Mercedes V-Klasse – Die S-Klasse unter den Bussen

Das Wohnen in ehemaligen Industriegebäuden ist ja aktuell irgendwie in. Auf die Idee, sein Wohnzimmer in einen Lieferwagen zu verlagern, kämen aber wohl nur wenige. Obwohl: Beim Umzug in eine V-Klasse könnte das je nach bisheriger Lebenssituation sogar eine Verbesserung darstellen. Die Pkw-Variante des mittelgroßen Transporters ist aktuell wohl diejenige mit dem marktweit schicksten Interieur. Das überstrahlt sogar ein paar kleine Schwächen.

Die mittlere Version misst 5,14 Meter
Die mittlere Version misst 5,14 Meter

Zu denen zählt auch das Außendesign. Klar, der raumnutzungsoptimierten Kastengeometrie war aufgrund des Hauptberufs als Arbeitsgeräts nicht zu entkommen. Und die Konkurrenz tarnt die Nutzwertform auch nicht unbedingt eleganter. Doch im Vergleich mit der Innenausstattung fällt die äußere Hülle durchaus spürbar ab. Also Tür auf und hinters Lederlenkrad geschwungen. Dort blickt man auf ein Cockpit, wie es auch einer C- oder E-Klasse gut zu Gesicht stünde. Auch dort finden sich die sanft geschwungenen Konsolen, die runden Lüftungsdüsen und die metallisch wirkenden Schalter für Klimaanlage und Co. Auch das Touchpad am Dreh-Drück-Schalter für das Infotainment-System hat man sonst nicht an Bord eines Transporters. Vor allem im Dämmerlicht der Ambiente-Beleuchtung wirkt die V-Klasse innen fast wie eine Edel-Limousine. Allerdings wie eine, in der man – zumindest gebückt – stehen kann.

Sechs Sitze sind immer an Bord, optional sogar acht. Dazu hat der Kunde die Wahl zwischen drei Längen: 4,90 Meter, 5,14 Meter und 5,37 Meter. Als Testwagen gab es das mittlere Modell mit sechs bequemen, verschieb- und demontierbaren Einzelsitzen und durchaus geräumigem Kofferraum, selbst bei voller Bestuhlung. Beladen wird dieser entweder über eine große Heckklappe, bei Platzmangel lässt sich das Heckfenster auch separat öffnen. Die Fondpassagiere gelangen durch große seitliche Schiebtüren ins Innere, von denen nur die rechte serienmäßig ist, die andere 854 Euro Aufpreis kostet.

Für die Innenstadt ist der Bus eigentlich etwas zu sperrig
Für die Innenstadt ist der Bus eigentlich etwas zu sperrig

Womit wir beim ersten Nachteil der V-Klasse wären: der Edel-Bus ist extrem teuer. Nicht nur VW-Multivan-teuer, sondern richtig kostspielig. Schon das günstigste Kurzmodell mit kleinstem Dieselmotor (100 kW/136 PS) kostet 43.411 Euro. Wer den stärkeren Diesel (140 kW/190 PS) und die extralange Karosserie wählt, ist 50.539 Euro los. Ohne Sonderausstattung. Und viel mehr als Klimaanlage, CD-Radio und ein paar Zierteile in Klavierlackoptik sind ab Werk nicht an Bord. Wer das Premium-Potenzial der V-Klasse nutzen will, muss einige tausend Euro extra einplanen, die 50.000er-Grenze ist da schnell erreicht.

Das Interieur gibt sich besonders edel
Das Interieur gibt sich besonders edel

Klar, im Vergleich mit einer S-Klasse bleibt der geräumige Bus auch in Luxus-Trim ein Schnäppchen. Allerdings ist er im Kern ein eher ruppiges Nutzfahrzeug, keine High-End-Limousine. Auch, wenn er das teilweise überspielen kann. Der lange Radstand etwa sorgt für eine satte Straßenlage. Und nur harte Kanten im Straßenbelag bringen die starre Hinterachse kurzzeitig in Aufregung. Dazu ist es an Bord angenehm ruhig. Bis jenseits der 120 km/h laute Geräusche daran erinnern, dass sich hier eine knapp zwei mal zwei Meter große Bus-Stirn durch den Wind quält. Der 2,1-Liter-Diesel im Testwagen ist kräftig und kultiviert, hat mit einem der sonst häufig in Bussen üblichen Nutzfahrzeug-Triebwerke nichts gemein. Nicht komplett überzeugen kann jedoch die Siebengangautomatik, die etwas zu träge beim Hochschalten ist. Der Verbrauch geht mit gut acht Litern trotzdem in Ordnung.

Auch die Fondpassagiere haben es gut
Auch die Fondpassagiere haben es gut

Von der Pkw-Perfektion der Mercedes-Limousinen ist die V-Klasse also ein gutes Stück entfernt. Trotzdem: Komfortabler und edler lässt sich kaum ein Bus fahren. Oder bewohnen. Dafür muss man nur Position V9B auf der Preisliste ankreuzen: das Liege-Paket für 1.003 Euro, mit dem die Sitze in Reihe zwei zum Bedarfs-Bett umgebaut werden können – auf Wunsch auch in Leder.

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