Fahrbericht: Lotus Elise Cup 250

Sie ist so etwas die Milf unter den Sportwagen. Und das ist selbst mit der halbseidenen Konnotation durchaus als Kompliment gemeint. Denn auch 25 Jahre nach ihrem Debüt ist die Lotus Elise noch immer ein wunderbar leichtes Mädchen – und in der Cup-Version eine scharfe Begleitung für gewisse Runden.  

25 Jahre – da freuen sich manche Autos schon aufs H-Kennzeichen und sind derweil drei Generationen weiter. Doch bei Lotus gehen die Uhren anders und im Grunde bauen die Briten noch immer das gleiche Auto wie 1995. Damals haben sie zum ersten Mal das Tuch von der Elise gezogen, und auch wenn sie seitdem ein paarmal neu geschminkt wurde, ein paar frische Organe bekommen hat und immer mal wieder einen neuen Beinamen tragen musste, hat sich am Grundkonzept des ebenso leichten und luftigen Luders, das allein der Freude am Fahren verpflichtet ist, nichts geändert. Sie mag deshalb zwar schon ein altes Mädchen sein, hat sich ihren jugendlichen Charme aber bewahrt – und würzt diesen mit einer Reife, wie sie nur mit jahrelanger Erfahrung zu erlangen ist. Kein andere Modellvariante macht das so deutlich wie die Elise Cup 250, die noch leichter ist als das Grundmodell, noch kompromissloser, dank zusätzlichen Abtriebs noch agiler – kurz. Noch verführerischer.

 

Man muss erstmal reinkommen

Aber die Elise ist keine Braut für Jedermann. Denn für den Flirt mit der reifen Raserin braucht es wie immer bei Lotus entweder gutes Wetter oder eine gewisse Gelenkigkeit. Mit geschlossenem Verdeck ist der britische Sportwagen jedenfalls nur für Schlangenmenschen geeignet. Wer nicht gelegentlich auf der Suche nach den verlorenen Socken auch in die Trommel seiner Waschmaschine klettert, der hat kaum eine Chance, sich gelenkig durch die schmale Lücke zu fädeln, die zwischen dem hohen Schweller und dem flachen Dach noch bleibt. Also schauen wir dankbar zum blauen Himmel und nesteln an der handtuchgroßen Stoffbahn, die zwischen Front- und Heckscheibe gespannt ist. Schnell zwei Spriegel gelöst, wie am Deckel einer Sardinendose gewickelt – und schon steht der Zweisitzer offenherzig da wie ein Bond-Girl vor dem britischen Geheimagenten. Und plötzlich wird auch das Einsteigen leichter. Einen Fuß auf den Sitz stellen, den zweiten nachziehen, kurz mit den Armen abstützen, die Füße am Lenkrad vorbei schieben und dann einfach fallen lassen. Den Rest erledigt die Schwerkraft, und ans Aussteigen denken wir besser gar nicht.

Das ist nicht weiter schwierig. Denn Aussteigen ist so ziemlich das Letzte, was man bei einer Elise tun möchte. Lieber noch eine Runde drehen und noch eine und noch eine. Schließlich ist die nur 3,82 Meter lange und gerade einmal 1,12 Meter hohe Flunder, nach der sich selbst die Passagiere im Bus umdrehen, eine Fahrmaschine, die süchtig macht. Kaum ist der Startknopf gedrückt, gibt es kein Entrinnen mehr. Die Hände ruhen auf einem Lenkrad nicht größer als eine Langspielplatte und wechseln nur für Sekunden auf den massiven Aluknauf, der wie ein Tischtennisball den durch eine offene Kulisse geführten Schaltstummel ziert. Die Füße fliegen über drei schlanke Pedale und die Augen halten gierig Ausschau nach der nächsten Kurve, die im Lotus mehr Spaß machen als in der Achterbahn. Dafür sorgt auch die Sitzposition, die einen direkteren Fahrbahnkontakt vermittelt als in jedem anderen Serienauto. Man liegt so tief unten, dass man förmlich das Portemonnaie aus der Hose nehmen möchte, damit es nicht am Asphalt schleift. Die Lenkung reagiert frei von jeder Servounterstützung auf den kleinsten Fingerzeig, jeder Gasstoß wirft den Wagen unbehelligt von Regelsystemen noch ein paar Millimeter näher an die Ideallinie, und die Bremsen beißen fest wie eine englische Bulldogge.

Schnelles Leichtgewicht

Den Soundtrack zum rasanten Road-Movie spielt ein aufgeladener 1,8-Liter-Vierzylinder. Er klingt zwar mit 180 kW/246 PS und 250 Nm auf dem Papier zwar nicht nach Supersportwagen. Doch weil der Lotus mit Alurahmen, Kunststoffkarosserie und vielen Anbauteilen aus Karbon gerade einmal 931 Kilo wiegt und die Briten dem Motor von aller Zurückhaltung befreit haben, schiebt er den Wagen gehörig an. In 4,3 Sekunden steht der Tacho bei 100 und Schluss ist erst bei 243 km/h, die hier viel atemberaubender wirken als die 300 und mehr Sachen, die mit Porsche & Co drin sind. Immer wieder lässt man deshalb die Gänge so lange stehen, bis man bei 6.000 Touren jenen zweiten Kick spürt, der Lotusfahrern so ein schönes Lächeln auf die Lippen malt. Und wären da nicht die roten Warnlampen im Cockpit, man würde wahrscheinlich auch bei 7.500 Touren nicht ins Getriebe greifen.

Entspannen kann man beim Tanz mit der Elise allerdings nicht. Weil der Purismus auch für das Interieur gilt, sucht man moderne Annehmlichkeiten vergebens. Nur gegen Aufpreis gibt es ein Radio, eine Klimaanlage und ein paar ziemlich überflüssige Elektromotoren etwa für die Fenster. Ein Handschuhfach fehlt ganz und Ablagen oder Cupholder sind auch nicht an Bord. Aber selbst, wenn dort ständig ein Energy-Drink bereitstünde, steigt man aus der Elise aus, als käme man aus einem Fitness-Studio. Das Hemd klebt auf dem Rücken, die Knie zittern und der Blick wird seltsam unstet, wenn man zu lange geradeaus schaut. Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb macht es der Exot von der Insel einfach einen Heidenspaß – wahrscheinlich sogar mehr, als man sonst irgendwo für Geld kaufen kann. Schließlich beginnen die Preise bei 50.600 Euro und liegen deutlich unter einem vergleichsweise handzahmen Porsche Boxster. Und selbst das Cup-Modell für 63.000 Euro ist verglichen mit einem nicht halb so sündigen Boxster GTS 4.0 frisch und feurig wie eine junge Liebe, leidenschaftlich und lüstern und bei aller Reife jederzeit zur Raserei bereit, – auch wenn die Elise im besten Sinne so etwas wie die Milf unter den Sportwagen ist und ihre Reize noch viel weiter zurückreichen als ins Jahr 1995, in dem sie das erste Mal präsentiert wurde, kann ihr das Oldtimer-Kennzeichen getrost gestohlen bleiben. Stattdessen sollte man froh sein, dass es gerade beim Cup-Modell überhaupt noch für eine Zulassung gereicht hat. Denn so wird aus dem messerscharfen Mädchen für ein paar rare Runden auf der Rennstrecke eine feste Freundin für gewisse Stunden.

Technische Daten

Zweisitziger Roadster; Länge: 3,82 Meter, Breite: 1,72 Meter (Breite mit Außenspiegeln: k. A.), Höhe: 1,12 Meter, Radstand: 2,30 Meter

1,8-Liter-Vierzylinder-Kompressor; 181 kW/246 PS, maximales Drehmoment: 250 Nm bei 3.550 – 5.500 U/min, Heckantrieb, Sechsgang-Schaltgetriebe, 0-100 km/h: 4,3 s, Vmax: 243 km/h, Normverbrauch: 7,1– 7,8 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 177 g/km, Abgasnorm: Euro 6d-temp, Effizienzklasse: k. A., Preis: ab 63.000 Euro

Kurzcharakteristik

Warum Weil kein anderer Sportwagen mehr Emotionen pro Euro bietet

Warum nicht weil Einsteigen was für Schlangenmenschen ist

Was sonst sicher kein Porsche und kein Lamborghini, allenfalls einen Super Seven oder einen Morgan.

Wann kommt er schon im Handel

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