Fahrbericht: VW Arteon R

Na also, geht doch. Wo der Passat das Spießerauto schlechthin ist, erlaubt sich VW beim Arteon ein bisschen Übermut. Galt das bislang nur für den Auftritt als Coupé-Limousine oder Shooting Brake, legt die R GmbH jetzt auch beim Antrieb nach.

Bei VW erleben Vielfahrer und Kilometerfresser jetzt ihr blaues Wunder. Denn in diesem Frühling gibt es den Arteon auch als R-Modell: Am besten im tief dunklen Blau der R GmbH lackiert, fahren Limousine und Shooting Brake dann mit der stärksten Version des 2,0 Liter TSI-Motors vor, die der Konzern zu bieten hat, und werden mit dann immerhin 320 PS zum Helden jedes Handlungsreisenden. Schließlich sind das 40 PS mehr als bei den bisherigen Top-Modell.

Bis zur Hälfte Hinterradantrieb möglich

Und es bleibt ja nicht beim Motortuning allein. Für den aktuell verführerischsten VW im Pkw-Programm und das Flaggschiff der mittlerweile wieder ziemlich aktiven R GmbH gibt’s ja neben den üblichen Sportabzeichen aus dem Design auch ein strammeres Set-Up fürs adaptive Fahrwerk, eine Quersperre für die Vorderachse und ein neues Verteilergetriebe an der Hinterachse. Das schaufelt nicht nur bis zu 100 Prozent an die Vorder- oder maximal 50 Prozent der Antriebskraft an die Hinterachse. Sondern im Heck können obendrein bis zu 100 Prozent des dort ankommenden Drehmoments an das äußere Rad geleitet werden, weshalb der Arteon noch besser die Kurve kratzt. 

„Der Allradantrieb zum einen, dann die elektronische Differenzialsperre an der Vorderachse, das Torque-Vectoring – das sind alles Dinge, die dem Arteon R Stabilität geben. Wenn du schnelle Autobahnkurven fährst, kannst du sie ganz präzise fahren. Das Auto bewegt sich nicht. Und wenn du dann aus der Kurve heraus Traktion brauchst, dann wird auf der Hinterachse die Kraft immer dahin geleitet, wo sie wirklich erforderlich ist,“ lobt PS-Veteran und Werksfahrer Hans-Joachim Stuck das neue Top-Modell und nennt es „ein Auto für alle Lebenslagen – ganz gleich ob du jetzt sportlich unterwegs sein willst, ob du lange Strecken fahren musst oder ob du Familie dabei hast.“

Blitzschnell per Knopfdruck

Vor allem aber ist der Arteon R einer der wenigen VW, der ein echtes Fahrerauto sein will. Erst recht, wenn man die die blaue beleuchtete R-Taste im Lenkrad drückt und er im schärfsten Fahrprofil auf Attacke schaltet. Als würde sich der Sachbearbeiter entschlossen die Krawatte vom Hals reißen, den obersten Knopf am Kragen öffnen und wütend aus dem Büro der Bausparkasse stürmen, jagt dann auch der Arteon über die Landstraße, als hätte jemand „Nordschleife“ gerufen. Und es braucht nur zwei, drei Kurven um zu lernen, dass auch ein Spießer und Streber mal über die Stränge schlagen kann. Gut, dass die neuen Sitze dann genügend Seitenhalt bieten und die Assistenten der Vernunft zur Hilfe eilen. Denn egal, wie leidenschaftlich der Arteon plötzlich unterwegs ist, lässt sich die Verkehrszeichenerkennung nicht bestechen. 

Zwar fehlen dem Triebwerk zu früheren R-Modellen zwei Zylinder, doch sind 420 Nm und der kernige Sound des Sportauspuffs ein schöner Trost – und an den Fahrleistungen gibt es nichts auszusetzen. Begleitet von einem gierigen Knurren schiebt der aus dem Golf R bekannte Vierzylinder kräftig an, der serienmäßige Allrad garantiert die nötige Traktion und 4,9 Sekunden für den Sprint auf 100 zeugen von einem Elan, den man auch der etwas verwegenen Variante des Wolfsburger Biedermanns kaum zugetraut hätte. Und es ist kein Strohfeuer, dass da unter dem Bug lodert. Gespeist von der Luft, die durch riesige Nüstern hereingesogen wird, brennt es vielmehr so lang und lichterloh, dass selbst bei 250 Sachen noch nicht Schluss ist. Bei 200 auf der linken Spur bekommt der Arteon einen zweiten Wind und wer auf der Bestellung das richtige Kreuzchen gemacht hat, der kann der Konkurrenz und dem Rest der VW-Flotte mit bis zu 270 km/h davonfahren. Damit bewegt sich der Arteon R in einer Liga, in der sonst die AMG und die M Modelle zuhause sind.

„Belebend“

Allerdings fühlt er sich dieser Gesellschaft sichtlich unwohl. Weil der Streber bei allem Spaß nur schwer aus seiner Haut kann, fehlt ihm dafür eine Prise Provokation– zu brav sind die Designmodifikationen, zu dezent ist der Klang und zu bescheiden ist der Auftritt, als dass er wirklich auf Dicke Hose machen könnte.

An der belebenden Wirkung de R-Modells tut das keinen Abbruch. Denn weder der kreuzbrave Passat noch der etwas verwegenere Arteon haben den Blutdruck bislang so in Wallung gebracht. Leider beginnt das bereits vor dem Fahren – beim Blick auf die Preise: Bei 63.095 Euro für den Fastback und 63.980 Euro für den Shooting Brake dürfte manch einem VW-Kunden ganz schön heiß unter dem Hemd werden.

Technische Daten

Viertüriges, fünfsitziges Coupe; Länge: 4,87 Meter, Breite: 1,87 Meter, Höhe: 1,46 Meter, Radstand: 2,85 Meter, Kofferraumvolumen: 563 – 1.557 Liter

Viertüriger, fünfsitziger Kombi; Länge: 4,87 Meter, Breite: 1,87 Meter, Höhe: 1,46 Meter, Radstand: 2,85 Meter, Kofferraumvolumen: 565 – 1.632 Liter

2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo; 235 kW/320 PS, maximales Drehmoment: 420 Nm bei 2.000 – 5.350 U/min, Allradantrieb, Siebengang-Doppelkupplung, 0-100 km/h: 4,9 s, Vmax: 270 km/h, Normverbrauch: 7,7 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 176 g/km, Abgasnorm: Euro 6d, Effizienzklasse: C

Preis: ab 63.095  Euro (Coupé), 63.980 Euro (Shooting Brake)

Kurzcharakteristik

Warum: weil auch Spießer mal ein bisschen Spaß haben wollen

Warum nicht: weil er zum Protzen zu brav ist

Was sonst: die GSI-Variante des Opel Insignia oder besser gleich den Kia Stinger

Wann kommt er: sofort

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