Erste Ausfahrt: Mercedes-Benz CLS Facelift (Mopf)

Schönheit ist nach drei Tagen genauso langweilig wie Tugend.

So sagte es Bernard Shaw

Drei Tage also. Zum Glück dauerte die Begegnung mit dem frisch gemachten CLS nur zwei Tage. Zwei Tage zwischen London und Goodwood. Auf den Spuren des CLS gewandelt, hin- und hergerissen zwischen der Schönheit des viertürigen Coupés und den frisch erstarkten Tugenden. Wobei mir die Shooting Brake Version immer noch ein wenig besser gefällt.

Das Mehr-Coupé

Erste Ausfahrt im neuen CLS

Das Design des CLS war schon immer etwas besonderes. Eine große Prise Luxus, ein Hauch elitärer Verzicht und ganz viel Klasse. Das waren die Zutaten aus denen Mercedes bereits die erste CLS-Generation schuf. Bei der zweiten Generation wurde das Grundrezept nicht verändert. Man nehme eine ordentliche Business-Limousine, setze ihr den Hut eines Coupés auf und behalte die vier Türen bei. Das Ergebnis ist die vermutlich schönste Interpretation des GT-Gedankens.  Mit dem Facelift der zweiten CLS-Generation wird das Rezept wieder nicht angefasst und die Veränderungen an der äußeren Form sind nur für Experten zu sichten.  Es scheint als würden die “drei Tage” des Bernard Shaw für dieses Automobil niemals enden. Um auf Nummer sicher zu gehen, bekam der CLS nun weitere Tugenden anerzogen. Damit – sollte der Tag kommen und die Schönheit der viertürigen Limousine dem schnöden Alltag gewichen sein – dann doch wenigstens die inneren Werte überzeugen können.

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Mehr Licht, mehr Gänge, mehr Motoren

Mercedes bot bereits im Vorgänger ein LED-Licht an. (In der aktuellen S-Klasse und der noch aktuellen E-Klasse hat Mercedes die LED-Technik zudem um eine Technik erweitert, die es ermöglichte den Gegenverkehr aus dem eigenen Fernlicht auszublenden. Oder ein vorausfahrende Fahrzeug.) Doch unter den deutschen Premium-Herstellern ist ein erstaunlicher Wettbewerb um das beste Licht entstanden und die Schwaben wollen, bei aller Laserlicht-Penis-Debatte, wenigstens beim Serienlicht zu den besten gehören.   Und so verbinden sie ihren Fernlicht-Assistenten (Kamera-Modul in der Windschutzscheibe) nun mit einer LED-Batterie aus 24 LEDs im inneren der zwei Lichtmodule, 8 weitere – die man beim genauen Blick in den Scheinwerfer unter kleinen Souffleur-Hauben erkennt – und 4 LED im dynamisch, beweglichen äußeren Lichtmodul. Das ganze packen die Stuttgarter in einen adretten Scheinwerfer und verpassen diesem zusätzliche eine leuchtende Wimper. Diese “Lichtfackel” dient als Standlicht, als Tagfahrlicht, als Blinker und als “Willkommens Licht”. Nun denn. Gut sieht die Front aus. Aufgeräumt um die Nase, mit leichten Pausbacken unter den Scheinwerfern.

Doch wie leuchtet es?

Die Straßen rund um Brooklands sind bei Nacht eine tolle Teststrecke. Nicht weil in England die Nacht dunkler wäre als bei uns. Nachts ist es in der Tat überall dunkel (sic!). Sondern weil die leichten Kuppen, der wellige und wechselnder Fahrbahnbelag und das, des öfteren weit in die Straße hängende Ästwerk die Landstraßen noch dunkler und gruseliger erscheinen lassen. Die engen Straßen lassen einen als Autofahrer um soviel zusätzliches Licht wie möglich betteln. Mercedes-Benz bietet im neuen CLS nun zum ersten Mal einen LED-Scheinwerfer an, der mit insgesamt 36 LEDs an den Start geht. Die 36 “light emitting diods” arbeiten in den verschiedenen Lichtsituationen clever miteinander. So realisiert Mercedes-Benz mit diesem umfangreichen Aufbau sowohl ein dynamisches Kurvenlicht, also ein hineinleuchten in die Kurven während der Fahrt, als auch ein statisches Abbiegelicht, welches auch als “Kreisel-Ausleuchtung” genutzt wird, wie auch ein Autobahnlicht, eine Art Nebellicht für schlechte Sicht und ein differenzierendes Fernlicht. Das innere Lichtmodul mit seinen 24 LED-Elementen hinter einer Matrize ist zudem in 255 Stufen in der Stärke zu dimmen und kommt nun ohne bewegliche mechanische Bauteile aus (vgl. S-Klasse und E-Klasse Mopf). Mit der neuen Technik lassen sich mehrere Fahrzeuge ausblenden, ohne deswegen auf ein ordentliches Fernlicht verzichten zu müssen. Auf der Autobahn ermöglicht es zudem ein Fernlicht, dass LKW auf der Gegenfahrbahn ausblendet. Eben ein differenzierendes Fernlicht. Damit lässt sich die Steigerung der maximalen Reichweite des Fernlicht (485 Meter) auch im Alltag auf der Autobahn nutzen.

And now, is it any good?

Ach, es ist schwer zu sagen. Klar ist: Der Licht-Teppich den die aufwendigen LED-Scheinwerfer auf die Straße legen ist brilliant-weiß. Die Ausleuchtung in Breite und Länge ist beeindruckend – aber der gesamte Teppich ist nicht frei von Flecken. Techniker sprechen von “leichten Inhomogenitäten” bei der Lichtverteilung, ich sage: Ich sehe Flecken. Das konnten die LED-Vorgänger in E und S-Klasse leider auch schon. Da man die CLS-Modelle nicht alleine (selbst) durch die Nacht Englands fahren konnte, bleibt eine abschließende Beurteilung außen vor. Licht wirkt für den Fahrer doch immer noch einmal anders, als für den Beifahrer.  Ein erster Test bei Nacht, länger und auf Strecken die man bereits kennt, wird folgen müssen.

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Mehr Gänge

Es hat ein wenig gedauert, aber nun prahlt Mercedes mit einer neuen Neungang-Automatik. Wie es sich für “den Daimler” gehört, selbst entwickelt und selbst gebaut. Mit dem Facelift des CLS kommt das neue 9-Stufen Getriebe zum ersten Mal in einer Baureihe mit mehr Motorenauswahl in das Programm. Bislang war die 9-Gang Automatik nur für die E-Klasse mit 350er Diesel erhältlich (Fahrbericht folgt die Tage!). Wer sich für einen CLS mit Allradantrieb interessiert, der muss vorerst jedoch auf die 7-Gang Automatik zurück greifen.

Im Facelift-CLS kombiniert Mercedes den neuen Wandler-Automaten mit dem V8-Motor (CLS 500), mit dem CLS 400 (Schichtladungs-Bi-Turbo V6), dem CLS 350 BlueTEC, dem CLS 250 BlueTEC und dem neuen Einstiegsmotor, dem CLS 220 BlueTEC und damit auch mit dem genialsten CLS aller Zeiten.

Denn der “nur” 170 PS starke Vierzylinder-Diesel mit doppelter Aufladung ist zugleich die günstigste Version um in die Klasse des viertürigen Coupés einzusteigen. Bei einem Basispreis von 54.085,50 € bleibt genug Spielgeld übrig um den Verlockungen der Preisliste nachzugeben.  Und eine A+ in der CO²-Effizienz verdient sich der Fahrer zusätzlich.

Die große Spreizung der Gänge ermöglicht ein extrem niedertourigen Fahrstil. Die 400 Nm des kleinsten Diesel bieten genug Kraft um das Coupé flüssig über die Kuppen des Londoner Hinterlandes zu treiben. Und im Gegensatz zum CLS 63 AMG (Fotos im Artikel zeigen CLS 63 AMG S), bleibt beim kleinen Diesel und einer vernünftigen Rad-Reifen-Kombination ein echter Federungskomfort erhalten. Wo die stark motorisierten CLS-Varianten, mit prächtigen Reifen-Dimensionen, zum Teil hölzern abrollen, behelligt die Buchhalter-Motorisierung ihre Insassen nicht mit dem Zustand der Fahrbahn.  Und der NEFZ-Normverbrauch von 4.6 Litern (kombiniert) beeindruckt nicht nur Greenpeace-Mitglieder.

Mehr Motoren

Drei Dieseltriebwerke mit einer Leistung von 170 PS bis 252 PS sind erhältlich. Und zwei Benziner mit 333 PS (V6 CLS 400) und 408 PS (CLS 500). Darüber rangiert der CLS 63 AMG. Dessen Urgewalt habe ich bereits früher versucht zu beschreiben (Fahrbericht CLS 63 AMG).

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Mehr CLS – Mehr Fazit

Ich kann Bernard Shaw nur bedingt recht geben. Mich langweilte Schönheit noch nie. Der CLS und vor allem der CLS Shooting Brake gehören für mich noch immer zu den schönsten Autos aus dem Hause Mercedes-Benz. Während die erste Generation als viertüriges Coupé die Autowelt auf den Kopf stellte, brachte der CLS Shooting-Brake eine weitere Horizont-Erweiterung – ein Kombi-Coupé – undenkbar zuvor.

Mit dem Facelift des aktuellen CLS gewinnt dieser weiter an Charakter, wenn gleich die optischen Anpassungen nur für Eingeweihte sichtbar sind. Die 9-Gang-Automatik und das Multibeam-LED Licht sind jedoch neue Tugenden für den bekannten Schönling.

 

Fotos: Mercedes-Benz / Andreas Lindlahr | Disclosure: Mercedes-Benz hat die Kosten der Reise übernommen.
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