Das Auto kann es besser als der Mensch

Ein paar Hemmungen sind schon da, hat es doch der routinierte Autofahrer im Gespür: Das wird zu knapp. Bleibt der Lenkwinkel so und der BMW i3 fährt weiter um die Ecke, ratscht es ihm gleich die Seite auf. Im Außenspiegel kommt die Backsteinmauer der teuren Karbon-Außenhaut des Elektroautos bedenklich nahe, der Fuß bleibt aber weiter auf dem Gaspedal, das Lenkrad eingeschlagen. Kurz vor dem Knirsch kommt der Cut: Der i3 stoppt. Aber nicht, weil der Fahrer es so wollte.

Die neuen Sensoren des E-Fahrzeugs haben eine drohende Kollision angezeigt, deshalb bremste der i3 wenige Zentimeter vor der Backsteinmauer – im Versuch eine Plastikattrappe – ab, die Seite des Autos verschandelt hätte. Vier Laserscanner am Forschungsfahrzeug, zwei seitlich, je einer vorne und hinten, erfassen die Umgebung und erkennen Hindernisse rund um das Fahrzeug.

Parkrempler, Stoßstangenkratzer, Einparkdellen adé. Das könnte sogar in mehrfacher Hinsicht finanzielle Vorteile bieten: „Heute geben Sie bei Ihrer Versicherung die Motorleistung an, in Zukunft welche Fahrerassistenzsysteme im Fahrzeug sind“ glaubt Moritz Werling, Projektleiter in der BMW-Forschung.

Die Vermeidung typisch menschlicher Fahrfehler ist allerdings nur ein positiver Nebeneffekt: Denn dank der neuen Sensoren, die BMW auf der CES in Las Vegas (bis 9. Januar) vorstellt, kann das Forschungsfahrzeug i3 auch automatisch einparken. Dabei müssen sich die Entwickler nicht auf das GPS-Signal verlassen, das in Parkhäusern zu ungenau ist. Kombiniert mit einem digitalen Lageplan des Parkhauses, steuert das System das Fahrzeug selbstständig durch die Etagen.

Der Fahrer, der längst ausgestiegen ist und dem die lästige Parkplatzsuche erspart bleibt, aktiviert den „Remote Valet Parking Assistant“ über seine Smartwatch per Knopfdruck oder Sprachbefehl: „BMW Park yourself“ spricht er in die intelligente Uhr, also „park dich selbst ein“, aber schließlich ist man hier in Las Vegas. Es dauert einen Moment, bis der Befehl verarbeitet und über den BMW-Server an das vernetzte Fahrzeug geschickt ist. Dann rollt der i3 ohne Fahrer langsam in Richtung des nächsten freien Parkplatzes.

Dabei vermisst er seine Umgebung ständig und ändert auch mal den Kurs. Das bekommt man vor allem mit, wenn man hinten sitzt und dem nicht vorhandenen Fahrer über die imaginäre Schulter schaut. Das Lenkrad dreht sich von allein, korrigiert, noch etwas weiter rechts, der i3 zieht vor und zurück, bleibt stehen, berechnet neu, bis er alles in allem doch sehr souverän in der Parklücke steht.

Per Knopfdruck oder „BMW Pick me up“, also „hol mich ab“, bestellt der Fahrer sein Auto zum Ausgang. Künftige Parkhäuser könnten hierfür spezielle Abholbereiche einrichten und profitieren umgekehrt davon, dass die Autos ohne Fahrer enger geparkt werden können. Am automatisierten Parken, nicht nur in Parkhäusern, experimentieren verschiedene Autohersteller. Volvo-Forschungsfahrzeuge lassen sich beispielsweise über eine App auf dem Smartphone dirigieren. Mit Uhr und Sprachbefehl konnte aber bisher nur einer sein Auto rufen: Michael Knight sein Auto K.I.T.T. aus der 80er-Jahre-Serie Knight Rider.

Doch sowohl der 360-Grad-Kollisionsvermeider als auch der automatische Einparker bleiben zunächst Zukunftsmusik. Frühestens in fünf Jahren – wenn auch die ersten hochautomatisiert fahrenden Autos angekündigt sind – glauben die Münchner an einen Marktstart. Sind doch zum Beispiel die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass ein Auto ohne Fahrer fährt, noch gar nicht geschaffen. Aber es ist eben auch eine Sache der Kosten: Denn Aufpreis zahlen wollen die meisten Kunden eher für Komfort-Extras, nicht für mehr Sicherheit. Der praktische 360-Grad-Dellenvermeider dürfte damit wohl erst im Paket mit dem automatischen Einparker kommen.

Autor: Hanne Lübbehüsen/SP-X

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