei selbst die ausgefuchstesten Entwickler es natürlich nicht schaffen, dem fast zwei Meter hohen Fahrzeug ein gewisses Schaukeln bei Lastwechseln abzugewöhnen. 

Es bleibt ein Widerspruch in sich, dass der vielleicht talentierteste Geländewagen überhaupt zur Zeit nur mit zwei großen Achtzylinder-Benzinmotoren zu haben ist, denn die ebenfalls erhältliche AMG-Version protzt als G 63 sogar mit einem 585 PS aus 5,5 Litern Hubraum (ab 148.000 Euro). Unser G 500 steht mit rund 107.000 Euro in der Preisliste und es kaum noch einer Erwähnung wert, dass man leicht mehrere zehntausend Euro für Extras draufpacken kann oder sogar muss. Wer die G-Klasse auch als Geländewagen mindestens jedoch als Arbeitstier ernst nehmen und nicht ständig unterfordert sehen will, der sollte auf die Version mit Sechszylinder-Diesel warten, die schon in den Startlöchern steht und ab Anfang 2019 zu haben sein wird.

Mercedes G 500 – Technische Daten
Fünftüriger, fünfsitziger Geländewagen, Länge: 4,82 Meter, Breite: 1,93 Meter, Höhe: 1,97 Meter, Radstand: 2,89 Meter, Kofferraumvolumen: 454 Liter
4,0-Liter-V8-Benziner, 310 kW/422 PS, maximales Drehmoment: 610 Nm bei 2.250 bis 4.750 U/min, Neungang-Automatikgetriebe, Allradantrieb, Vmax: 210 km/h, 0-100 km/h: 5,9 s, Durchschnittsverbrauch: 11,5 l/100 km, CO2-Ausstoß: 263 g/km, Abgasnorm: Euro 6d-temp, Effizienzklasse E
Preis: ab 107.041 Euro

Kurzcharakteristik:
Warum: im Gelände so gut wie eh und je; aber auf der Straße viel komfortabler
Warum nicht: hoher Grundpreis; hoher Verbrauch; kein Platzwunder 
Was sonst: 2019 kommt die in jeder Hinsicht günstigere Diesel-Variante

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