Mit dem B8 Gran Coupé setzt Alpina einen Kontrapunkt zu den Kombis und SUVs. im Modellprogramm. Wir haben eine Ausfahrt mit dem luxuriösen Achtzylinder unternommen.
BMW-Veredler Alpina besitzt nicht nur Hersteller- sondern längst auch Kultstatus. Wo das BMW-Programm eine Lücke lässt, setzt das Ingenieur-Team aus Buchloe im Ostallgäu an und bietet eine patente Lösung. Sei es ein leistungsstarker V8-Kombi der Businessklasse auf M5-Level oder eben eine Alternative für den entfallenen BMW M550d der 400 PS-Klasse – hier hilft Alpina mit B5 Touring sowie D5 S aus. Dabei läuft die Zusammenarbeit mit BMW eng. Alpina modifiziert die Antriebsstränge, liefert sie an BMW, und die Münchener bauen die Fahrzeuge am Band in Auftragsfertigung. Das ist höchstes Niveau und hat nichts mehr mit Tuning zu tun.
Teurer Spaß
Das nun präsentierte B8 Gran Coupé Allrad ist seit dem Entfall der Mittelklasse-Coupés B4 auf BMW 4er-Basis das erste Alpina-Modell jenseits der rein funktionalen Klasse. Die viertürige Sportlimousine mit den schicken rahmenlosen Scheiben und dem nischigen Fond spricht mehr die Herzen als den Verstand an. Mit dem Grundpreis von 161.200 Euro wildert der 457 kW/621 PS starke B8 im M8-Revier (167.400 Euro), setzt dabei aber andere Schwerpunkte.
Auf eine Keramikbremse für harte Renneinsätze beispielsweise verzichtet der Alpina gänzlich, dafür gibt es unter den Fahrmodi wiederum die Stellung „Comfort Plus“, um gediegenen Federungskomfort zu ermöglichen, der bei BMW in diesem Segment nicht vorgesehen ist. Das Alpina B8 Gran Coupé ist in der 600 PS-Klasse der bessere Gran Turismo, während der M8 das Tracktool darstellt. Fahrdynamiker Sebastian Rinke erklärt, dass mit der alpinaspezifischen Dämpferauslegung der Druck- und Zugstufe eine größere Bandbreite zwischen kommoder und sportlicher Abstimmung möglich sei. Wer mit seinem B8 regelmäßig die Rennstrecken unsicher macht, sollte indes zu den 1.780 Euro teuren gelochten Bremsscheiben mit speziellen, besser gegen Hitze gewappneten Belägen greifen.
Macht nicht so viel Lärm
Ein kurzer Tipper auf den Startknopf, und der 4,4-Liter große Achtzylinder erwacht zum Leben. Im Stand schnarrt der Benzin-Direkteinspritzer typisch; andererseits lassen die Alpinisten den V8 trotz eigens entwickelter Edelstahl-Sportauspuffanlage nicht wirklich bollern, obwohl er könnte, wie man ja an einem BMW M850i hört.
Die akustische Zurückhaltung ist Teil der Alpina-Inszenierung. Der dezente Spoiler sowie ein markanter Diffusor sind die notwendigen Werkzeuge, um den schweren Allradler unter hochdynamischen Manövern auf dem Kurs zu halten. Bleiben die sauber in den Heckstoßfänger integrierte Vierrohr-Auspuffanlage als Zeichen der Sportlichkeit und die bis heute geklebten Dekorstreifen als schrulliges Markenzeichen-Überbleibsel aus den wilden Siebzigern, als Aufkleber zu den heißbegehrten In-Objekten gehörten. Wer möchte, darf selbstverständlich auf die kultigen Streifen verzichten.
Haut einen in den Sitz
Doch ob man seinen persönlichen Alpina B8 nun extrovertiert oder unauffällig gestalten mag, am unerbittlichen Vortrieb ändert das nichts. Selbst im großen Gang schiebt der Biturbo urgewaltig. Lässt der Fahrer den Achtgang-Wandlerautomaten per Kickdown auch noch zurückschalten, schnalzen die Köpfe an die Kopfstützen, und der Magen meldet „freien Fall“. Im Zweifel erreicht der B8 die 100 km/h-Marke binnen 3,4 Sekunden, während der Vortrieb erst bei 324 km/h endet – das schafft ein M8 selbst nach einer kostenpflichtigen Aufhebung der 250 km/h-Begrenzung nicht. Ingenieur Rinke verweist auf die eigens mit Alpina zusammen entwickelten Pneus hin, die die “ALP“-Kennung tragen.
Im Gegensatz zu den M-Modellen sind die Alpinas keine hektischen Racer auf Dauer-Adrenalin. Souverän cruisen lautet das Motto, gerne im „Comfort Plus“-Modus. Dann gleitet ein ultraschneller B8 lässig über die Fahrbahn, bügelt Bodenwellen weg, als seien sie gar nicht existent und gibt den unbeeindruckten Kilometerfresser. Goodies wie Hinterradlenkung, Sperrdifferenzial und Wankausgleich lassen den über fünf Meter langen Luxusliner bei Bedarf ambitioniert um die Ecken fegen oder entspannt in die enge Parklücke witschen.
Gleiche Sonderfunktionen wie bei BMW
Da die Alpina-Varianten auf dem BMW-Baukasten basieren, gibt es auch den vollen Infotainment- und Technik-Umfang der Basis. Dazu gehören heutzutage fast schon banale Dinge wie das aus TFT-Fläche bestehende Cockpit und ein zentraler Touchscreen mit der Möglichkeit, das Smartphone zu integrieren. Oberklassige Features wie das leistungsstarke Laserlicht oder eine Nachtsichtkamera sind gegen etwas mehr als 4.000 Euro Aufpreis ebenfalls zu haben analog zu den Optionen bei BMW.
Doch Alpina, der „Hersteller exclusiver Automobile“, wie es auf der Website heißt, wäre kaum Alpina, würde er nicht (fast) jeden individuellen Wunsch hinsichtlich Dekor und Polster erfüllen. Bei Letzteren hilft die hauseigene Sattlerei weiter, berühmt sind die hier verarbeitete Lavalina-Rindshaut und die handgenähten Leder-Lenkräder. Vollständig ist ein Alpina freilich nur mit der nummerierten Metallplakette, die auch im B8 nicht fehlt und den Viertürer womöglich einmal zum begehrten Sammler-Objekt macht. Wer das anstrebt, sollte unbedingt zu den 3.400 Euro teuren Lacktönen Alpina Blau oder Alpina Grün greifen. Vom letzten Alpina, der auf einer BMW 8er-Reihe (E31) basierte, liefen übrigens keine 60 Exemplare vom Band. Diesen Wert wird das auf die interne Modellbezeichnung G16 hörende Gran Coupé ziemlich locker überschreiten.
Technische Daten
Viertüriges Oberklasse-Coupé, Länge: 5,09 Meter, Breite: 1,93 Meter (2,14 Meter mit Außenspiegeln), Höhe: 1,43 Meter, Radstand: 3,02 Meter
B8 Allrad Gran Coupé: 4,4-Liter-Achtzylinder-Benziner mit Direkteinspritzung und doppelter Turboaufladung, 457 kW/621 PS, maximales Drehmoment: 800 Nm bei 2.000 bis 5.000 U/Min, Achtgang-Automatik (Drehmomentwandler), Allradantrieb, 0-100 km/h: 3,4 s, Vmax: 324 km/h, Durchschnittsverbrauch: 11,1 l, CO2-Ausstoß: 254 g/km, Effizienzklasse: F, Abgasnorm: Euro 6d, Preise: ab 161.200 Euro
Kurzcharakteristik
Warum: Weil er individualistisch, schnell und komfortabel ist
Warum nicht: Weil die Praxistauglichkeit eingeschränkt ist
Was sonst: Audi RS7, BMW M8 Gran Coupé, Mercedes-AMG GT 63 S Viertürer
Wann: Sofort