Erste Fahrt im neuen Mercedes-Benz C350e

[=” ” ]Update: Die Bundesregierung hat nun die Förderung der E-Mobilität beschlossen. Wir aktualisieren daher noch einmal die E-Auto Artikel, Tests und Fahrberichte. Dieser Original-Artikel stammt vom 9. April 2015

San Francisco – Erster Test

Wir hatten sie alle. Die ganze Palette der neuen C-Klasse, einmal die Leistungsleiter hoch und einmal runter. Als Limousine, als T-Modell. Als sparsamen Vierzylinder-Diesel und als grimmigen V8-Sportler. Die “kleine S-Klasse” ist ganz sicher die beste C-Klasse aller Zeiten. Ordentlich aufgeräumt im Innenraum, ziemlich progressiv im Design und bei der Technik ganz vorne dabei. Luftfederung in diesem Segment? Ein echter Schwabenstreich. Aber was fehlte bis heute? Genau, ein Plug-In Hybrid. Und von dieser Technik wollen die Stuttgarter nun bis 2017 zehn neue Modelle vorstellen. Auf den S500 Plug-In Hybrid folgt nun der C350e.

Der Rechenkünstler

Erste Testfahrt im neuen C350e – Plug-In Hybrid

fahrbericht mercedes-benz 02 c350e plug-in hybrid

Unterwegs zwischen “Latte Iced Caramel-Double Flat White Mocha blended Frappuccino” und Verzicht auf hohem Niveau.

Die Premiere auf der Straße fand in Kalifornien statt. Für europäische Motor-Journalisten eine ordentliche Anreise bis zum CO2-Sparer aus Stuttgart. Im Land der spöttischen Benzinpreise ist die Premiere eines Sprit-Sparers ein wenig widersprüchlich. Es sei denn, man gondelt eben nicht durchs Pick-Up Country im Mid-Westen der USA, sondern durch Kalifornien. Dem US-Bundesstaat, in dem Tesla E-Mobile und Toyota Hybrids zum Alltag gehören wie Eiswasser zum Frühstück und “Bio organic” Hühnereier. Sei es drum. Die C-Klasse ist mittlerweile nicht mehr neu. Ihre Qualitäten bekannt. Das Begeisterungspotential der Stuttgarter ebenso.

Nun soll sie auch noch ökologisch korrekt sein. Mit nur 2.1 Litern nach NEFZ-Norm sollen Fahrleistungen auf dem Niveau eines Sportwagens (ja, steht so in der Pressemeldung) mit den Verbrauchswerten eines Kleinst-Ökomobils verbunden werden.

Das ist natürlich Unfug!

fahrbericht mercedes-benz 16 c350e plug-in hybrid

C350e – Der Rechenkünstler in der Mogelpackung

279 PS stehen im Systemverbund zur Verfügung. Auf der Benzinerseite stemmt sich der 2.0 Liter Vierzylinder-Turbo mit 211 PS zum Arbeitsdienst. Bekannt ist der Motor im Prinzip aus dem C250. Zwischen Motor und Getriebe (bekannte 7-Gang Automatik) hat Mercedes-Benz einen 60 kW starken Elektromotor und eine Kupplung platziert. Die 350 Nm des Benziners werden durch die 340 Nm des Elektromotors ordentlich unterstützt, ja fast in den Schatten gestellt. Wie üblich darf man die Werte der beiden Antriebsquellen nicht einfach addieren, die 600 Nm Systemleistung lassen die Plug-In Hybrid C-Klasse dennoch kraftvoll spurten.

Stürmische Fahrleistungen

Von Null auf 100 geht es in nur 5.9 Sekunden. Soweit beeindruckt die Vorstellung der beiden Herzkammern unter der Motorhaube durchaus. Auch das rein elektrische Anfahren, das Segeln, das Dahingleiten, alles prima. Alles gut.

Wer die Navigation des C350e nutzt und den “Fahrprogrammschalter” (nennt sich wirklich so) auf Economy stehen lässt, den unterstützt der Bordcomputer bei der maximal sinnvollen Hybrid-Fahrweise. Während der Eco-Assistent dem Fahrer per Radar und haptischem Fahrpedal (früher: Gaspedal) zur Hilfe kommt, um die Effizienz des eigenen Fahrstils zu steigern, steuert die komplexe Bordelektronik den Einsatz des Hybridsystems auf ebenso maximale Effizienz. Der Streckenverlauf wird analysiert, die rein elektrische Fahrt vor allem für den Stadtverkehr optimiert und die Ladung des 6.38 kW/h großen Akkus auf die Phasen hin gesteuert, bei denen man mit maximaler Verzögerung rechnen muss.

Theoretisch ist der 60 kW E-Motor für bis zu 130 km/h gut, die Realität lässt hier aber nur kurze Strecken zu. Zu groß der Strombedarf, zu klein der Akku.

Von der Ampel weg leise und rein elektrisch los? Kein großes Problem. Nur allzu grob motorisch sollte man nicht unterwegs sein, sonst versteht die C-Klasse den Wunsch nach Beschleunigung falsch und drückt die Kraft gleich beider Herzen durch den Antriebsstrang.

Rechenkünstler. Nicht? 

Neben dem haptischen “Gaspedal” und dem Radar des Abstands-Tempomaten sind es die erstmalig im Straßenverkehr eingesetzten “Eco-Strategien” des “Eco-Fahrprogrammes” ,die den C350e wirklich hervorheben. Denn an anderer Stelle tritt die negative Seite des Rechenkünstlers zu Tage.

Norm – nur nicht mehr!

Mercedes-Benz erfüllt die Norm. Aber leider nicht mehr. Nach NEFZ-Zyklus erreicht der C350e eine rein elektrische Fahrstrecke von 31 Kilometern. Das sind genau 1.000 Meter mehr, als die EU für den “Persilschein” im abstrakten Rechengebilde des NEFZ-Normwertes abverlangt.  Dank der 30 (+1) Kilometer lässt sich der NEFZ-Normwert des C350e nach der ECE-Norm R 101 “klein rechnen” und so kommt man auf die 2.1 Liter Verbrauch.

Das ist leider Bullshit.

Der C350e verkommt damit zu einem Flottenverbrauchs-Feigenblatt, dessen Normverbrauchswert nicht für den Nutzer im Alltag relevant ist, sondern rein für die Erfüllung der CO2-Vorgaben in der EU benötigt wird.

Sechszylinder Dampf, Dreizylinder Durst?

Der Charakter des C350e lässt sich per Fingerschnick in 5 Bereiche definieren. Vom S+ Modus, dem Sport-Plus Modus für maximale Dynamik, über S wie Sport zu C wie Comfort bis hin zu einem E wie Economy lassen sich Fahrwerk, Lenkung, Getriebeabstimmung und das Zusammenspiel der beiden Herzen beeinflussen. Das waren aber doch nur vier Modi? Stimmt. Es fehlt das “I” für “Individual”. Hier darf man die eigene Kombination einstellen. Den Antrieb möglichst effizient, die Federung lieber sportlich straff, die Lenkung direkt, aber die Klimaanlage im Eco-Modus. Mercedes-Benz gönnt den C-Piloten die volle Spielfreude am Bordcomputer.

Der vom Pressetext versprochene “Sechszylinder-Dampf” leidet ein wenig unter den 270 Kilogramm, die der komplexe Plug-In Antriebsstrang mitbringt. Und der Mini-Durst wäre beeindruckender, wenn die Batterie-Leistung länger vorhalten würde.  Zudem sind die Anforderungen an die Plug-In Klasse vor kurzem erst wieder gestiegen. Die EU fordert ab 2017 vierzig Kilometer Reichweite und wird diese im neuen WLTP-Zyklus vermutlich auch deutlich realitätsnäher einfordern. China hat gerade eben erst die Hürde für die Förderung von Elektro- und Plug-In Hybriden auf fünfzig Kilometer Reichweite angehoben.

fahrbericht mercedes-benz 32 c350e plug-in hybrid

Fazit

Deswegen ist der C350e jedoch kein schlechtes Auto

Nein. Er fährt sich präzise und komfortabel, wie es sein muss. Die in Serie gelieferte Luftfederung stellt alles andere in dieser Fahrzeugklasse in den Schatten. Sitzposition und Bedienung sind perfekt. Das haptische Gaspedal und die Strecken basierte Eco-Strategie ein echter Gewinn. Zudem spielen E-Motor und Benziner zu 98% harmonisch und kaum merklich zusammen – aber leider hängt über allem diese wenig attraktive Grundauslegung.

Plug-In Hybride sind schwerer als ihre Hybrid-Brüder. Die Kombination mit dem Benziner sorgt auf langen und flott gefahrenen Etappen schnell zu einem ernüchternden Ergebnis beim Thema Verbrauch. Umso wichtiger ist die Auslegung auf “großzügige” Elektrodistanzen. Aber genau hier patzt man bei Mercedes-Benz ungewöhnlich deftig.

31 Kilometer nach Norm, in der Tempo regulierten Starbucks-Landschaft San Franciscos reichte es gerade mal für 16 Kilometer, bis der 6.38 kW/h kleine Akku erlahmt und die Flügel streckt.

Für den Pendler im bundesdeutschen Alltag eine viel zu geringe Strecke! Auf der Habenseite stehen das erste “haptische Fahrpedal” und ein Plug-In Hybrid im Mittelklasse-Segment. Da müssen Audi und BMW erst einmal passen.

 Linktipp: Autoblogger Jens Stratmann hat auch eine Meinung zum Mercedes-Benz C350e klick mich.

Und so erklärt Mercedes-Benz die Funktionsweisen des C350e:

 Fotos: Mercedes-Benz / Bjoern Habegger / Reisekosten durch den Hersteller getragen
Total
0
Shares
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Related Posts